Humanistischer Verband Deutschlands begrüßt wissenschaftliches Rechtsgutachten zu den bisher vorliegenden Gesetzentwürfen

Recht auf Selbstbestimmung am Lebensende nicht verbieten, sondern stärken

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Erwin Kress
Erwin Kress

BERLIN. (hpd/hvd) "Suizidbeihilfe muss wie bisher straffrei bleiben. Die Bundestagsabgeordneten sollten den Willen der Bevölkerungsmehrheit endlich ernst zunehmen beginnen, anstatt das Recht auf Selbstbestimmung am Lebensende durch dilettantische Gesetze zu untergraben." Dies sagte der Vizepräsident des Humanistischen Verbandes Deutschlands und Sprecher zum Thema Autonomie am Lebensende, Erwin Kress, am Mittwochvormittag mit Blick auf ein aktuelles Rechtsgutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags.

Die von der Bundestagsabgeordneten Katja Keul (Bündnis 90/Die Grünen) in Auftrag gegebene Expertise weist auf verfassungsrechtlich bedenkliche Mängel in drei der vier bisher vorgelegten Gesetzentwürfen hin. Die Initiative der Abgeordneten Keul bezeichnete Erwin Kress als "weisen und umsichtigen Schritt, der die laufenden Diskussionen konstruktiv und im Interesse des Selbstbestimmungsrechts der Menschen in Deutschland voranbringt."

Das nun vorgelegte Rechtsgutachten äußert deutliche verfassungsrechtliche Zweifel an drei der vorgelegten Gesetzentwürfe. Zwei der Gesetzentwürfe entsprechen der Expertise zufolge nicht dem Bestimmtheitsgebot des Grundgesetzes. Gegenüber dem von den Abgeordneten Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen) und Petra Sitte (DIE LINKE) vorgelegten Gesetzentwurf äußert das Gutachten "verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf die Bundesgesetzgebungskompetenz." Der Bundestag könne ärztliche Berufsordnungen, die von Landesärztekammern erlassen wurden und eine ärztliche Suizidassistenz verbieten, nicht aufheben. Ein neben den Gesetzentwürfen von Katja Keul, Brigitte Zypries (SPD) und anderen Bundestagsabgeordneten ebenfalls eingebrachter Antrag plädiert hingegen dafür, keine neuen Straftatbestände zu schaffen.

HVD

Erwin Kress sagte dazu: "Das Rechtsgutachten des Wissenschaftlichen Dienstes bestätigt, was wir seit langem und wiederholt kritisiert haben: Die Mehrheit der Bundestagsabgeordneten will bei diesem Thema mit dem Kopf durch die Wand. Deshalb erwarte ich, dass das Gutachten dazu beiträgt, nun endlich die dringend nötige Ordnung in diese Debatte zu bringen." Kress betonte, dass auch die sogenannte geschäftsmäßige und organisierte Suizidbeihilfe straffrei bleiben müsse, wenn die Politik der Komplexität möglicher Lebenslagen der von Sterbewünschen betroffenen Menschen wirklich gerecht werden wolle. "Aus humanistischer Perspektive vertretbar ist lediglich ein Verbot von Werbung für solche Dienstleistungen sowie kommerziell geprägte, d.h. profitorientierte, Sterbehilfe. Keinesfalls dürfen schlecht durchdachte Regelungen vom Gesetzgeber verabschiedet werden, die dann anschließend in einem mühsamen und langwierigen Verfahren vom Bundesverfassungsgericht korrigiert werden müssen", so Kress weiter. Die Entstehung von Unsicherheiten bei Betroffenen, Angehörigen oder Ärzten, die die vermeidbare Verlängerung von menschlichem Leiden zur Folge haben, sei nicht akzeptabel.

Als eine neben dem Verbot kommerzieller Suizidbeihilfe und der Werbung für Suizidbeihilfe sinnvolle Möglichkeit zur Stärkung des Selbstbestimmungsrechts, die strafrechtlich konkretisiert werden könnte, bezeichnete Kress die Aufhebung der Garantenpflicht bei Suiziden, die Menschen freiwillensfähig und nach ausreichender Bedenkzeit vollziehen. "Hier wäre ein geeigneter Rechtsrahmen zu schaffen, der den wohlerwogenen und nachweislich freien Entschluss von Personen respektiert", so Kress.

Er rief die Bundestagsabgeordneten außerdem dazu auf, das Recht auf Selbstbestimmung am Lebensende durch eine verbesserte Suizidprävention in Form von Regelungen zur Einrichtung neutraler Beratungsstellen zu stärken. "Wenn Menschen, ob todkrank und leidend oder nur eines von beidem, einen Sterbewunsch verspüren, muss dies selbstverständlich ernst genommen werden. Doch genauso wie die Heroisierung des Suizids abzulehnen ist, darf auch keine Tabuisierung erfolgen. Die Schaffung von qualifizierten Suizidkonfliktberatungsstellen wären ein wichtiger Schritt, um die Zahl vermeidbarer Selbsttötungen zu verringern."


Pressemitteilung des Humanistischen Verbandes Deutschland