Schulterschluss der Religiösen in Deutschland

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Ehem. Friedhofskapelle / Foto: IGS-Hamburg

BERLIN. (hpd) Bundespräsident Wulff ist nicht nur der Landespolitiker der CDU, der um Stimmen bei den muslimischen Migranten warb, er vertritt eine klare politische Position: Religiöse gegen Säkulare. Weltweit ist das bereits offensichtlich, nun wird es auch in Deutschland sichtbarer.

Dass sich Christian Wulff selbst zu den Religiösen in Deutschland zählt ist offenkundig. In seiner Rede zum diesjährigen „Tag der Einheit“ in Bremen nannte der Bundespräsident jedoch nicht die gläubigen Menschen in Deutschland (Christen, Juden und Muslime), sondern pauschal die Oberbegriffe der religiösen Organisationen (Christentum, Judentum und Islam), die alle Teil Deutschlands seien. Wenn das einigen Vertretern der CDU und der CSU zu weit ging, den Schulterschluss von „Deutschland“ zum Islam nachzuvollziehen, so sind diese nicht auf der Höhe der religiösen Kumpanei. Drei Beispiele sollen das verdeutlichen.

„World Religions Summit 2010“

Im Vorfeld des G-8 bzw. G-20-Treffens in Kanda versammelten sich wieder die Vertreter der Welteligionen zu einem „Religionsgipfel“. Aus den G-20-Staaten hatten sich im Juni 2010 Religionsverteter aus den G-20 Staaten zusammengefunden. Sie vertraten die Aboriginals, Bahá’is, Buddhisten, Christen, Hindus, Juden, Muslime, Shintos und Sikhs. Zu dieser Gruppe der „Interfaith Leaders“ schreibt die Evanglische Kirche in Deutschland: „In einer gemeinsamen Erklärung fordern über 70 Vertreter der Weltreligionen die Staats- und Regierungschefs der G-8- und G-20-Staaten auf, sich stärker für die Bekämpfung der weltweiten Armut, für den globalen Klimaschutz und die nukleare Abrüstung einzusetzen. Im Abschlussdokument des dreitägigen „World Religions Summit 2010“ in Winnipeg, Kanada, plädieren führende Persönlichkeiten der Religionsgemeinschaften aus allen Kontinenten für zukunftsorientierte politische Entscheidungen, die das globale Gemeinwohl in den Mittelpunkt stellen.“

Das ist insofern von Interesse, als die Christen, die in den Herkunftsländern der anderen Religionsgemeinschaften massiv missionieren, sich in einer politikbezogenen Erklärung zu „Armut, Klimaschutz und Abrüstung“ wieder einmal gemeinsam, auch mit den aus ihrer Sicht Ungläubigen, als die „Guten“ darstellen. Die Logik derartiger Veranstaltungen kann man allerdings auch in Deutschland betrachten, in Hamburg.

Gartenschau 2013 – „Zwischen Himmel und Erde“

Seit 1953 findet alle zehn Jahre in Deutschland eine Internationale Gartenschau (IGS) statt, die nächste 2013 in Hamburg, die den Turnus der im Abstand von zwei Jahren organisierten Bundesgartenschauen ergänzen. Der internationale Aspekt wird auch religiös praktiziert.

So heißt es in der Selbstdarstellung des Veranstalters: „Seit Juni 2008 treffen sich rund dreißig Vertreter der fünf großen Glaubensgemeinschaften Christentum, Judentum, Islam, Buddhismus und Hinduismus regelmäßig zu einem außergewöhnlichen, interreligiösen Dialog auf der Hamburger Elbinsel Wilhelmsburg. Thema ist die Planung und Gestaltung eines gemeinsamen Gartens auf dem Gelände der internationalen Gartenschau, die 2013 stattfindet.“

Ein ganzes Areal der internationalen Gartenschau ist diesen Religionen überlassen. Die „Ökumenische Steuerungsgruppe“ für: „Die Kirchen auf der Internationalen Gartenschau (IGS) 2013“ ist schon seit einiger Zeit aktiv. Einige Zitate, die veranschaulichen, wessen Geistes Kind diese Veranstaltung ist: Voller Lyrik, Freundschaft und Liebe.

„Wie Blütenblätter schmiegen sich der buddhistische, christliche, hinduistische, islamische und jüdische Garten um den zentralen Brunnen und bieten Raum für Meditation, Gottesdienste und verschiedene Veranstaltungen.“

„Aus einem gemeinsamen Brunnen zweigen fünf Bachläufe ab, an deren Ufern die fünf großen Weltreligionen ihren Glauben und ihre Philosophie präsentieren. Mit Räumen der Stille, Milch und Honig, heiligen Sakramenten, Bäumen und Blumen. Wasser ist das verbindende Element. Hierin spiegelt sich der Himmel, und das Wasser verbindet den Himmel mit der Erde.
Der gemeinsame Brunnen in der Welt der Religionen versinnbildlicht die Reinheit des Glaubens, seine läuternde Kraft und die unerschöpfliche, göttliche Liebe zu den Menschen.“

„Jede Religion ist frei in der Gestaltung ihrer Gärten:

  • Die Juden erinnern an die Wanderung durch die Wüste und den Einzug in das gelobte Land Kanaan.
  • Die Muslime spielen mit dem Wasser als rituellem Bestandteil ihrer Gebete und Ornament ihrer Bau- und Gartenkunst.
  • Die Christen führen die Besucher von der Geburt über die Taufe, Konfirmation und Kommunion, über die Trauung und den Tod zur Auferstehung.
  • Die Hindus lassen heilige Belbäume und Tulispflanzen blühen.
  • Die Buddhisten geleiten ihre Besucher in Räume der Stille für gemeinsame Meditation, Geistesschulung und heilsame Handlungen.“

Alles gruppiert sich im Umfeld einer ehemaligen christlichen Friedhofskapelle. Bis Ende der 1960er Jahre wurde das Gelände als Friedhof genutzt, dann als Park und die nun überflüssige kleine Kirche blieb im Leerstand sich selbst überlassen. Damit das Kirchengebäude mit Steuergeldern restauriert werden konnte, hat die Hamburger Kulturbehörde es als schutzwürdiges Kulturdenkmal eingestuft. So konnte die Kirche bereits 2007 von der „igs Hamburg 2013“ mit öffentlichen Geldern saniert werden.
 

"Welt der Religionen" (Zeichnung: IGS-Hamburg)

Religiöses Weltbild des Bundespräsidenten

Alle, die vielleicht erwartet haben, dass Bundespräsident Christian Wulff sich auf die Aufgaben seines Amtes besinnt, alle Deutschen, also auch das Drittel der Konfessionsfreien zu repräsentieren, sollten sich an dem Brunnenbeispiel orientieren. Das religiöse Wasser wird in keinen säkularen „Garten Epikurs“ fließen können, denn das würde wohl nur die „Reinheit des Glaubens“ verschmutzen, und wie sollen denn ‚säkulare Pflanzen’ durch die „unerschöpfliche, göttliche Liebe zu den Menschen“ wachsen und gedeihen?

Insofern hätte der Bundespräsident auch noch die Hindus und die Buddhisten nennen können, aber das sind vermutlich zu wenige Wählerstimmen für die CDU/CSU.

Diese Grundhaltung der Koexistenz der verschiedenen Religionen in Deutschland – Mission und Glaubenskämpfe finden irgendwo außerhalb Deutschlands statt – zeigt sich ebenfalls in der Hamburger Variante des Religionsunterrichts.

Religionsunterricht der Weltreligionen

In Hamburg befindet sich, wie auch in anderen deutschen Großstädten, die Anzahl der christlichen Kirchenmitglieder in einem stetigen Gleitflug nach ‚unten’. Die Katholiken bleiben zwar (durch Zuwanderung) recht stabil bei zehn Prozent Bevölkerungsanteil, die Evangelischen haben indessen nur noch einen 30 Prozent Anteil. Insofern machten die evangelischen Religionslehrer schon vor Jahren die Erfahrung, dass einerseits immer weniger Evangelische in ihrem Religionsunterricht saßen aber andererseits immer mehr Konfessionslose und Muslime. Nun machte man aus der Not eine Tugend und bevor die Evangelische Theologie in der Versenkung der Bedeutungslosigkeit verschwand, öffnete man den anderen Religionen die Tür zum evangelischen Religionsunterricht, der nun als „dialogischer Unterricht“ verschiedener Religionen angeboten wird. Ein möglicherweise Verstoß gegen den verfassungsrechtlich garantierten Unterricht, der Bekenntnisgebunden zu sein hat. So schreibt das Bundesinnenmisterium zum Religionsunterricht (RU): „Der Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach ist Bekenntnisunterricht, d. h. er soll die Werte und Glaubenslehren der jeweiligen Religionsgemeinschaft vermitteln. Ein religionskundlicher Unterricht, der lediglich neutral über eine oder mehrere Religionen informieren soll, ist kein Religionsunterricht im Sinne des Grundgesetzes.“

Christliches Primat

Dass diese Öffnung und Toleranz nur ein Trick ist, um die Existenz des evangelischen Religionsunterricht in Hamburg zu retten, zeigt eine Stellungnahme in der Fachzeitschift theo-web in der das Primat des Christentums betont wird: „Unbeschadet seiner inhaltlichen und intentionalen Offenheit für die Vielfalt der Religionen und Weltanschauungen sowie für die Vielzahl der religiösen Orientierungen der Schülerinnen und Schüler kommt im Hamburger RU der Begegnung und Auseinandersetzung mit der christlichen Tradition besondere Bedeutung zu. Aufgrund der besonderen Stellung der christlichen Tradition und Kirchen im gesellschaftlichen, kulturellen und religiösen Leben Europas ist ein aufgeklärtes Selbst- und Weltverständnis junger Menschen sowie die mündige Teilhabe am gesellschaftlichen und kulturellen Leben ohne eine lernende Begegnung und Auseinandersetzung mit der christlichen Tradition nicht denkbar.“

Das wird konsequent durchgehalten. Die Katholiken arbeiten zwar an einem eigenen Religionsunterricht, aber die Anfrage säkularer Verbände in Hamburg, ebenfalls etwas zu diesem Unterricht besteuern zu können und zu wollen, wurde freundlich aber entschieden abgelehnt. Die Religiösen wollen kuschelig unter sich bleiben.

Insofern ist es die Übereinstimmung des christlichen Primats, die sich in diesem ‚multireligiösen’ Religionsunterricht zeigt wie auch in der Ansiedlung der religiösen Gartenareale für die Internationale Gartenschau 2013 im Umfeld einer dominierenden christlichen Kirche. Ebenso sagte Christian Wulff genau: „Aber der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland.“ Mehr nicht.

Ob Christian Wulff seinen eklatanten Nachholbedarf als Bundespräsident noch lernen wird, nämlich der Bundespräsident aller Deutschen zu sein, d. h. die Nicht-Religiösen nicht beständig zu übersehen, und seine politische Amtsführung vielleicht auch einmal ohne Gottes Hilfe probiert, das wird sich zeigen. Sehr wahrscheinlich ist es jedoch nicht.

Ein Beginn dieses Lernprozesss für den Bundespräsidenten könnte sein, die Reden nicht mit „Gott schütze Deutschland“ zu beenden. Ein Blick ins Grundgesetz würde ihm verdeutlichen können, dass alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht (Art. 20 Abs. 2 GG) und keines Schutzes eines „himmlischen Vaters“ bedarf.

Carsten Frerk.