Thüringen
Die Ministerpräsidentin Thüringens, die evangelische Theologin Christine Lieberknecht (CDU), schätzt an dem katholischen Papst seine „klare dogmatische Orientierung“ und erwartet, dass der Papst hinsichtlich Finanzkrise (Griechenland) und Ökologie (Fukushima) klare Orientierungen gibt. Zur Vorbereitung des Besuches liest sie im Sommerurlaub die Schriften Ratzingers, um sich geistig-innerlich auf den Besucher einzustellen. Sie freut sich auf den Besuch. Rund 90 Prozent der Bevölkerung dürfte er ziemlich gleichgültig sein, dass der katholische Oberhirte sich fünfundzwanzig Stunden in Thüringen Station macht.
Seit dem 7. Juli ist das Bistum Erfurt auf der Suche nach mindestens 2.000 Helfern. Und weil dafür vor allem eher Jüngere in Frage kommen, gewünscht mit „mit wachen Verstand und offenem Herzen“, befleißigt sich die altehrwürdige katholische Kirche des neumodischen Denglisch und sucht „Info-Volunteers“ (für Information und Gästebetreuung), „Event-Volunteers“ (für die Mitarbeit auf dem Veranstaltungsgelände), „Verkehrs-Volunteers“ (für die Mitarbeit im Verkehrsbereich) und „Orga-Volunteers“ (Mitarbeit im Koordinierungsbüro und bei der Organisationsleitung).
Anscheinend sprechen aber nur wenige der Thüringer Katholiken Englisch, denn drei Wochen nach Veröffentlichung des Aufrufs werden Ende Juli immer noch Helfer gesucht und nach vier Wochen haben sich erst 650 gemeldet. Es mag aber vielleicht auch daran liegen, dass diejenigen, die Interesse hatten und sich den entsprechenden Anmeldebogen im Internet herunter geladen haben, der an das bischöfliche „Volunteermanagement“ zurückgeschickt werden soll, gleich über den ersten Hinweis gestolpert sind, die für eine erfolgreiche Bewerbung erfüllt sein müssen: „Bestimmte Volunteergruppen werden durch das Bundeskriminalamt sicherheitsüberprüft. Mit der Anmeldung zum Volunteerprogramm des Bistums Erfurt erkennen Sie dies als Rahmenbedingung an.“
Oder fanden es die möglichen Interessenten übertrieben, dass sie, um „jederzeit kontaktiert und den Anforderungen der Veranstaltungen gerecht werden zu können, Name, Vorname, Geburtsdatum, Geburtsort, Geburtsland, Mobilnummer, E-mail Adresse, Straße mit Hausnummer, PLZ und Wohnort angeben sollen?
An der politischen Unterstützung mangelt es dabei nicht, denn das Anmeldeformular für die „Volunteers“ liegt seit Anfang Juli auch bei den Erfurter Bürgerservicebüros, der Erfurt Tourismus GmbH und der Thüringer Tourismus GmbH aus. Ebenso im innerkirchlichen Bereich, wie z.B. im Marcel-Callo-Haus, der Kinder- und Jugendfreizeitstätte der Georgspfadfinder e.V. in Heiligenstadt.
Schulfrei und Jeder ist willkommen
Wenn alles nichts hilft, dann gibt es eben die Empfehlung einen unterrichtsfreien Tag einzulegen. Die Busunternehmer sehen sich außerstande die normalen Schulbusse und den anfallenden zusätzlichen Busverkehr gleichzeitig zu bewältigen. Zudem wurden die Kriterien abgesenkt. Nun wird versichert, dass das Bistum keinen (katholischen) Taufschein sehen wolle, was heißt, auch Konfessionslose und Atheisten dürfen mithelfen das Fest der Verheißung und der Nächstenliebe zu feiern. Vielleicht hat die Volunteers auch nicht begeistert, als es deutlicher wurde, worin ihre Hauptaufgabe bestehen wird, „das Gelände zu säubern“, also den Dreck der Pilger wegräumen, denn für die qualifizierteren Aufgaben, wie die Einweisung der Autobusse auf der auf 62 km gesperrten A 38, werden 1.000 Feuerwehrleute eingesetzt.
Die Tourismusinformation des Landes ist sehr aktiv, den Papstbesuch zu vermarkten. Neben den anscheinend bereits üblichen Karten über Pilgerwege in Thüringen, gibt es jetzt bereits ein „Begleitbuch für den Papstbesuch um Eichsfeld 2011“, 60 Seiten für fünf Euro. Und von den verschiedenen Pilgerstrecken im Angebot ist das „Ökumenisches Sternpilgern zum Papstbesuch 2011“ am 23.09.2011 wohl die größte Herausforderung: „24 km auf dem Weg der starken Frauen“. Da soll noch jemand sagen: „Den Seinen gibt’s der Herr im Schlaf.“
Gotteslohn
Für die Einsätze sollen die Volunteers folgende „Ausstattung/Leistung/Unterstützung“ erhalten: Einweisung, Versicherung, Verpflegungspaket, kostenfreie ÖPNV-Beförderung in Erfurt, einheitliche Helferkleidung, Volunteer-Ausweis und eine Volunteervereinbarung. Ansonsten, wie üblich, Gotteslohn, also nichts.
Dafür wollen andere darin etwas verdienen und für den Feldgottesdienst in Etzelsbach liegen bereits viele Anmeldungen von Gewerbetreibenden vor, die von bayerischen Devotionalienhändlern bis hin zu Gulaschkanonen reichen. Eindeutig ist, dass geistige Getränke (volkstümlich: Alkohol) im näheren Umfeld der Kapelle gewerblich nicht angeboten werden dürfen. Allerdings hat die Worbiser Brauerei Neunspringe ein spezielles Bier namens „Benedictis“ gebraut, das auch bei der letzten Männerwallfahrt zu Himmelfahrt 2011 am Klüschen Hagis bereits verkauft wurde.
Klappstühle mit Lehnen bei Papstbesuch in Erfurt verboten
Sonst wird mal wieder alles fein geregelt. Auf dem Pilgerfeld und an den Zuwegen werden rund 2.500 Toiletteneinheiten aufgestellt und ob es regnen könnte, was eine ziemlich schlammige Angelegenheit auf den Wiesen bedeuten würde, hat man sich vergewissert, dass es seit mindestens zehn Jahren, so weit hat man zurückgeforscht, in Etzelsbach am 23.September nicht geregnet habe. Es wird eine neu asphaltierte „Protokollstrecke“ geben, auf der alle Ehrengäste zur Papstvesper zur Kapelle gelangen: also der Papst selber, die begleitenden Kardinäle, Gardisten und die Politiker. Das Fußvolk der Pilger kann zu Fuß über die Wege und Äcker stapfen.
Es ist auch geregelt, wie man sich setzen darf und Klappstühle mit Lehnen sind verboten, nur Klapphocker sind erlaubt. Zudem werden die Bewohner am Domplatz und den Zufahrtsstraßen sich beständig als solche ausweisen können müssen, in einigen Häusern dürfen während der Papstmesse die Fenster nicht geöffnet werden. In Arztpraxen innerhalb der Sicherheitszone, die während de Papstbesuches geöffnet haben, sei mit Kontrollen zu rechnen. Die Pilger dürfen den Domplatz zwischen 4 und 7 Uhr morgens betreten, dann wird abgesperrt. Der Papst kommt erst um 9 Uhr. Glas, Thermoskannen, zerbrechliches Geschirr, Feuerwerkskörper und Liegen sind verboten, ebenso wie Tiere – es sei denn, ein Blindenhund begleitet seinen Besitzer.
In Etzelsbach ist alles innerhalb der Planungstermine und dort wird für die Papstvesper (die etwa eine Stunde dauert) die Infrastruktur einer Kleinstadt gebaut: 3,5 Kilometer Wege werden planiert und befestigt, Stromleitungen verlegt, Versorgungsstationen und Rettungswege eingerichtet, Videowände und Tontürme errichtet. Die kurze Papstvesper wird rund 1.000 Mitwirkende im Programm haben und damit das alles die versprochene Zukunft hat („Wo Gott ist, da ist Zukunft“), gibt es jetzt bereits Planungen für eine Wallfahrt zum ersten Jahrestag des Papstbesuches im Eichsfeld.
Wenig Interesse
Damit das bereitete Feld auch mit hinreichenden Besucherzahlen gefüllt wird, wurde ein bundesweiter Bustransfer aus ganz Deutschland eingerichtet, Hin- und Rückfahrt zwischen 30 Euro (von und nach Erfurt) bis zu 90 Euro (von und nach München).
Im benachbarten Süd-Niedersachsen schüttelt man den Kopf über einen solchen Aufwand und von den Lesern des Göttinger Tageblatts bezeichneten 71 Prozent der Teilnehmer einer nicht repräsentativen Online-Umfrage den Aufwand als „völlig überzogen für eine Stunde Gottesdienst“. Auch in der Lausitz ist das Interesse gering. Aus dem knappen Kontingent der 30.000 Karten für die Messe auf dem Domplatz gingen 700 Karten in das Bistum Görlitz für die katholischen Sorben, die aber nur 350 Karten abholten. Die kirchliche Erwartung, dass dem Papstbesuch im Eichsfeld „500 Millionen Menschen in 80 Ländern“ zusehen werden, dürfte eher darauf hindeuten, dass ein üblicher, starker Realitätsverlust dafür die Ursache ist.
Allerdings meldete der Flughafen Erfurt-Weimar auch Erfolge und eine erfreuliche Steigerung der Flugbewegungen im ersten Halbjahr um rund zehn Prozent. Ursache dafür sind u. a. deutlich mehr Flüge der Polizei für den Papstbesuch.
Achtung: Betrüger unterwegs
Aber nichts und gar nichts ist den Menschen anscheinend mehr heilig, wo Licht ist, da ist auch Schatten, und so gab das Bistum Erfurt bereits am 17. Mai 2011 eine Warnmeldung heraus: „Im Bistum Erfurt sind derzeit falsche Spendensammler unterwegs. Sie geben vor, im Namen des Bistums und des Verbands der Katholischen Gehörlosen Spenden für den bevorstehenden Papstbesuch im September zu sammeln.“