Religionsfreiheit – ein frommer Wunsch?

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Fotos: Harald Stücker

ERLANGEN. (hpd/bfg) „Der Kampf um die Religions- und Weltanschauungsfreiheit“ war das Thema einer Veranstaltung, zu der der Bund für Geistesfreiheit Erlangen den Sonderberichterstatter für Religions- und Weltanschauungsfreiheit des UN-Menschenrechtsrates, Prof. Dr. Heiner Bielefeldt, eingeladen hatte.

Warum Kampf? Weil Anspruch und Wirklichkeit weit auseinanderklaffen. In vielen Staaten der Welt ist es nicht weit her mit dem positiven Recht auf Ausübung der eigenen Religion, vom negativen Recht, eine Religion auch zu verlassen und auch keine Religion zu haben, ganz zu schweigen.

Bielefeldt betonte drei Aspekte des Menschenrechts auf Religions- und Weltanschauungsfreiheit: Universalismus, Freiheit und Gleichheit. Es gelte überall und für jeden, es sei ein Freiheitsrecht, und es gelte für alle in gleicher Weise. Dabei ist zu betonen, dass das Menschenrecht auf Religions- und Weltanschauungsfreiheit in erster Linie eben dies ist: ein individuelles Menschenrecht, nicht ein Recht religiöser Organisationen oder religiös verfasster staatlicher Organe. Von diesen gehen dann auch in erster Linie die Angriffe auf die Religionsfreiheit aus. Wir sehen vielerorts Bestrebungen zu Partikularismus, Entliberalisierung und Diskriminierung.

Theoretisch, so Bielefeldt, sei es ganz einfach: Das Menschenrecht auf Religions- und Weltanschauungsfreiheit erzwinge geradezu den liberalen säkularen Rechtsstaat, dem dabei selbst aber nur eine Schiedsrichterrolle zukommt, der also nicht Partei werden darf im Streit der Weltanschauungen. In der Praxis sei es allerdings schwierig. Ja, es ist selbstverständlich schwierig für Staaten, die keine säkularen Rechtsstaaten sind. Aber noch schwieriger für die Menschen, die in solchen Staaten leben.

In der Diskussion erntete Bielefeldt Widerspruch zu seiner These, das Recht auf Mission gehöre notwendigerweise zur Religionsfreiheit dazu. Das religionskritische Erlanger Publikum hätte sicher keine Schwierigkeiten mit dem Recht auf Mission, wenn dadurch keine Machtposition ausgenutzt würde. Das ist aber natürlich meist der Fall, wie das heiß diskutierte Beispiel des Religionsunterrichts zeigt. Verzerrungen entstehen dadurch, dass sich multinationale Organisationen das individuelle Menschenrecht zu Nutze machen, um ihre professionelle Lobbyarbeit zu legitimieren. Oft ist der Inhalt solcher Lobbyarbeit gerade gegen die Menschenrechte gerichtet, insbesondere gegen das Recht auf Religions- und Weltanschauungsfreiheit.

Vortrag und Diskussion machten deutlich, dass staatlich privilegierte missionierende Religionen mit dem Menschenrecht auf Religions- und Weltanschauungsfreiheit kollidieren. Hierzulande wären etwa die sozialen und arbeitsrechtlichen Benachteiligungen Konfessionsfreier, besonders in dem kirchlich dominierten Bereich sozialer Dienste, der Religionsunterricht an staatlichen Schulen und die sattsam bekannten finanziellen Privilegien für Kirchen zu nennen. In der Einrichtung von Konkordatslehrstühlen mochte Bielefeldt allerdings keine eklatante Menschenrechtsverletzung, sondern nur eine gewisse „Ungereimtheit“ sehen, sozusagen Ärger in einem vergleichsweisen Paradies. Tatsächlich schrumpfen die Probleme, die wir hierzulande mit den Überresten des Kirchenstaats haben, in ihrer Bedeutung beträchtlich zusammen, wenn wir sie vergleichen mit der Bedrohung für Leib und Leben von Anders- und Nichtgläubigen in anderen Teilen der Welt, insbesondere in den islamischen Theokratien. Aber auch Ungereimtheiten sind aufzulösen.

Harald Stücker