US-Soldaten fordern humanistische Seelsorger

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Army Sgt. Justin Griffith Screenshot msnbc.msn.com

WASHINGTON. (hpd) Atheisten und Agnostiker in den US-amerikanischen Streitkräften fordern zunehmend energischer Seelsorger, die ihren säkularen Lebensauffassungen gerecht werden können. Mit diesem Ansinnen stoßen die nichtreligiösen Soldatinnen und Soldaten erwartungsgemäß auf harsche Ablehnung bei christlichen Geistlichen. In Deutschland wiederum gibt es sogar Widerstand aus den eigenen Reihen.

Für die rund 1,4 Millionen Militärangehörigen der Vereinigten Staaten stehen nach einem Bericht der New York Times über 3.000 Seelsorger, Chaplains genannt, zur Verfügung. Eine deutliche Mehrheit von rund 97 Prozent sind christliche Priester, außerdem gibt es eine kleine Zahl von Betreuern für Anhänger des jüdischen sowie islamischen Glaubens und sogar einen buddhistischen „Chaplain“.

Den Untersuchungen von Militärbehörden zufolge gaben allerdings rund 22,9 Prozent der Soldaten an, keiner Religion einen Vorzug zu geben. Unter anderem die Military Association of Atheists and Freethinkers (MAAF), eine soldatische Vereinigung von nichtreligiösen Menschen, tritt darum dafür ein, säkularen Lebensauffassungen entsprechende Betreuung durch humanistische „Seelsorger“ zu erhalten.

Ein Problem ist nun, dass evangelikale Gruppen einen erheblichen Einfluss in der Armee besitzen. Vor allem dieser Strömung, welche die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel als „intensiv evangelische“ Christen für ihr Engagement beglückwünschte, ist das Ansinnen der Atheisten ein Dorn im Auge. „Heute geben die Evangelikalen den Ton an“, stellen auch kirchliche Medien in Deutschland fest.

Außerdem und auch als Folge der starken Dominanz christlicher Gruppen, ist die Zahl der „bekennenden“ Atheisten und Agnostiker sehr gering. Ihre Erfahrungen werden unter anderem auf der offiziellen Seite der MAAF geschildert.

"Atheist" auf der Hundemarke

Master Sergeant Timothy Cathers, für mehr als zwei Jahrzehnte im Dienst der Air Force, berichtet dort etwa, dass er sich den Vermerk „Atheist“ auf seinem „Hundemarke“ genannten Erkennungszeichen mit einem Gang durch die Instanzen erkämpfen musste. Zuvor wurde sein Wunsch abgelehnt. Man hatte ihm erklärt, dass für Atheisten der Vermerk „keine religiöse Präferenz“ vorgesehen wäre. In Deutschland ist die Lage ähnlich.

Den Untersuchungen der US-Behörden zufolge haben nur etwa 9.400 unter den 1,4 Millionen Menschen zählenden US-Truppen atheistische oder agnostische Ansichten. Das sind 0,5 Prozent. Damit stellen sie aber immer noch eine größere Gruppe als jüdische, muslimische oder buddhistische Soldaten dar. Für die rund 70 Prozent Christen stehen derweil rund 90 Prozent aller Seelsorger zur Verfügung.

Beispielbild
militaryatheists.org/demographics.htm
Der schon in früheren Jahren immer wieder offen ausgebrochene Streit zwischen nichtreligiösen US-Soldaten und Angehörigen der christlichen Denominationen, etwa über die Teilnahmepflicht an Gebetsveranstaltungen, gleicht derweil den Streits zwischen säkularen und kirchlichen Organisationen in Deutschland. Denn während die kleine MAAF damit argumentiert, mit ihren Zielen auch die Standpunkte der „Konfessionsfreien“ zu repräsentieren, wird diese Argumentation auf Seite der Christen bezweifelt. Die Mehrheit der konfessionsfreien Soldaten sei ihrer Ansicht nach latent religiös, geht aus Stellungnahmen im Bericht der New York Times hervor.

Diskriminierung von Nicht-Gläubigen

Paul Vicalvi, Leiter einer landesweiten Organisation von evangelikalen Kaplänen, verurteilte das Ansinnen dementsprechend als das einer „militanten Minderheit“, deren Ziele sich vor allem gegen ihr Christentum richten würden. Roy Speckhardt, Direktor der US-Humanisten, erwiderte auf Vicalvis Meinung, dass diese Äußerungen eine Beleidigung aller im US-Militär Dienst leistenden Humanisten und Atheisten darstellen würden. Paul Vicalvis Verhalten, so Speckhardt weiter, sei ein glänzendes Beispiel dafür, wie nicht-theistische Menschen jeden Tag aufgrund ihrer religiös abweichenden Ansichten diskriminiert würden.

Kontroversen löste zuletzt ein für die Streitkräfte entwickeltes Begutachtungskonzept aus, das zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit von Soldaten eingesetzt wird. In Testabschnitten, in welchen die „Spiritualität“ eingeschätzt werden soll, würden die Ansichten nichtreligiöser Menschen als mangelhaft („dysfunctional“) eingestuft.