KÖLN. (hpd) Unter diesem Motto stand der diesjährige JULIT :))), der "junge literaturpreis für lesben und schwule", der am vergangenen Samstag, dem 26. März 2011, im Kölner lesbischwulen Jugendzentrum "anyway" verliehen wurde.
Frank Hichert, Mitglied in der Giordano Bruno Stiftung und Psychotherapeut, hat es sich zur Aufgabe gemacht, gezielt junge Homosexuelle dazu zu animieren, sich nicht nur zu ihrer sexuellen Ausrichtung zu bekennen, sondern auch offen gegen die sie diskriminierenden Religionen Stellung zu beziehen...
Hierfür hat er 2009 eine Stiftung gegründet und investiert nun regelmäßig eine beachtliche Menge seiner Freizeit und Energie, um junge Schwule oder Lesben anzuregen, eine Geschichte zu schreiben, die "konfessionsfrei und den Grundwerten des säkularen Humanismus - Gerechtigkeit und Menschenliebe - verpflichtet" ist.
Im bis in den letzten Winkel vollbesetzten "anyway" konnten sich dieses Jahr sogar zwei Gewinner über einen ersten Platz, den Goldenen JULIT :))) freuen, da unerwartet viele Spenden ein Preisgeld von insgesamt 1.500,- € erbracht hatten.
Weiterhin handfeste Probleme
Schon gleich zu Beginn wurde dem Besucher vor Augen geführt, dass, jenseits der Glamour-Szene und der mittlerweile ja allgemein vorherrschenden Salonfähigkeit von Homosexualität in Deutschland, in der Praxis weiterhin die handfesten Probleme bestehen: Die 15-jährige Preisträgerin des Bronzenen JULIT :))) hatte plötzlich Scheu bekommen, sich öffentlich zu bekennen, da sie bislang nur in der Familie geoutet ist. Frank Hichert bemerkte dazu, dass auch er sich mit 15 Jahren noch nicht geoutet habe und dass sie das Preisgeld von 300,- € natürlich trotzdem bekomme.
Er verlas später auch die E-Mail eines muslimischen Homosexuellen, der zu gerne am Schreibwettbewerb teilgenommen hätte, es aber einfach aus Angst vor Repressionen nicht wagte.
„…sonst fällt ein Piano auf Dich!“
Als erste wurde somit die Geschichte des Preisträgers des Silbernen JULIT :))), des 22-jährigen Hamburgers Christopher Zangl, mit dem Titel „…sonst fällt ein Piano auf Dich!“ verlesen, in der er mit einer ordentlichen Dosis Humor aufwartete.
In seiner anschließenden kurzen Rede dankte er Roger Rabbit, der ihn zum Leitthema seines Werks inspiriert hatte: in der Vorgeschichte des Teil-Zeichentrickfilms wird jemand von einem Klavier erschlagen - und zwar auf vollkommen unmetaphysische Weise. Zangl konstruierte daraus aber, den Werdegang eines Jungen vom Sandkasten bis zur Pubertät beschreibend, ein satirisches Pendant zur angeblich ständig drohenden Höllenstrafe; und aus dem herkömmlichen Gott machte er "das Fräulein", das einen wegen jeder Kleinigkeit zur Strafe mit dem Piano erschlagen kann.
"Ich bin nicht hier, um so zu sein, wie andere mich gern hätten"
"Ich bin nicht hier, um so zu sein, wie andere mich gern hätten" ist der Titel einer Liebesgeschichte zwischen zwei Frauen, für die die ebenfalls 22-jährige in Köln lebende Rike Ernert mit einem der beiden Goldenen JULIT(e) :))) ausgezeichnet wurde. Darin bekamen die Zuhörer Einblick in den Alltag einer engagierten kölner Lesbe, die Schulklassen zwecks Aufklärung zur Homosexualität besucht.
Für den Zuhörer hieß das, herrliche Sätze zu hören wie: "Das mit dem Kopftuch ist auch eine sehr interessante Sache. Aus dem Koran lässt es sich jedenfalls nicht direkt ableiten, dort heißt es „Die Frau bedecke ihre Reize“. Da würde ja auch ein Bikini reichen. Und wenn sie wirklich scharf ist, hilft da kein Kopftuch!", und etwa den schönen Vergleich zwischen Linkshändigkeit und Homosexualität - beides keine Krankheit und auch kein Gen-Defekt: Linkshänder fühlen sich weder bestraft, falsch oder anderweitig schlecht, haben sich ihre Eigenart nicht ausgesucht und sind auch nicht erst im Laufe der Zeit so geworden...
„Ohne Reli küsst sich's besser“
Höhe- und Schlusspunkt des Abends bildete der stilistisch ganz andere Beitrag von Preisträger Silas Schmidt, 24 Jahre alt, aus Halle an der Saale, dem die Jury den anderen Goldenen JULIT:))) zuerkannt hatte: „Ohne Reli küsst sich's besser“.
Das Motto des Wettbewerbs hatte er auch zum Titel seiner Geschichte gewählt. Für die Preisvergabe, die sich nur auf den Text bezog unerheblich, aber atmosphärisch wunderbar verdichtend wirkend, waren die Linolschnitte, mit denen er seine Geschichte illustriert hatte. Sie wurden für die Zuschauer an eine Leinwand gebeamt.
Mit sehr kurzen Sätzen, teilweise nur Schlagworten und einer längeren Aneinanderreihung von Adjektiven gelang ihm die poetische und erotische Beschreibung eines Liebesverhältnisses zwischen zwei jungen Männern: voll Zärtlichkeit, Harmonie und Glückseligkeit. Mit einem harschen Stilbruch wurde der Zuhörer aber plötzlich, wie bei einem bösen Erwachen aufgeklärt: der Ort der Handlung war offenbar ein Land, in dem dieses Glück nicht erlaubt ist - am Ende, nach Folter und Demütigung, waren es Kräne, an denen die Erhängten baumelten, die der Zuhörer zu ertragen hatte.
Kulturrelativistische "Gutmenschen" verurteilen bekanntlich eine derartige Kritik an islamischen Ländern: schließlich dürfe man immer nur die eigene Kultur und Religion kritisieren... Dies konterte Frank Hichert mit einem Heinrich-Böll-Zitat: "Es gibt eine Pflicht zur Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Menschenrechte." Nicht Verbot, sondern Pflicht!
Einen betroffen machenden aktuellen Exzess religiös begründeter Homophobie hatte er eingangs geschildert: In Uganda debattiert das Parlament einen Gesetzesentwurf, der Homosexualität unter Todesstrafe stellen soll. David Cato, einer der bekanntesten dortigen Gay-Aktivisten wurde von einem Unbekannten, der in sein Haus eingedrungen war, mit zwei Hammerschlägen auf den Kopf ermordet. Der Abend war David Cato gewidmet.
Constanze Cremer
Homepage des JULIT :)))