Allahs Missionare

(hpd) Der Journalist Will Germund nimmt in seinem Buch mit auf eine Reise zu den Islamisten in der Region Afghanistan/Indien/Pakistan. Die anschaulichen und lebensnahen Schilderungen vermitteln dabei ein plastisches Bild von der besonderen Situation vor Ort, wobei aber die Bedeutung der wohl Deoband-Schulen etwas überzeichnet wird.

Über das Agieren von Islamisten im Raum Afghanistan/Indien/Pakistan findet man in den Medien immer wieder kurze Berichte. Mittlerweile liegen auch einige wissenschaftliche Aufsätze und Bücher zum Thema vor. Doch wie die Situation konkret vor Ort ist, erschließt sich dadurch nicht unbedingt. Die Berichte von Fachjournalisten können hier möglicherweise weiterhelfen. Eine solche Darstellung legt nun der Asienkenner und Kriegsreporter Willi Germund mit seinem Buch „Allahs Missionare. Ein Bericht aus der Schule des Heiligen Krieges“ vor. Darin will der Autor die Leser mit auf eine Reise durch die erwähnte Region nehmen und mit Eindrücken aus Erlebnissen und Gesprächen ein plastisches Bild von den Lebensbedingungen und Umbrüchen vermitteln. Hierbei richtet er den Blick insbesondere auf die islamische Deobandi-Denkschule, die „eine zentrale Rolle bei der Re-Islamisierung Zentralasiens“ (S. 11) gespielt habe. Auch die Taliban in Afghanistan hätten sei dem ersten Tag ihres Bestehens in deren Tradition gestanden.

Die elf Kapitel von „Allahs Missionare“ bestehen aus den erwähnten Reiseeindrücken Germunds. Das erklärt, warum Kapitel mit Schilderungen wie den folgenden Sätzen beginnen: „Es ist so heiß, dass nicht einmal die Grillen zirpen. Die Sonne brennt gnadenlos. Selbst die Hunde der kleinen verwinkelten Siedlung am Rand der Stadt Swabi verzichten darauf, fremde Besucher anzukläffen, und verziehen sich lieber in die kurzen Schatten der Häuserwände“ (S. 137). Der Autor schildert aber nicht nur die Atmosphäre in den dortigen Regionen, sondern liefert auch Stoff für das Verständnis der politischen Situation. Insofern hat man es mit kleinen Fallstudien zu Denken und Lebensumständen von islamistischen Führungspersonen wie ihrer Gefolgschaft zu tun. Dazu zählt etwa auch das Gespräch mit einem 18jährigen, der seine Bereitschaft zu Selbstmordattentaten mit folgenden Worten bekundet: „Ob ich im Kampf sterbe oder mich in die Luft sprenge, wo ist der Unterschied“ Und: „Hauptsache, ich sterbe für die Sache“ (S. 130).

Germunds Berichte über ein kleines afghanisches Dorf, die Roten Moschee in Islamabad, den Talibanfeldzug in Swat, die schleichende Fundamentalisierung Pakistans oder das Rekrutierungsprinzip der Taliban wollen aber nicht nur Schreckensbilder zeichnen. Dem Autor geht es auch darum, bestimmte Mechanismen und Sichtweisen zu verdeutlichen. So betont er etwa, dass die Islamisten Akzeptanz nicht nur durch repressives Agieren, sondern auch soziale Aktivitäten erhielten: „Schon in den Neunzigerjahren, als der staatliche Apparat Pakistans außerhalb der Städte zunehmende Auflösungserscheinungen zeigte, sprangen sie ein und spannten ein landesweites soziales Netzwerk, das die korrupten, ineffektiven Behörden ersetzte – und nicht zuletzt auf dem Umweg über Deobandi-Medressen als Rekrutierungsinstrument für die Sache diente“ (S. 86f.). In Afghanistan sei die Chance des Westens gescheitert, einen politischen Gegenentwurf zu den Islamisten zu etablieren. Es sei nicht nur Zeit, über den Abzug nachzudenken.

Das Urteil über das Buch fällt ambivalent aus: Einerseits beeindruckt es durch die lebensnahe Beschreibung von Ereignissen und Gesprächen, welche das Denken der Menschen und die Situation in der Region plastisch vor Augen führt. So lässt sich die mit distanziert-westlichem Blick nur schwer verständliche Rekrutierungspraxis der Taliban viel besser nachvollziehen. Gleichzeitig entsteht dabei ein ebenso pessimistischer wie realistischer Eindruck von der Verfahrenheit der Situation. Andererseits zeigen sich immer wieder dann Schwächen, wenn Germund über die Darstellung des unmittelbar Erlebten und Wahrgenommenen hinausgeht. So ist sein Blick etwa auch all zu sehr auf die als „Mullah-Fabrik“ (S. 55) bezeichnete „Deobandi-Denkschule“ und ihre Koranschulen fixiert. So bedeutsam sie sein mögen, so stellt deren Wirken doch nicht den alleinigen oder zentralen Faktor im Ursachengeflecht dar. Gleichwohl lohnt die Lektüre des Buches trotz der mitunter etwas schiefen Darstellungen aufgrund der Lebensnähe der anschaulichen Schilderungen.

Armin Pfahl-Traughber

 

Willi Germund, Allahs Missionare. Ein Bericht aus der Schule des Heiligen Krieges, Köln 2010 (DuMont-Verlag), 190 S., 17,95 €