Freiburg
In Freiburg hat die Erzdiözese das Thema der benötigten ehrenamtlichen Helfer anders gelöst als das arme Bistum Erfurt, das betteln gehen muss, denn das gut bestallte Erzbistum hat für alle kirchlichen Mitarbeiter bereits gegen Ende 2010 schlicht eine Urlaubssperre verhängt und „momentan erfolgt die Einteilung fürs Wochenende“.
Erzbischof Zollitsch bekräftigt seine Sichtweise, dass der Papstbesuch ein „Jahrhundertereignis“ sei, da noch niemals ein Papst jemals in Freiburg gewesen sei. In diesem Sinne wäre es dann doch ein zweifaches „tausendjähriges Ereignis“? Entsprechend mit höchster Sicherheitsstufe. Die irdische Normalität wird für zwei Tage aufgehoben, die Polizei hat eine Sonderkommission, eine 35-köpfige Besondere Aufbaukommission (BAO) namens „Mitra“ gebildet und das Baugerüst an der Südseite des Münsters wird abgebaut, damit alles so schön sauber für den Heiligen Vater aussieht.
Ein „Jahrhundertereignis“ wird vermutlich sein, dass über die grüne und friedliche Stadt Freiburg für zwei Tage ein Ausnahmezustand verhängt wird. Während des Papstaufenthaltes wird die Stadt Freiburg (inklusive der Gemeinden Gundelfinden, Heuweiler und Merzhausen) in gelbe und rote Zonen eingeteilt. In den gelben Bereichen („Anwohnerschutzzonen“) haben Auswärtige keinen Zutritt mehr, nur Anwohner, der öffentliche Nahverkehr und Fahrzeuge mit Sondergenehmigung. Es erfolgen Ausweis- und Fahrzeugkontrollen. In den roten Bereichen (Veranstaltungsorte des Papstes) ist der gesamte Verkehr, einschließlich Fahrrädern verboten, ausschließlich Fußgänger sind zugelassen. Da kommt doch Freude auf.
Da die Bettenkapazität in Freiburg (5.000 Betten) bereits durch den normalen Tourismus gut ausgebucht ist – der Spätsommer ist im Schwarzwald besonders schön – und die zusätzlich eingesetzten 3.500 Polizisten alle übrigen noch freien Betten in 60 Hotels der Umgebung belegt haben, machen sich private Träume breit, wie das Angebot einer Wohnungsvermietung in Freiburg am 24./25.9 (1 Zimmer, 24 qm, Erdgeschoss, Altbau) für 600 Euro.
Da die Geschäftsinhaber aber nicht unbedingt guter Laune sind, dass sie an einem Wochenende Umsatzeinbußen hinnehmen oder sogar ihre Geschäfte schließen müssen, wird an etwas Neues gedacht, einen Kuhhandel, dem auch bereits die Kirche zugestimmt hat: erstmalig ein verkaufsoffener Sonntag in Freiburg als Ausgleich. Es geht also doch.
3.800 Stellplätze für Autobusse wird es in der weiteren Umgebung von Freiburg geben, und 23.500 PKW-Parkplätze, deren Insassen mit 140 Shuttle-Bussen nah an das Freiburger Flugfeld gebracht werden. Es reicht auch, wenn man bis 9 Uhr dort eintrifft, der Papst kommt erst um 10. Die Sicherheitsvorkehrungen „Stufe 1“ wie überall, oder wie es charakterisiert wurde: Der Papst „wird, wenn er auf Gläubige trifft, im gesicherten Auto bleiben.“ Eine seltsame Religion.
Das 113 ha große Flughafenareal ist bereits planiert und in Straßenquadrate unterteilt. Statt, wie im armen Bistum Erfurt mit Verboten zu hantieren und Stühle zu verbieten, hat das Erzbistum bei den regionalen Sägewerken 5.000 Bänke in Auftrag gegeben: Fünf Meter lang, 35 cm Sitzfläche, 16 cm stark, mehr als vier Zentner schwer (damit kann niemand werfen), aus Schwarzwaldtannen (die harzen nicht). Geschnitten, gehobelt und aufgestellt sollen 100.000 Besucher darauf Platz nehmen können. Nach der Eucharistiefeier, bei der die Bänke auch den Wert steigernd gesegnet werden, sollen sie an die Kirchengemeinden und Katholiken verkauft werden.
Diskussionen
Die Würdigung des Kardinal Paul Josef Cordes des Papstbesuches als "epochales Ereignis" findet nicht überall Zustimmung. Und sein Lob des Papstes als „hellsichtigen Deuter der Gegenwart“ und „maßgebenden theologischen Lehrer und geistigen Hirten“ bleibt nicht unwidersprochen. So hadert ein Weimarer Pfarrer mit dem Papstbesuch, denn das Ereignis sei zu aufwändig für eine Kirche in der Diaspora. Die Widersprüche innerhalb der katholischen Kirche sind insgesamt so stark, das sich in Deutschland die Stimmen mehren, die eine Spaltung („Schisma“) in der katholischen Kirche befürchten.
Das mediale und parlamentarische Sommerloch gibt allerdings auch Provinzlern eine mediale Chance, wie dem Landesvorsitzenden der Jungen Union in Thüringen, der die Prüfung eines Verbotsverfahrens gegen die Linkspartei fordert, u.a. weil sie gegen den Papstbesuch sei. Eine ähnliche Lachnummer haben zwei Konstanzer CDU-Stadträte platziert, die den grünen Konstanzer Bundestagsabgeordneten, der das Bündnis „Freiburg ohne Papst“ unterstützt, deshalb bei dem grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann in Stuttgart anschwärzten. Doch dem ist dieses autoritäre Gehabe der Konservativen etwas fremd, er hat bisher nicht geantwortet.
Auch in den regionalen Medien hat bereits die Diskussion begonnen.
In Berlin hat der Landesvorsitzende des Humanistischen Verbandes, Dr. Bruno Osuch, erklärt: „Berlin ist frei, offen, kreativ – und weltlich.“ Kurz gesagt: „Berlin ist nicht Papst!“ Die Antworten darauf beschränken sich auf den Vorwurf der alten „Feindbildpflege“.
In Thüringen provoziert der kritische Leserbrief „Rummel um den Fummel“ die Antwort „Stammtisch-Parolen“.
Auch manche der Leserzuschriften an die Badische Zeitung in Freiburg sind nicht als Freudenbotschaften zu betrachten. So heißt es u.a. „Er sollte eine großzügige Spende für die Armen in Freiburg mitbringen“ oder auch: „Man darf gespannt sein, wie die Endabrechnung aussieht“. Und Frau Gerlinde Graf aus Freiburg schreibt kurz und knapp „Unnötig verschleuderte Gelder“: „Also ehrlich, ich habe mich auf den Papstbesuch gefreut, aber nun diese übertriebenen Vorbereitungen – entsetzlich! Das kann nicht im Sinne unseres Papstes sein, da bliebe er besser in seinem Vatikan und man würde diese ganzen, unnötig verschleuderten Gelder (zum Beispiel Erschließung Flugplatzgelände, Sicherheitskosten und so weiter) für die Ärmsten der Armen in Afrika spenden – wäre das nicht christlicher?“
Öffentlichkeit und Sicherheit
Die mittlerweile schon wie paranoid wirkenden geplanten Sicherheitsvorkehrungen verweisen auf ein Dilemma, dass auch die katholische Kirche nicht lösen kann. Nachdem im vergangenen Jahrhundert bereits Politiker, Minister und Präsidenten im Amt getötet worden sind, gibt es tatsächlich nur einen einzigen Öffentlichkeitsträger, dem das noch nicht geschehen ist, den Papst. Das Attentat (1981) auf Johannes Paul II auf dem Petersplatz in Rom hat allerdings auch für den Papst das „Bad in der Menge“ beendet. Johannes Paul II, der das Pistolenattentat überlebte, schrieb seine Rettung dem Schutz der Gottesmutter zu, was jedoch nicht verhinderte, dass das „Papamobil“ umgehend mit einem schusssicherem Glasaufbau versehen wurde. In diesem Schutz wirkt der Papst zwar eher hilflos, wie eingesperrt und zur Schau gestellt in einem fahrenden Aquarium, aber auch das ist den deutschen Sicherheitsbehörden anscheinend immer noch nicht sicher genug. In Berlin und Erfurt wird dieses Aquarium gar nicht eingesetzt und in Freiburg nur kurzfristig auf den knapp begrenzten Arealen der Kaiser-Joseph-Straße bis Münsterplatz und auf dem Flugfeld, bei denen die Wahrscheinlichkeit, dass das Fahrzeug mit Tomaten oder Eiern beworfen werden könnte, als sehr gering anzunehmen ist.
Mit anderen Worten, die Konsequenz, den Papst ständig unter einer schusssicheren Glashaube zu schützen, würde allzu lächerlich wirken und so wird die mediale Berichterstattung als Ausgleich verstärkt. Auch das Erste Fernsehprogramm wird von allen Stationen mit Live-Übertragungen und Sondersendungen berichten und da Teile des Papstprogramms in die Ereignis-Kategorie „A“ fallen, wollen ARD und ZDF gemeinsam, d.h. parallel übertragen. Gläubige sollen, so kann man hören, schon zu Gott beten, dass der Papst nicht irgendwo stolpert und vor laufenden Kameras, Millionen schauen zu, auf die Nase fällt. Gott bewahre!
C.F.