Wie wird man Ritter?

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Aufmarsch der Ritter mit Kreuz und Fahne und ohne Pferd

DRESDEN. (hpd) Wer wollte nicht als kleiner Junge vielleicht ein Ritter werden? Mit circa sieben Jahren haben die meisten diesen Berufswunsch dann an den Nagel gehängt –als klar wurde, dass Ritter genau wie Indianer weder ein Lehrberuf ist noch dass es irgendwo Studienplätze dafür gibt.

Am Samstag, dem 9.Oktober 2010, trafen sich in Dresden gut 300 Leute, die entweder mental noch in einem Jahrhundert leben, in dem Ritter eine gesellschaftliche Funktion haben, oder deren Glaube an übernatürliche Wesen sie auch an die Erfüllbarkeit von Kindheitsträumen festhalten lässt. Die deutsche Dependance des „Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem“ hielt an diesem Wochenende ihre Investitur in der „Kathedrale Sankt Trinitatis“ ab, die Dresdnern eher als Hofkirche bekannt ist.

Aus Ermangelung eines Königs wurden die 25 Neuritter (15 Männer, fünf Frauen und fünf Geistliche) von dem Großprior der Deutschen Ordensstatthalterei, Erzbischof Dr. Reinhard Marx, mit dem Schwert zum Ritter geschlagen - was wiederum auch nur für die männlichen Laien zutraf. Denn anachronistisch wie schon die ganze Prozedur, wurden die fünf weiblichen Aspirantinnen auch nicht zu Ritterinnen, sondern zu Ordensdamen ernannt. Das dritte Geschlecht, die geistlichen Neu-Ritterordensmitglieder, wurden gleichfalls nicht „geschlagen“. Angeblich sind Priester ja auch friedlich und schlagen nicht zu...

Aber wie wird man nun Ritter?

Definitiv nicht wie im guten - oder besser schlechten - alten Mittelalter, in dem man als Knappe bei einem Ritter in die „Lehre“ ging und dann mit 21 in voller Mannesblüte zum Ritter wurde. Heute geht keine Ausbildung dem „Ritter-Schlag“ voraus, sondern man wird nach intransparenten Auswahlkriterien ausgesucht. Auch das durchschnittliche Alter der Neuritter liegt mit 50 Jahren deutlich näher an der Nutzung des Rollators als am Schlachtross. Wenn man das Durchschnittsalter der Mitglieder von 60 Jahren allgemein betrachtet, ist nicht verwunderlich, dass von den insgesamt 1.300 deutschen Ordensbrüdern und -schwestern nur ein Bruchteil den Weg nach Dresden fand. Ein guter Teil dürfte nicht mehr reisetauglich sein. Und wir sprechen hier nicht vom Reiten, was den Rittern ja ihren Namen einbrachte.

Von offizieller Seite heißt es, der Orden habe vom Heiligen Vater den Auftrag erhalten, das christliche Leben seiner Mitglieder zu stärken und die christliche Präsenz im Heiligen Land zu fördern. In diesem Zusammenhang baut und unterhält er Kirchen, Schulen, Kindergärten, Sozialstationen, Altenheime und bildet junge Christen aus. Angeblich stünde die Unterstützung sozial Schwachen und Benachteiligten in Israel, Palästina und Jordanien allen Menschen unabhängig von deren religiösen Überzeugung oder ethnischer Herkunft offen.

Tatsächlich dient der rechts-konservative Orden jedoch dazu, einflussreiche und finanzstarke Persönlichkeiten enger an die katholische Kirche zu binden und den Einfluss des Vatikans zu festigen. Entsprechend gemeint war auch Bischof Marx’ Aufruf in seiner Predigt, die Kandidatinnen und Kandidaten aus „Politik, Wirtschaft und anderen Bereichen“ (letzterer meint Adel und Kirchenadel) sollen in ihren Wirkungskreisen die Lehren der katholischen Kirche leben und verbreiten. Wenn das keine Aufforderung zur Unterwanderung sämtlicher Entscheidungsgremien ist, was dann?

 

 

 

Die Mitgliederlisten des Ordens lesen sich übrigens wie das „Who-is-who“ von Politik und Wirtschaft der Gegenwart und Vergangenheit. Derzeit sind u.a. folgende Persönlichkeiten „Ritter“:

  • Walter Mixa, katholischer Hardliner und emeritierter Bischof von Augsburg
  • Dr. Heinrich Dickmann, Honorarkonsul der Republik Österreich und Chef der deutschen Statthalterei des Ordens
  • Bernhard Blaszkiewitz, Direktor von Tierpark und Zoologischem Garten Berlin
  • Wilm Tegethoff, Vorsitzender des Aufsichtsrats von Tierpark und Zoologischem Garten Berlin, zudem ehemaliger Vorstandssprecher der BEWAG (Berliner Kraft und Licht AG), Energielobbyist und Beiratsmitglied der Bank für Kirche und Caritas (Pax Bank)
  • Alois Konstantin zu Löwenstein, ehemaliger Bankier des Liechtensteiner Fürstenhauses
  • Thomas Rusche, Lobbyist der Textil- und Bekleidungsindustrie
  • Max Streibl, der in die Mega-Petrol-Affäre verwickelte ehemalige BayernLB-Chef, bayerische Finanzminister und spätere Ministerpräsident

Inzwischen verstorbene Ordensritter waren u.a.:

  • Hermann Josef Abs, als damaliger Vorstandssprecher der Deutschen Bank für die „Arisierung“ jüdischer Banken und Unternehmen zuständig
  • Konrad Adenauer, sorgte als Bundeskanzler für die Integration ehemals nationalsozialistischer Funktionsträger in den Verwaltungsapparat der Bundesrepublik Deutschland
  • Ludwig Martin, als ehemaliger Generalbundesanwalt am Freispruch der NS-Verbrecher Thorbeck und Huppenkothen beteiligt
  • Friedrich August von der Heydte, als Major der Reichswehr Bataillonskommandeur und später Gründer des wegen Geldwäsche von CDU-, CSU- und FDP-Parteispenden bekannt gewordenen „Instituts für Staatslehre und Politik e.V.“
  • angeblich auch Franz Liszt, der jedoch Mitglied dreier Freimaurerlogen war (darunter der liberalen „Loge zur Einigkeit“ Frankfurt am Main), was nach Statut des Ritterordens angeblich die Aufnahme ausschließt.

Interessant auch, dass der Großprior des Ordens eine besondere Aufgabe darin sieht, in der Region der Investitur, sprich Sachsen, die Missionsarbeit zu verstärken, da weniger als 20 % der Bevölkerung konfessionell gebunden sind. Glück hat, wer den Plan Ritter zu werden frühzeitig aufgegeben hat! Wie groß wäre die Enttäuschung heute, wenn man statt Jungfrauen in Not zu helfen oder Drachen zu jagen solche Aufgaben wahrnehmen müsste. (M.B./O.Z.)