Ärztliches Ethos und Suizidhilfe

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Alice Ströver, Dr. Bruno Osuch, Dr. Michael de Ridder / Fotos © Evelin Frerk

BERLIN. (hpd) Dr. Michael de Ridder und Alice Ströver stellten heute ein Positionspapier des Kuratoriums des Humanistischen Verbands zum ärztlich assistierten Suizid vor. Anlass ist die auf dem Ärztetag in Kiel bevorstehende Änderung der ärztlichen Berufsordnung.

Das neu gebildete Kuratorium des HVD-Berlin, das heute zum ersten Mal an die Öffentlichkeit ging, um sich mit dezidierten Stellungnahmen an der öffentlichen Diskussion zu beteiligen, hat diesbezüglich ein Positionspapier ausgearbeitet. Anlass dafür ist auch, so der HVD-Berlin Vorsitzende Bruno Osuch, dass das Selbstbestimmungsrecht des Menschen am Lebensende von christlich-konservativer Seite in Frage gestellt werde. Konkretisieren würde sich das u.a. in dem Kurswechsel der Bundesärztekammer.

Dr. Michael de Ridder, der wohl zu den bekanntesten Mitgliedern des Kuratoriums gehört, referierte die Ausarbeitung. Kern des Positionspapiers sei es, dass der ärztliche Auftrag, der uneingeschränkt dem Patientenwohl zu dienen hat, nicht allein darin bestehe, „Krankheit zu heilen, Leben zu erhalten oder zu verlängern. Diesem kurativen Anteil des ärztlichen Auftrags steht sein palliativer Anteil als nicht minder bedeutender und ethisch gleichrangiger zur Seite. Er tritt in den Vordergrund, wenn die Mittel zur Heilung und Lebensverlängerung – zumal in terminaler Krankheit und schwerster Versehrtheit – nicht mehr von einer medizinischen Indikation getragen und/oder vom Patientenwillen gedeckt sind und deswegen allein ein friedliches Lebensende anzustreben ist. Beide Anteile des ärztlichen Auftrags verfolgen zwar unterschiedliche Therapieziele, sie gehorchen jedoch in gleicher Weise dem Wohl des Patienten, dem ausnahmslos jedes ärztliche Entscheiden und Handeln verpflichtet ist und das letztlich vom Patienten definiert wird.“

Der Antrag zur Suizidhilfe, der dem Ärztetag vorgelegt und zur Abstimmung gestellt wird, verbietet die ärztliche Suizidhilfe. Gegenüber den noch Anfang des Jahres von dem jetzigen Vorsitzenden der Bundesärztekammer, Jörg-Dietrich Hoppe, vorgetragenen Überlegungen einer gewissen Liberalisierung, die es dem ärztlichen Gewissen frei stellen sollte, ist die jetzige Vorlage, die von dem bisherigen Stellvertreter Hoppes und Präsident der Ärztekammer Hamburg, Frank Ulrich Montgomery, voran gebracht worden sein soll, sei eine Reideologiesierung. „Es kann nicht sein“, so Michael de Ridder, „dass „ärztliche Gewissen gleichgeschaltet werden.“

Er betonte, dass etwa 30 bis 40 Prozent der Ärzte eine Liberalisierung wollen, ebenso viele Menschen in der Bevölkerung. Es gehe auch darum, dass Ärzte in Fällen eines assistierten Suizids bei freiwillensfähigen, schwerstkranken Patienten künftig sicher sein müssen, dass ihnen keine berufsrechtlichen Sanktionen (z. B. Zwangsgelder, Approbationsentzug) drohen, wenn sie ihrem Gewissen gemäß Sorgfaltskriterien eingehalten haben. Zu diesen gehören palliativmedizinische und psycho-soziale Angebote und der Verzicht auf jegliche Kommerzialisierung.

   

Alice Ströver, Kulturpolitische Sprecherin von Bündnis90/Die Grünen und Vorsitzende des Kulturausschusses im Berliner Abgeordnetenhaus, verwies darauf, dass die jetzt vorgesehen Formulierung der Bundesärztekammer, die den Ärzten eine Suizidhilfe verbieten würde, die Suizidwilligen in die Hände von dilettierenden Nicht-Ärzten wie „Sterbehelfe Deutschland e.V., in der Schweiz „Dignitas“, treiben würde.

Wertefragen seien gesellschaftlichen Frage, die viele Jahre in der Politik nicht diskutiert worden seien. Zu diesen Wertefragen gehöre auch ein selbstbestimmtes Sterben. Es sei zudem ein komplexes Thema, dessen Schwierigkeiten und mögliche Missverständnisse bereits bei der Wortwahl beginnen würden. Sie legte zudem Wert darauf, dass die Grundlage des Kuratoriums keine Positionierung zu religiösen Fragen sei.

Helmut de Ridder betrachtet die Vorlage für den Ärztetag, die ärztliche Suizidhilfe berufsständisch zu verbieten, auch als Versuch, die Debatte generell zu beenden. „Als ob die Ärzte eine Schar von Kindern sind, die bevormundet werden müssten.“

Er verwies auch darauf, dass in Absatz 1 des § 2 der Regeln der Berufsausübung festgelegt sei: „Ärztinnen und Ärzte üben ihren Beruf nach ihrem Gewissen, den Geboten der ärztlichen Ethik und der Menschlichkeit aus. Sie dürfen keine Grundsätze anerkennen und keine Vorschriften oder Anweisungen beachten, die mit ihren Aufgaben nicht vereinbar sind oder deren Befolgung sie nicht verantworten können.“

De Ridder betonte die Priorität der Palliativmedizin, er sei selber Vorsitzender einer Stiftung für Palliativmedizin, und es gehe zudem quantitativ nur um wenige Fälle nach engen Kriterien und plausiblen Gründen. Dazu gäbe es zwar keine verlässlichen Zahlen, aber es sei bekannt, dass etwa 200 bis 300 Menschen im Jahr zur Sterbehilfe in die Schweiz reisen würden.

Dazu hatte das Kuratorium des HVD formuliert: „Vor Ausstellung eines Rezepts ist der Arzt verpflichtet, den Kranken umfassend über alle verfügbaren Alternativen, wie Palliativmedizin, Hospizdienste, religiöse oder spirituelle Begleitung u.a. zu informieren.
Ärztlich assistierter Suizid sollte über das beschriebene Prozedere hinaus weder organisiert geschweige denn kommerzialisiert werden. Der Ort des Suizids sollte vom Patienten selbst ausgewählt werden.
Die Betäubungsmittelverschreibungsverordnung ist so zu modifizieren, dass die Verordnung geeigneter Mittel (z.B. Barbiturate) zu diesem Zweck möglich ist.“

Bewusst emphatisch formulierte Helmut de Ridder abschließend: „Wir müssen als Ärzte diesen Hilfe suchenden Menschen unsere Arme öffnen!“

C.F.