Humanistische Wertebildung

Eine Autorin beschreibt Bildung als soziale Praxis. Was bedeutet dies im Hinblick auf Schulfächer, in denen Kindern Werte beigebracht werden sollen?

Beispielbild
Horst Groschopp / Foto: Peter Groht
Horst Groschopp: Den Nürnberger Trichter gibt es gerade hier nicht. Man kann Kindern nicht Werte „beibringen“. Der Begriff „Werteerziehung“ ist grundsätzlich falsch und auch nicht humanistisch. Im Buch berichtet Eva Ellerkmann, was diese Einstellung für die Behandlung der Kinderrechte im Lebenskundeunterricht bedeutet.

Bedeutsam ist hier der Beitrag von Christa Preissing. Sie schreibt, dass Kinder nur Werte bilden, wenn sie geschätzt werden von den Erwachsenen, mit denen sie zusammen leben und die ihnen etwas wert sind; von den anderen Kindern, mit denen sie zusammen leben und die ihnen etwas wert sind; und von denjenigen, denen sie zugehören – von der Gesellschaft, in der sie aufwachsen.
Das vorliegende Buch gibt hier praktische Orientierung, zumal wir wissen, dass die Abhängigkeit der Wertebildung von der sozialen Praxis vom ersten Lebenstag an stattfindet.


Und die Medien, können sie Werte vermitteln?

Horst Groschopp: Jo Reichertz ist einer der bekanntesten Medienwissenschaftler in Deutschland. Wir haben ihn gefragt, wie es denn mit den „Frohen Botschaften“ im Fernsehen an die Jugend aussieht und welche Rolle dabei Werte, Religionen und das Diesseits der Medienrealität spielen. Herausgekommen ist nicht nur ein kritischer Blick auf Medienkonsum, sondern eine tiefer gehende (und darum eben auch nicht sehr einfache Antworten gebende) Analyse, wie „Sinnbildung“ geschieht. Das relativiert den „Kirchenfunk“, lässt aber Humanisten fragen, ob das, was sie meinen, überhaupt vorkommt bzw. wie das, was da läuft, „weltanschaulich“ einzuschätzen wäre. Da helfen stereotype „säkulare Forderungen“ überhaupt nicht weiter.

Der Band vereint die Beiträge verschiedener Tagungen, die zu unterschiedlichen Themen arbeiteten. Lässt sich trotzdem so etwas wie ein vorläufiges Fazit zum Verhältnis von Humanismus und junger Generation ziehen?

Horst Groschopp: Das hängt davon ab, was unter Humanismus verstanden wird. Meint dies allgemeine humanistische Prinzipien wie Weltlichkeit, Solidarität, Individualität, Toleranz, Selbstbestimmung usw., so ist mir nicht bange angesichts der Ergebnisse der Jugendstudien. Die Frage ist doch aber, wieso funktioniert das in diese Richtung ohne den dezidierten Beitrag „eigener“ Einrichtungen. Für mich wäre die Antwort nicht, diese seien dann eben nicht nötig. Wir können aber zeigen, und dazu leistet das Buch einen kleinen Beitrag, was z.B. humanistische Kitas zusätzlich bringen. Und was wir gar nicht wissen, ist, wo ist gelebter „Volkshumanismus“ selbstverständlich und wodurch zeichnet er sich aus?

Das ist nun aber ein sehr positiver Blick. Was sagt denn der ehemalige Präsident des HVD zu dem Ertrag des Buches für den Verband?

Horst Groschopp: Es gibt in dem Band einen sehr lehrreichen Artikel über Demokratie in der „Jugendfeuerwehr Hamburg“ von Helmut Richter, einem Experten für „Vereinspädagogik“, den ich meinem Verband sehr ans Herz lege. Das Problem sei, so führt der Autor aus, dass sich jede Verbandsarbeit zwischen den Extremen „Ersatz-Familie“ und „Betrieb“ abspiele.

Daraus ergäben sich zwei Gefahren für die Demokratie im Vereinsleben: Wo der Verein Ersatz sei für Familiäres, wüchsen feudalähnliche Abhängigkeitsverhältnisse. Werde der Verein zum Betrieb, führe dies zur Disziplinierung der Mitgliedschaft und der Haupt- und Ehrenamtlichen, um den Betriebszweck – die Dienstleistungen – erfüllen zu können. Demokratie, so Richter, müsse es auch geben, „wenn jemand sich freiwillig und für begrenzte Zeit aus einer Sachnotwendigkeit heraus, einer Leitung unterordnet – und wenn im Nachhinein die Möglichkeit besteht, die getroffenen Entscheidungen zu diskutieren und gegebenenfalls zu kritisieren.“

Ich denke, das ist klar genug. Und so möge es bitte auch die Leserschaft mit diesem Sammelband halten: Kritik ist herzlich willkommen.

 

Die Fragen stellte Martin Bauer.

 

Horst Groschopp (Hrsg.): Humanismus und junge Generation. Schriftenreihe der Humanistischen Akademie Berlin, Band 3. Aschaffenburg 2010. Alibri; 176 Seiten, Abbildungen, kartoniert, Euro 18.-, ISBN 978-3-86569-074-6

 

Der Titel ist auch im denkladen erhältlich.