Das Erzbistum Paderborn, so ist derzeit überall zu lesen, hat im Jahr 2018 einen "Gewinn" (WDR) bzw. einen "Jahresüberschuss" (Domradio) von 15 Millionen Euro erzielt. "Das entspricht dem Vorjahresergebnis", so Finanzdirektor Dirk Wummel laut Domradio, und der Betrag "fließe zu 100 Prozent an die Kirchengemeinden".
Tatsächlich hat das Erzbistum Paderborn 2018 einen Jahresüberschuss von knapp 52 Mio. Euro (also mehr als das Dreifache) erwirtschaftet (Ergebnisrechnung für 2018, Zeile "Jahresüberschuss", Finanzbericht S. 59). Die von den Medien erwähnten 15 Mio. sind lediglich der Teil des Überschusses, über dessen Verwendung der Kirchensteuerrat entscheiden durfte – der sog. "Bilanzgewinn".
Im Gegensatz zum Jahresüberschuss kann das Erzbistum Paderborn den ausgewiesenen Bilanzgewinn praktisch frei bestimmen.
Bilanzgewinn/Bilanzverlust sind handelsrechtliche Begriffe, die keineswegs identisch sind mit dem tatsächlich im Geschäftsjahr entstandenen Gewinn/Verlust. Ein Bilanzgewinn kann selbst dann noch ausgewiesen werden, wenn ein Verlust entstanden ist. (Wikipedia)
Das Erzbistum selbst erklärt hierzu auf seiner Website:
Insgesamt verzeichnete das Erzbistum Paderborn einen Jahresüberschuss von 51,5 Mio. Euro. […] Der nach Dotierung der Bau- und Pensionsrücklagen verbleibende Bilanzgewinn von 15 Mio. Euro wird an Kirchengemeinden, die Caritas und Kindertagesstätten ausgeschüttet.
Doch auch dies ist nur die halbe Wahrheit. (Mehr dazu weiter unten.)
Baurücklagen werden für zukünftige Jahre zurückgelegt. Das ist so, wie wenn jemand Ende des Jahres noch Geld übrig hat und es für eine Auto- oder Hausreparatur in späteren Jahren zurücklegt. Das ist durchaus sinnvoll – es wäre allerdings unsachgemäß, bei der wirtschaftlichen Beurteilung des Jahres auszublenden, dass am Ende noch genug Geld für solche Rücklagen übrig war. Der Bilanzgewinn blendet die Bildung von Rücklagen aus und ist damit ungeeignet, um die wirtschaftliche Situation eines Bistums zu beurteilen. Ebensowenig ist er geeignet, Bistümer untereinander zu vergleichen: Ein Bistum, das mehr oder weniger Rücklagen gebildet hat, könnte immer noch einen Bilanzgewinn von 15 Mio. Euro ausweisen, obwohl es um seine Finanzkraft ganz anders bestellt sein könnte.
Etwas anders sieht die Sache bei den Pensionsrücklagen aus. Aufgrund des derzeitigen, niedrigen Zinsniveaus reichen die Pensionsrückstellungen, die nach dem HGB zu bilden sind, nicht aus, um die bereits entstandenen Ansprüche zukünftig abzudecken. Es ist daher durchaus geboten, den Fehlbetrag durch eine zusätzliche Pensionsrücklage zu decken. (Ob die Pensionsrücklage, die das Erzbistum Paderborn ausweist, auch der Höhe nach gerechtfertigt ist, ist eine andere Frage.)
Was das Erzbistum Paderborn in der obigen Erklärung nicht erwähnt, ist, dass auch noch 3,2 Mio. Euro der Ergebnisrücklage zugeführt wurden. Dabei handelt es sich um nichts anderes als einbehaltene Überschüsse:
"Die Ergebnisrücklage stammt aus noch nicht verwendeten Überschüssen der Vorjahre." (Finanzbericht S. 55)
Korrekt müsste es daher heißen:
Insgesamt verzeichnete das Erzbistum Paderborn einen Jahresüberschuss von 51,5 Mio. Euro. […] Der nach Dotierung der Bau- und Pensionsrücklagen verbleibende Überschuss von 18,8 Mio. Euro wird wie folgt verwendet: 15,2 Mio. werden an Kirchengemeinden, die Caritas und Kindertagesstätten ausgeschüttet, 3,6 Mio. werden einbehalten.
An dieser Stelle sei angemerkt, dass der Finanzbericht, den das Erzbistum Paderborn veröffentlicht, für sich genommen nicht zu beanstanden und teilweise sogar vorbildlich ist. Die Transparenz ist insofern gegeben, als dass Fachleute die wirtschaftliche Situation des Erzbistums anhand des Finanzberichts beurteilen können.
Umso enttäuschender ist daher, dass man den Eindruck hat, dass das Erzbistum Paderborn der breiten Öffentlichkeit Nebelkerzen präsentiert – speziell mit dem Ausweis eines Bilanzgewinns, der "zu 100 Prozent" (Finanzdirektor Wummel, s.o.) "an Kirchengemeinden, die Caritas und Kindertagesstätten ausgeschüttet" wird. Während für das Bistum immer noch einen Gewinn von gut 36 Millionen Euro übrig bleibt – denn um diesen Betrag erhöht sich das Eigenkapital des Erzbistums immer noch, auch nach der Ausschüttung der 15 Millionen.
Der Bilanzgewinn ist weder geeignet, die wirtschaftliche Situation des Erzbistums einzuschätzen, noch dazu, Bistümer miteinander zu vergleichen. Wie bei Kirchenthemen üblich, gehen hier geschickt formulierte Vorlagen der Kirchen Hand in Hand mit oftmals unkritischer und inkompetenter Berichterstattung durch die Medien, etwa wenn der WDR von 15 Mio. "Gewinn" berichtet (statt "Bilanzgewinn", was zumindest Fachleuten signalisieren würde, dass Teile des Überschusses anderweitig verwendet wurden), oder wenn das Domradio aus dem Bilanzgewinn einen "Jahresüberschuss" macht, obwohl die Ergebnisrechnung ausdrücklich einen Jahresüberschuss von knapp 52 Mio. ausweist.
Die allermeisten Leute (und Kirchenmitglieder!) lesen nicht den Finanzbericht, sondern die Medienartikel darüber. Solange die Medien hier nicht kompetent und kritisch berichten, besteht die angebliche Finanztransparenz selbst "auf dem Papier" nur eingeschränkt.
Daher zum Abschluss eine kleine Presseschau:
Zunächst der Artikel des Erzbistums Paderborn. Dort heißt es, weitgehend zutreffend:
"Die Aufwendungen des Erzbistums betrugen 2018 rund 533 Mio. Euro und stiegen mit 5,7 Prozent deutlich stärker als die Erträge, die lediglich um 2,1 Prozent auf 585 Mio. Euro zunahmen. […] Insgesamt verzeichnete das Erzbistum Paderborn einen Jahresüberschuss von 51,5 Mio. Euro. Das sind fast 25 Prozent weniger als im Vorjahr. Der nach Dotierung der Bau- und Pensionsrücklagen verbleibende Bilanzgewinn von 15 Mio. Euro wird an Kirchengemeinden, die Caritas und Kindertagesstätten ausgeschüttet."
Zu bemängeln ist hier lediglich, dass die Zuführungen zur Ausgleichs- und Ergebnisrücklage nicht erwähnt werden (s.o.), so dass der Eindruck entsteht, der Überschuss werde "komplett" verwendet bzw. ausgeschüttet.
Radio Hochstift (das Lokalradio für die Kreise Paderborn und Höxter), berichtet sachgemäß:
"Das Erzbistum Paderborn hat seinen Finanzbericht fürs vergangene Jahr vorgelegt. Danach erzielte die katholische Kirche einen Überschuss von mehr als 51 Millionen Euro."
Allerdings heißt es auch dort:
"Von dem Überschuss werden noch Rücklagen für Pensionen und Baumaßnahmen gebildet – unterm Strich bleiben dann noch 15 Millionen."
Und die Überschrift lautet "Mehr Ausgaben als Einnahmen beim Erzbistum". Wenn man in Westfalen auf diese Weise Millionenüberschüsse erwirtschaften kann, ziehe wieder dorthin zurück!
Der WDR meldet "Erzbistum Paderborn droht mit Kita-Schließungen" und spricht zweimal von einem "Gewinn" von 15 Millionen:
"Das Erzbistum hat am Mittwoch seinen Finanzbericht vorgestellt. Demnach hat es 15 Millionen Euro Gewinn gemacht, genauso viel wie im Vorjahr 2017. […] Das Geld werde für die Caritas sowie für die mehr als 600 Kirchengemeinden und Kindertagestätten der Erzdiözese verwendet."
Der Überschuss von knapp 52 Millionen Euro wird nicht erwähnt – passt wohl nicht so gut zu den angedrohten Kita-Schließungen …
Birger Berbüsse von der Neuen Westfälischen hatte ich vorab extra noch auf die Nebelkerze mit dem Bilanzgewinn hingewiesen, da er bereits vor ein paar Tagen noch einmal über den vorherigen Jahresabschluss des Erzbistums berichtet hatte. Meine Erläuterungen fanden keinen Niederschlag in seinem gestrigen Artikel:
"Der Bilanzgewinn blieb mit 15 Millionen Euro stabil, […]
Zwar wuchsen die Erträge dem am Mittwoch in Paderborn vorgestellten Finanzbericht 2018 zufolge von 526 auf 543 Millionen Euro. Weil aber gleichzeitig auch die Aufwendungen von 486 auf 515 Millionen Euro stiegen, blieb der Bilanzgewinn gleich. Der Gewinn soll erneut zu 100 Prozent an die Kirchengemeinden ausgeschüttet werden, teilte Finanzdirektor Dirk Wummel mit."
Leider lässt Herr Berbüsse die Leserinnen und Leser der Neuen Westfälischen auch im Dunkeln darüber, wie sich aus den von ihm genannten Erträgen und Aufwendungen ein Überschuss von 15 Mio. Euro ergibt – deren Differenz beträgt nämlich 28 Millionen. Den Jahresüberschuss von knapp 52 Mio. erwähnt Herr Berbüsse nicht.
Sein Kollege Hans-Hermann Igges verwendet in einem anderen Artikel zwar bessere Zahlen, käme damit allerdings auch auf einen Überschuss von 52 Millionen und nicht 15:
"Insgesamt verzeichnete die Erzdiözese demnach Erträge von 585 Millionen Euro. Dem standen Aufwendungen von 533 Millionen Euro gegenüber. Der Überschuss von 15 Millionen Euro (wie im letzten Jahr) fließe vollständig an Kirchengemeinden, Kindertageseinrichtungen und die Caritas, sagte Wummel."
Den Jahresüberschuss von knapp 52 Mio. erwähnt auch Herr Igges nicht ausdrücklich.
Das Westfalen-Blatt meldet: "Erzbistum Paderborn erzielt Bilanzgewinn von rund 15 Millionen Euro" und im Untertitel "Summe soll an die Caritas sowie die über 600 Kirchengemeinden und Kindertagesstätten der Erzdiözese ausgeschüttet werden". Immerhin heißt es aber gleich zu Beginn des Artikels:
"Das Erzbistum Paderborn hat im vergangenen Jahr einen Überschuss von 51,5 Millionen Euro verzeichnet. Das seien 25 Prozent weniger als 2017, teilte das Erzbistum am Mittwoch mit.
Der nach Abzug von Bau- und Pensionsrücklagen verbleibende Bilanzgewinn von 15 Millionen Euro werde an die Caritas sowie die über 600 Kirchengemeinden und Kindertagesstätten der Erzdiözese ausgeschüttet."
Auch hier keine Erwähnung der Ergebnisrücklage – offenbar bedienen sich die Redakteure einfach bei den Texten des Erzbistums.
Die WAZ interessiert sich nicht für die Kindergartenschließungen, sondern blickt offenbar etwas neidisch auf das Erzbistum Paderborn, welches sie mit dem Ruhrbistum Essen vergleicht:
"Das Bistum Paderborn gilt als wahrscheinlich reichstes katholisches Bistum der Welt. Jetzt ist es noch ein bisschen reicher.
Das Erzbistum Paderborn wird seinem Ruf als wahrscheinlich reichstes katholisches Bistum der Welt weiter gerecht. Wie aus dem am Mittwoch vorgestellten Finanzbericht des Bistums hervorgeht, ist die Bilanzsumme der Diözese im Jahr 2018 erneut gestiegen. Sie liegt mit rund 4,5 Milliarden Euro knapp 100 Millionen Euro über dem Vorjahreswert."
Die Bilanzsumme sagt nichts darüber aus, wie reich ein Bistum ist. Es hat allerdings den Anschein, als hätte das Erzbistum Paderborn selbst die Bilanzsumme als Nebelkerze aufgebracht, um von der Erhöhung des Eigenkapitals abzulenken. Die WAZ weiter:
"Der Jahresüberschuss sank hingegen um ein Viertel auf 51,5 Millionen Euro. […] Zum Vergleich: Das Essener Ruhrbistum (755.000 Katholiken) erzielte 2018 einen Überschuss von 500.000 Euro."
Das Domradio des Erzbistums Köln (das selbst als eins der reichsten Bistümer der Welt gilt) blickt etwas weniger neidisch nach Paderborn – und spart sich auch den Vergleich mit dem eigenen Bistum. Dabei wird der Bilanzgewinn ebenso konsequent wie falsch als "Jahresüberschuss" (im Untertitel) bzw. "Überschuss" bezeichnet:
"Das Erzbistum Paderborn hat 2018 erneut einen Überschuss von rund 15 Millionen Euro erwirtschaftet. Das entspricht dem Vorjahresergebnis, wie Finanzdirektor Dirk Wummel am Mittwoch in Paderborn vor Journalisten erläuterte.
Insgesamt verzeichnete die Erzdiözese Erträge von 585 Millionen Euro. Dem standen Aufwendungen von 533 Millionen Euro gegenüber. Der Überschuss von 15 Millionen Euro fließe zu 100 Prozent an die Kirchengemeinden, so Wummel."
Auch hier: Keine Erklärung dafür, wieso bei den angegebenen Erträgen und Aufwendungen nur ein "Überschuss" von 15 Millionen zustande kam. Auch das Domradio lässt sich von der Nebelkerze "Bilanzsumme" blenden:
"Die Bilanzsumme gibt das Erzbistum mit rund 4,49 Milliarden Euro an, rund 100 Millionen Euro mehr als 2017. Der Betrag setzt sich überwiegend aus Finanzanlagen (4,06 Milliarden Euro) sowie Immobilienwerten (285 Millionen Euro) zusammen. Das Eigenkapital beträgt 3,7 Milliarden Euro, wovon 2,9 Milliarden Euro zweckgebunden sind."
Zum Vergleich: Die Bilanzsumme des Erzbistums Köln beträgt 3,8 Milliarden Euro (davon 2,9 Mrd. in Finanzanlagen), das Eigenkapital 2,6 Milliarden. Das Erzbistum Köln zeigt übrigens in seinem Finanzbericht 2018 (S. 39) auch, wie man eine saubere Ergebnisrechnung ohne irreführenden Bilanzgewinn abliefert:
1 Kommentar
Kommentare
Hans Trutnau am Permanenter Link
Danke, Matthias; saubere Recherche-Arbeit.
'Schöne' Zustände in unserer Kirchenrepublik.