Kann man die Debatte um ein mögliches Verbot organisierter Suizidhilfe noch ernst nehmen oder läuft hier ein Theaterstück, das sich am Ende als Tragödie für das Selbstbestimmungsrecht entpuppt?
Dass der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages drei der vier vorliegenden Gesetzentwürfe als in Teilen nicht verfassungsgemäß beurteilt, mag ein wenig Hoffnung geben für alle diejenigen, die das Selbstbestimmungsrecht auch am Lebensende ernst nehmen.
Gerade dieses soll ja hauptsächlich von der Gruppe um den CDU-Abgeordneten Michael Brand und über 200 Abgeordneten, die seinen Gesetzentwurf unterstützen, einem vermeintlichen Schutzbedürfnis von Alten und Kranken geopfert werden.
16 Kommentare
Kommentare
Udo Endruscheit am Permanenter Link
Wie ich schon mal sagte: Hier läuft die Selbstdelegitimierung unseres parlamentarischen Systems ab.
valtental am Permanenter Link
Treffend formuliert! Allerdings weiß ich nicht so recht, ob es für die Zukunft gut oder schlecht sein wird, wenn das wirklich viele Leute registrieren sollten? :-|
Bernd Lauert am Permanenter Link
In der Tat. Die so genannte repräsentative Demokratie in Deutschland kann getrost als gescheitert betrachtet werden.
valtental am Permanenter Link
Gäbe es bundesweite Volksabstimmungen, würde keiner der Gröhe, Brandt u. Co sich eine derartige Ignoranz erlauben (können).
Ulrike Ludy am Permanenter Link
Die Scharia mit dem christlichen Menschenbild zu vergleichen löst bei mir nur Kopfschütteln aus.
Geht es hier wirklich um das Gewissen der Abgeordneten? Soll deren Gewissen entscheiden, was in unserem Land Recht ist?
Natürlich entscheidet ein Abgeordneter nach seinem Gewissen und nicht danach was gerade gerne gesehen wird. Wer es mit seinem Gewissen vereinbaren kann wird für den ärztlichen begleiteten Suizid stimmen und wer nicht dagegen. Niemand kann seine Einstellung, sei sie humanistisch oder religiös an der Tür zum Parlament abgeben.
Es hat sich in einer Studie über das Gesetz des ärztlichen begleiteten Suizid in Kalifornien heraus gestellt, dass die Zahl der Suizide nicht gesunken ist, sondern eher gestiegen.
Udo Endruscheit am Permanenter Link
Der Artikel vergleicht keineswegs die Scharia mit dem "christlichen Menschenbild". Zitat: Wir wollen keine Scharia, auch keine christliche! Zitatende.
Ich möchte sehr darum bitten, Beiträge nicht durch Kommentare, die weder in Wortlaut noch im Sinngehalt des kritisierten Textes eine Grundlage finden, zu diskreditieren.
Zudem erstaunt mich Ihr Hinweis auf angebliche Studien im Zusammenhang mit der kalifornischen Gesetzgebung. Woher sollen die Zahlen kommen, wenn das kalifornische Gesetz erst in der vorletzten Woche in Kraft getreten ist?
Seit vielen Jahren gibt es Zahlenmaterial zu dieser Frage aus den Ländern, die eine liberale Sterbehilfegesetzgebung haben. Die absoluten Zahlen schwanken um den "Nullpunkt" der Zahlen vor Einführung der liberalen Regelungen. Dass es zu einem leichten Anstieg kommen kann, weil hier eine Hemmschwelle praktischer wie rechtlicher Art wegfällt, mag sein und wird von keinem Sterbehilfebefürworter bestritten. Entscheidend ist jedoch, ob diese Zahlen das "Dammbruchargument" stützen. Das tun sie nachgewiesenermaßen eben nicht. Wenn das anders wäre, wären vorherige Initiativen zur Verschärfung der Rechtslage (2005, 2007, 2009) sicher nicht versandet, sondern längst durchgesetzt worden.
Vorsicht auch mit dem Gewissensargument. Bei Moral- und Ethikfragen scheint es mir sehr problematisch zu sein, allgemeine Gesetzgebung von hochpersönlichen Ethik- und Moralvorstellungen abhängig zu machen. Zunächst einmal ist die Gesetzgebung, so auch der einzelne Abgeordnete, der verfassungsmäßigen Ordnung verpflichtet. Und die sieht meines Erachtens durchaus nicht vor, Gesetze zu beschließen, die individuelle Moralvorstellungen reglementieren.
Ulrike Ludy am Permanenter Link
Bei Moral- und Ethikfragen scheint es mir sehr problematisch zu sein, allgemeine Gesetzgebung von hochpersönlichen Ethik- und Moralvorstellungen abhängig zu machen.
Udo Endruscheit am Permanenter Link
Ein säkularer Humanist wird dem von Ihnen beschriebenen Schwerkranken seine Selbstbestimmung zugestehen und dies nicht als eine Frage seines eigenen Gewissens ansehen.
Ulrike Ludy am Permanenter Link
Mein Menschenbild ist das christliche und da ist der Mensch Ebenbild Gottes und daher sagt mir mein Gewissen, dass aktive Sterbehilfe nicht erlaubt werden darf.
Petra Pausch am Permanenter Link
"....dass aktive Sterbehilfe nicht erlaubt werden darf."
Genau mit solchen Sätzen zeigen Sie, dass Sie nichts verstanden haben. Denn niemand fordert hier die "aktive" Sterbehilfe.
Für säkulare Humanisten steht das Selbstbestimmungsrecht des Menschen an erster Stelle - und nicht die Dogmen eines ausgedachten Gottes.
Ulrike Ludy am Permanenter Link
Ihre Einstellung zum Lebensrecht beruhen auf dem säkularen humanistischen Menschenbild das Sie wegen der Meinungsfreiheit in unserem Land gerne verbreiten dürfen wie ich das meinige. Alles klar!
Petra Pausch am Permanenter Link
Sie weichen aus.
Es ging um die Unterscheidung zwischen "aktiver Sterbehilfe" und dem attestierten Suizid. Es ging nicht um meines oder Ihr Menschenbild.
Ulrike Ludy am Permanenter Link
Es geht in erster Linie um das bedingungslose Lebensrecht aller Menschen ob aktive Sterbehilfe, ärztlichen begleiteten Suizid oder Abtreibung. Und da spielt das Menschenbild eine Rolle.
Udo Endruscheit am Permanenter Link
Sie verirren sich in Ihrer Argumentation. Hier postulieren sie kein Lebensrecht, sondern eine Lebenspflicht aller Menschen aufgrund Ihrer persönlichen Auffassungen.
Um es einmal ganz einfach auszudrücken: Ihr christliches Menschenbild fordert Einschränkung von Autonomie und Verbote, auch für Menschen, die dem aufgrund ihres eigenen Menschenbildes nicht folgen wollen. Das humanistische Menschenbild will die Autonomie des Menschen ernst nehmen und auf Kriminalisierungen verzichten. Wer nimmt hier wem etwas? Wer will hier anderen etwas aufzwingen?
Ich habe zudem den Eindruck, dass Sie nicht auf der Höhe der Diskussion stehen und über zu wenige Sachinformationen verfügen. Das Einführen des Begriffs der "aktiven Sterbehilfe" in die hier anhängige Debatte zeigt dies überdeutlich.
Versuchen Sie einmal, die hier vorgetragenen Überlegungen vorurteilsfrei nachzuvollziehen und dabei im Auge zu behalten, dass Ihnen niemand Ihre Überzeugungen und das Recht, danach zu handeln, nehmen will.
Ulrike Ludy am Permanenter Link
Das christliche Menschenbild besagt,dass jeder Mensch ob alt und dement, behindert oder krank, sprich ob er noch etwas oder wieviel er leistet, er hat ein bedingungsloses Lebensrecht.
In einer Gesellschaft in der durch die aktive Sterbehilfe, den ärztlichen begleiteten Suizid und die Abtreibung von behinderten Kindern Leben bewertet wird, geraten alte und kranke Menschen unter Druck. Jetzt schon müssen sich Eltern von behinderten Kindern vorwerfen lassen, dass sie ihr Kind nicht abgetrieben haben. Schöne neue Welt! Bei der Abtreibung von Kindern mit Trisomie 21 ist mit über 90 % der Dammbruch schon längst passiert.
Selbstbestimmung hat ihre Grenzen wo das Leben oder das Wohlergehen eines anderen gefährdet ist. Das Wohlergehen von alten und behinderten Menschen kann durch gesellschaftlichen Druck, sich doch endlich aus dem Weg schaffen zu lassen sehr beeinträchtigt sein. Oder wie sehen sie das? Aus dem Recht zu sterben wird die Pflicht zu sterben. Stammt nicht von mir, sondern von Robert Spaemann.
Das wir Christen bei der Durchsetzung dieser Gesetze im Weg stehen ist schon längst klar und die Teilnehmer des Marsches für das Leben bekommen jedes Jahr den Hass zu spüren für ihren Einsatz für das bedingungslose Lebensrecht.
Das Selbstbestimmungsrecht ist eine Art goldenes Kalb um das die Befürworter des raschen Todes einen Tanz aufführen, der berauscht. Aber wehe wenn sie erwachen!!!
Ulrike Ludy am Permanenter Link
Zum Verhältnis von Würde und Autonomie von Josef Bordat Jobo72Blog
Selbstbestimmung – wie sie diejenigen auffassen, die meinen, je mehr Möglichkeiten für die aktive Gestaltung des Lebensendes erlaubt sind, desto mehr werde man der Würde des Menschen gerecht – gibt es in dieser Form nicht, zumindest nicht in sinnvoller Weise. Es ist ja zunächst offenkundig so, dass das Urteil über den eigenen „Lebensunwert“ des Suizidalen nur mit sehr viel Zynismus als „Selbstbestimmung“ verklärt werden kann – mit Würde hat das nichts zu tun, schon gar nicht mit Empathie und Zuneigung. Wenn es wirklich das Mitgefühl mit dem Suizidalen wäre, das Angehörige leitete, würden sie kaum die „Selbstbestimmung“ als Joker ziehen, sondern versuchen, den geliebten Menschen zu einem anderen Urteil über sich kommen zu lassen. Es drängt sich der Verdacht auf, dass „Selbstbestimmung“ zum Alibi für Angehörige wird, die in erster Linie mit sich selbst Mitleid haben, weil sie das Leid nicht mehr ertragen, geschweige denn, mittragen wollen.
Mitleid im echten, im christlichen Sinne löst Fürsorge aus. Dafür hat der Mensch im Paradigma einer utilitaristischen Glückskonzeption kein Verständnis, wohl aber dafür, aus Selbstmitleid zu töten oder zumindest dabei mitzuhelfen. Der Moraltheologe Eberhard Schockenhoff hat es gut auf den Punkt gebracht: „Wer ein Menschenbild vertritt, in dem sich der ,Wert’ des Lebens über Individuengrenzen hinweg aus dem Beitrag zur Gesamtsumme des Glücks errechnet, kann in der Bereitschaft, unabwendbares Leid mitzutragen, keinen Sinn mehr erkennen. Er muss daher den Begriff des Mitleids in sein Gegenteil verkehren, indem er den Gedanken der Solidarität im Leiden daraus eliminiert und so die Tötung eines anderen Menschen aus Mitleidserwägungen legitimiert“ (Ethik des Lebens. Grundlagen und neue Herausforderungen. Freiburg i. Br. 2009, S. 625, Hervorhebung im Original). Verkehrte Welt! Mit erheblichen Folgen für das, was die christliche Lebensethik schlussendlich fordert: Selbstbegrenzung. Wir sollten unsere Grenzen kennen und sie annehmen. Maß halten bedeutet eben auch Verzicht, soweit er einer „kultivierten Lebensordnung“ dient. Schockenhoff meint, dass wir „nicht allen Wünschen und Bedürfnissen nachgeben dürfen“, denn: „Auch in der Tugend des rechten Maßes, die in dem Ensemble lebensförderlicher Einstellungen neben Staunen und Ehrfurcht, Fürsorge, Solidarität und Mitleiden tritt, geht es um die Bejahung des Lebens – um ein Ja, das Maß nimmt an dem guten Gott und seiner Schöpfung und dem endlichen Menschen Raum gibt, in seinen Grenzen zu leben“ (S. 630).
Ich möchte das Kernkonzept der Debatte aber etwas genauer unter die Lupe nehmen und aus philosophischer, aus christlich-anthropologischer und aus katholischer Perspektive problematisieren.