Von außen : Ein bisschen Statistik
Die Zahl der Privatschulen wächst seit 1992 stetig. Um genau 55 Prozent (von 4,5 auf 8 Prozent ) ist der Anteil am gesamten Schulwesen gestiegen, vor allem in den neuen Ländern, so das statistische Bundesamt.
Zu den privaten Schulen gehören auch solche mit religiöser Trägerschaft, Berufsschulen, Waldorfschulen oder Sonderschulen.
Bundesverband freier alternativer Schulen
Ein Blick jedoch auf die stetig steigende Mitgliederzahl beim Bundesverband alternativer freier Schulen (BFAS), gegründet 1988, zeigt insbesondere seit 1996 einen Trend, Schulen in freier Trägerschaft zu gründen. In den letzen 10 Jahren sind allein in Berlin sieben neue Schulen hinzugekommen, weitere befinden sich in der Gründungsphase. Nebenbei gibt es noch einige Initiativen, die sich eine Mitgliedschaft beim BFAS noch nicht leisten können.
Eine Gründung einer Schule in freier Trägerschaft erfordert viel Geduld, Kraft und Vertrauen oder einen finanzstarken Träger. Da kann ein Bundesverband durchaus hilfreich sein.
Hier gibt es Gründungsberatung, pädagogischen Rat, juristische Unterstützung, Hilfe zur Genehmigung des Konzepts. Vernetzungen zu anderen freien Schulen bieten wichtigen Austausch an, sei es um das finanzielle Konzept anders zu gestalten, verschiedene Methoden kennen zu lernen, eine Schulversammlung durchzuführen oder aus dem Erfahrungsschatz länger existierender Schulen zu schöpfen.
Auch die Lobbyarbeit darf nicht fehlen. Eine bessere Finanzierung von freien Schulen ist notwendig, um diese der breiten Öffentlichkeit leichter zugänglich machen zu können.
Gründungsprozess in Berlin
Es gibt einen Unterschied zwischen der Anerkennung und der Genehmigung einer Schule.
Bei einer Anerkennung kann die Schule Prüfungen abnehmen, ist aber zugleich strengeren staatlichen Vorgaben ausgesetzt, wie z.B. Noten zu vergeben, regelmäßige Tests durchzuführen und Lerninhalte bestimmten Altersgruppen zuzuteilen.
Oft Vorgaben, auf die Gründungsinitiativen verzichten wollen. Eine Genehmigung lässt mehr inhaltliche Freiheiten zu.
Der Preis dafür ist, dass die ersten fünf Jahre finanziell vom Staat nicht unterstützt werden. Nach dieser Bewährungszeit werden um die 90 Prozent der Personalkosten übernommen. Andere anfallende Kosten wie Sachkosten müssen von der Schule erbracht werden.
Die meisten betreiben noch einen Hort, der finanziell vom Staat unterstützt wird und nehmen die ersten fünf Jahre einen Kredit bei der Bank auf, für denen die Eltern dann bürgen. Trotz allem müssen die meisten ein einkommensabhängiges Schulgeld verlangen, das im Durchschnitt 150 – 200 Euro beträgt.
Zusätzlich bedarf es engagierte Eltern, um an Personalkosten sparen zu können. Zwei bis drei Mal im Jahr das Schulgebäude putzen, gehört dazu.
So manche Initiativen scheitern am Nerven aufreibenden Gründungsprozess.
Nicht wenige Eltern sind dennoch bereit, finanzielle Risiken oder einen Umzug auf sich zu nehmen und ihre Kraft in solch einen Gründungsprozess zu investieren. Im Großen und Ganzen erspare man sich und dem Kind ja sonst vieles, so eine Mutter, deren Kinder eine freie Schule in Berlin besuchen und deren Mann noch in Ulm wohnt.
So manch inhaltliche Unterschiede
Eine ständige Diskussion bleibt, was die Schulen jeweils unter selbst bestimmtem Lernen, Emanzipation des einzelnen, Mitbestimmung und Verantwortung für die Gemeinschaft verstehen und wie dieses im Alltag umzusetzen ist.
Es gibt kein einheitliches Konzept, nach dem sich die freien Schulen richten. Jede Schule hat sein eigene Süppchen gekocht, etwa zwei Löffel voll Freinet, eine Brise Montessori, dort ein Hauch Wild, abgeschmeckt mit Gribble und Dewey. Je nach dem, welche Zutaten eben vor Ort passen.
Eine Profildiskussion des Bundesverbands alternativer freier Schulen in Potsdam gab einen Einblick in die Bandbreite solcher Auslegungen. 90 Prozent der Schulen gaben zwar an, regelmäßig Schulversammlungen abzuhalten, doch pädagogische Alltagsentscheidungen werden mehrheitlich vom Team getroffen.50 Prozent haben eine Schulleitung mit Leitungsfunktion. Wie viel Mitbestimmung ist hier noch möglich?
50 Prozent der Schulen haben Pflichtlernzeiten. Wie ist das mit selbst bestimmtem Lernen vereinbar?
Gibt es bei den Schulen in freier Trägerschaft Gemeinsamkeiten, die sie besonders von staatlichen hervorheben? Gibt es Mindeststandards, die erfüllt werden müssen, um sich von den staatlichen zu unterscheiden? Variieren die pädagogischen Ziele vielleicht gar nicht so sehr von den staatlichen, jedoch dafür ihre praktische Umsetzung? Ist eine Abgrenzung überhaupt sinnvoll, abgesehen davon dass sie für eine Genehmigung existentiell ist?
Schafft allein schon der Wille von engagierten Pädagogen und Eltern, auf die Wünsche der Jugendliche und Kinder einzugehen, einen Lebensraum, in dem sich die Schüler wohl fühlen?
Schließlich sehen 80 Prozent ihre Schule als Lebensraum und nicht nur als eine Bildungseinrichtung.
Eine Schülerin der freien Schule Pankow bestätigte, sie sei froh, in der sechsten Klasse gewechselt zu haben. Man lege Respekt und Wert auf ihre Meinung, sie habe das Gefühl, ernst genommen zu werden. Die Schülerversammlungen können zwar noch recht laut sein und so manche Entscheidung betreffe nicht alle. Daran müssten sie noch etwas arbeiten.
Und das taten sie. Sie holten sich Rat von der freien 20 jährigen Schule Leipzig, die wiederum hatte sich Rat von dem privaten Internat Summerhill in England geholt. Es scheint, nicht nur die Schüler befinden sich in einem ständigen Lernprozess, sondern auch die Lehrer und die Schule selbst.
Theresa Siess
Fortsetzung (Besuch dreier unterschiedlicher freier Schulen) Teil 2 folgt