Der ifw-Lexikonbeitrag "Militärseelsorge" von Gerhard Czermak ist in Band 8 der Reihe edition pace "Die Seelen rüsten – zur Kritik der staatskirchlichen Militärseelsorge" erschienen. Der Sammelband wurde von den Theologen Rainer Schmid, Thomas Nauerth, Matthias-W. Engelke und Peter Bürger in Kooperation mit dem Ökumenischen Institut für Friedenstheologie (ÖFT) herausgegeben.
In der freundlichen Anfrage der Herausgeber an das Institut für Weltanschauungsrecht (ifw) mit der Bitte um Nachdruck des ifw-Lexikonbeitrages "Militärseelsorge" heißt es, dass beim Thema Militärseelsorge "christliche Pazifisten von konsequent laizistischer Kritik viel lernen können."
Der Herausgeber Peter Bürger schreibt im Vorwort: "Das Militärkirchenwesen ist freilich noch einmal ein besonderes Feld der Korrumpierung …" (S. 14) "In den bestehenden Militärkirchenkomplexen geht es für die privilegierten Religionsgemeinschaften finanziell um Millionenbündel im zweistelligen Bereich, während die Zahl der Militärangehörigen, die sie heute noch in diesem Feld tatsächlich 'seelsorgerlich' erreichen, einigen Untersuchungen und Berichten zufolge mehr als bescheiden ausfällt … Das korrumpierende System wird keineswegs besser, wenn das Bundesministerium für das Militärressort ab 2019 den – zwingenden – Grundsatz der Gleichberechtigung so umsetzt, dass jetzt auch wieder wie zu Kaisers Zeiten staatlich besoldete Militär-Rabbiner und ebenso Militär-Imame für die wachsende Zahl der Muslime im Heer unter Vertrag genommen werden. Viele religiöse Pazifisten wenden sich gegen eine gleichsam staatskirchlich verfasste Militärseelsorge, weil diese dem Kriegsapparat eine besondere Weihe angedeihen lässt und das Friedenszeugnis der Religionen niederhält ... Gewichtige Argumente sprechen dafür, das angesichts der gesellschaftlichen Entwicklung schon lange anachronistische System als nicht verfassungskonform zu betrachten." (S. 24)
Die Buchbeschreibung: "Im Zuge der Remilitarisierung wurde ab 1950 in Westdeutschland ein neues Militärkirchenwesen aufgebaut. Federführend beteiligt waren geistliche Assistenten des Hitlerkrieges aus beiden Konfessionen. Die Militärpfarrer sind bis heute Beamte und dem Bundesministerium für das Militärressort zugeordnet, das sie aus Steuergeldern auch besoldet. Der staatskirchliche Charakter dieses Komplexes liegt offen zutage.
Die Kirchen in der DDR blieben hingegen staatsfern und nahmen später einen entschiedenen Friedens-Standort ein, der sie allein an Jesus von Nazareth band. Ihre Seelsorge für Wehrpflichtige, Bausoldaten und Verweigerer vollzog sich unabhängig, als rein kirchliche Aufgabe. Nach der staatlichen Vereinigung wurden die Erfahrungsschätze der "DDR-Christenheit" ignoriert. Kritik an der staatskirchlichen Verflechtung, wie sie Pfarrer Axel Noack (Kirchenprovinz Sachsen) 1990 vorgetragen hat, ist aber heute dringlicher denn je: "Mit dem Militärseelsorgevertrag geht die Kirche eine Grundbindung an die Armee ein, die der Freiheit ihrer Verkündigung gefährlich werden kann ... (Es) hat die Kirche sich ohne Not in eine 'Bindung' begeben, die die Klarheit ihres Zeugnisses verdunkeln muss … Im demokratischen Rechtsstaat … besteht nicht die Nötigung zu einem Militärseelsorgevertrag."
Dieser Sammelband vermittelt Orientierung, Impulse und Vorbilder der Befreiung für die Debatte über das Militärkirchenwesen – mit Texten von: Ralf Becker, Wolfram Beyer, Peter Bürger, Gerhard Czermak, John Dear, Matthias-W. Engelke, Erasmus von Rotterdam, Hanna E. Fetköter, Albert Fuchs, Joachim Garstecki, Matthias Gürtler, Ullrich Hahn, Georg D. Heidingsfelder, Hartwig Hohnsbein, Uwe Koch, Victoria Kropp, Gerhard Loettel, Walter Mixa, Franz Nadler, Thomas Nauerth, Martin Niemöller, Leo Petersmann, Rainer Schmid, Tertullian, Reinhard J. Voß, Bernhard Willner, Bernd Winkelmann und Hans Dieter Zepf.
Rainer Schmid, Thomas Nauerth, Matthias-W. Engelke, Peter Bürger (Hrsg.), Die Seelen rüsten – zur Kritik der staatskirchlichen Militärseelsorge, edition pace, 2019, 456 Seiten, ISBN: 9783749468041, 15,99 Euro
Erstveröffentlichung: Institut für Weltanschauungsrecht
6 Kommentare
Kommentare
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
In fast allen Bereichen haben die Kirchen, auf unsere Kosten, ihre Finger drin und unsere Politik spielt das schmutzige Spiel mit.
Wie oft muss sich dieses perfide Spiel noch wiederholen, bis man endlich begreift, wie der Hase läuft.
Wer nichts aus der Geschichte lernt ist gezwungen sie zu wiederholen!
A.S. am Permanenter Link
Vergessen wir nicht die christliche Lehre:
"Durch Gehorsam bis zum Tod gelangte Jesus zur Auferstehung und zum ewigen Leben."
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Die Kirchen weltweit würde ihre Existenzgrundlage verlieren, wenn die Menschen humanistisch würden und alle in Frieden miteinander auskommen würden.
Nur so kann die Macht der Religionen erhalten bleiben.
Arno Gebauer am Permanenter Link
Moin,
mit Kriegen und anderen Gemeinheiten kennen sich die Religionsorganisationen sehr gut aus.
Seit 2000 Jahren haben sie Erfahrung sammeln können.
Ihre Götter, Päpste, Bischöfe, usw. haben als Heerführer sehr viele Menschen in den Tod getrieben und verstümmeln lassen.
Nur mit der versprochenen lebendigen Auferstehung nach dem Tod hat es nie geklappt.
Die Militärseelsorge fördert und unterstützt den kollektiven Wahnsinn und zwar auf allen Seiten der Kriegsbeteiligten. Sie unterstützt die Konfliktlösung durch Töten und Vernichten.
Helfen kann die Militärseelsorge auch nicht den Rekruten, die durch das institutionelle
und kulturelle Milieu jeder Wehrmacht in Identitätskrisen stürzen.
Etwas Gutes hat die Militärseelsorge doch.
Wer ihre Dienste in Anspruch nimmt (Feldgottesdienst, usw) braucht während dieser Zeit nicht zu schießen.
Viele Grüße
Arno Gebauer
Harald Stickl am Permanenter Link
Erst töten und dann beten.
Nachdem Oberst Klein den Angriff zur Bombardierung von Tanklastern in Afghanistan gegeben hatte, ging er in die Feldkapelle und betete. (Quelle:
evangelisch.de/inhalte/98437/12-02-2010/afghanistan-erst-toeten-und-dann-beten).
Aber hört das Töten und Getötetwerden auf, wenn es keine Kapelle mehr gibt? Auch "Die Humanisten" fordern eine "moderne und flexible Bundeswehr, die zu jedem Zeitpunkt einsatzfähig ist". Bekommen wir bald eine humanistische Militärseelsorge mit Steven Pinker als Vorbeter?
Ulrich Kainz am Permanenter Link
Ich bin an und für sich ein gläubiger Mensch, aber was mich sehr verunsichert ist das neue Buch von Victoria Rationi - "Religionsparadox" - in dem sie internationale Statistiken zur Friedlichkeit von religiö
MfG U. Kainz