Lieber bisexuell als bigott

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Alle Fotos: bfg mÜnchen

MÜNCHEN. (hpd/bfg) "Lieber bisexuell als bigott" - die leuchtend rote Stofftasche mit dem schwarzen Schriftzug drauf lag gut sichtbar auf dem Info-Tisch des bfg mÜnchen, zwischen Büchern, Zeitschriften und Aufklebern. Wie sie wohl dahin gekommen war, mitten hinein in den Corso Leopold auf der Leopoldstraße in München?

Es hat sich nicht feststellen lassen, denn der Andrang beim 1. Gottlosentreffen, das in der Veranstaltungsreihe "Protest in München seit 1945 bis heute" die lange angekündigte bayerische "Out-Campaign" der Ungläubigen, Zweifler, Vor- und Nachdenker, der Agnostiker und Atheisten war, übertraf die Erwartungen von Michael Wladarsch - Initiator, Organisator der "Kunst im Karrée" und Vorstand des bfg mÜnchen - bei weitem. Auf seine Initiative hin und durch seine Organisation stand für dieses erste Treffen die "Kunst im Karree"-Meile an beiden "Streetlife"-Tagen" für die Gottlosen und ihre Freunde zur Verfügung.

Und die Besucher kamen bei überwiegend hochsommerlichen Temperaturen in Scharen zu den Karikaturen aus den Bewerbungen zum Kunstpreis "Der Freche Mario", die im über 30 langen Karrée im Großformat besichtigt werden konnten. Neben den Karikaturen gab es - neben Kuchen, Weißwürsten, "Heiliger Geist" und "Heiliger Stuhl - reichlich Informationsmaterial über die Aktivitäten des bfg mÜnchen und der gbs-Regionalgruppe München: Bücher, gottlos glückliche T-Shirts, Aufkleber, Schildkappen und anderes. Stühle und Bänke luden alle Interessierten zum Verweilen ein, zum Austausch, zur Diskussion und – wenn’s sein sollte - zum Streit. Und davon wurde deutlich mehr Gebrauch gemacht, als sich Michael Wladarsch das so hatte träumen lassen...

  

 

 

Überwiegend waren die Gespräche am Stand getragen von Zustimmung und sogar Sympathie; Kritik an den Karikaturen, am Anliegen insgesamt und der Tatsache, sich damit so exponiert in die Öffentlichkeit zu trauen, gab’s natürlich auch; christlich motivierte Beschimpfungen, deutliche Drohungen bis hin zum empörten Abriss einer Karikatur durch eine erregte Muslima konnten natürlich nicht ausbleiben. Die Kritiker ließen sich überwiegend in drei Gruppen unterteilen: die, die meinten, dass ohne Religion keine Werte und keine Moral existieren würden. Dann die, die meinten, es wäre nicht zulässig, überwiegend die christliche Religion zu kritisieren, man solle sich um den Islam noch mehr kümmern. Ja, und dann waren da noch die, die sowieso der Ansicht waren, es wäre vollkommen falsch, Kirche und Religion als ein Gesamtes zu betrachten.

Zum ersten, zum zweiten, zum dritten...

Das diesjährige "gottlose" Motto der "Kunst im Karrée" war ein echter Besuchermagnet über die beiden ganzen Tage, und das nicht nur am Sonntagvormittag um 11h00, wo dann auch bfg-Mitglied Carl-Ludwig Reichart mit Gitarre und Gesang zum eigentlichen "Gottlosentreffen" rief wie die Glocken der zahlreichen Münchner Kirchen ihre Schäfchen. Viele der Streetlife-Besucher meinten gar, dass die Meile der Gottlosen der interessanteste und belebteste Stand auf dem ganzen Münchner Streetlife sei; so interessant (und vielleicht auch so ungewöhnlich), dass über Nacht mindestes sechs der großformatigen Karikaturen geklaut wurden. Und die Gottlos-Glücklich-T-Shirts, die Schildkappen "Religionsfreie Zone" und Teile der Info-Flyer waren am Sonntag dann auch restlos verkauft und verteilt, lange bevor es Nacht wurde auf Münchens Leopoldstraße und Michael Wladarsch mit der bfg-Aktivistin Nuray Kalkan hochzufrieden aber geschafft den großen Stand in seine Einzelteile zerlegten und die Bestandteile vor den heranziehenden Regenwolken gerade noch rechtzeitig in Sicherheit bringen konnten.

Michael Wladarsch, dessen Idee überwiegend dank seines eigenen Einsatzes Gestalt mit überdurchschnittlichem Erfolg angenommen hat, zog hochzufrieden Bilanz. Seiner Meinung nach müsse - logischerweise - auf ein solches "1. Gottlosentreffen" in Bälde ein zweites Gottlosentreffen (und so weiter, und so fort) folgen. Wann genau das sein wird steht noch nicht fest, aber der Erfolg seiner Idee hat ihn regelrecht beflügelt. Fürs erste gibt es am Donnerstag, 16.06., im ältesten Münchner Programmkino Maxim im Rahmen der Reihe "Protest in München seit 1945 bis heute" den Abend "Film für Freiheit", der lauter Kurzfilme zeigt, die zum Thema Trennung Staat Kirche passen und überwiegend vom bfg mÜnchen bzw. der GBS zur Verfügung gestellt werden. Gezeigt wird der "Papstspaziergang" von Wolfram P.Kastner, der Sieger-Beitrag zum Frechen Mario 2008 "Sehr geehrter Islam" vom österreichischen Kabarettisten Leo Lukas, der Sieger-Beitrag von 2010 "Judas und Jesus" von Olaf Encke/Claudia Romero, "Oberammergau" des Passauer Fotografen Rudolf Klaffenböck und Filme zur "Buskampagne" bzw. "Frohen Prozession"...

Und am 26.06. sind alle "Zeigt-Euch"-Sympathisanten aufgerufen, sich dem "Gottlos-Glücklich"-Laufteam beim 33. Münchner Stadtlauf anzuschließen. Am 09.07. schließlich gibt’s für alle Münchner und Oberbayern ein "Zeigt Euch" beim CSD in München.

Was diese erfolgreichen Tage in München, die ja parallel zur ebenfalls sehr erfolgreichen Aktion der "Gefahr e.V." beim Kirchentag in Dresden stattfanden, zeigen, ist zum einen die positivere Wahrnehmung der Gottlosen in der Öffentlichkeit (wofür es ja viele Gründe gibt). Es zeigt zum anderen aber auch die Bedeutung der Goethe'schen Worte "damit sich ein großes Werk vollende genügt ein Kopf und tausend Hände"!

Assunta Tammelleo