Kommentar

Papst Leo XIV. und die Rückkehr der Dämonen

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Die Vorstellung von Besessenheit lagert Verantwortung aus.

Wer befürchtet hatte, mit Papst Leo XIV. würde ein moderner Geist in den Vatikan einziehen, kann beruhigt aufatmen: Auch der neue Pontifex Maximus ist im finsteren Mittelalter verhaftet. Unlängst schickte er der Internationalen Vereinigung der Exorzisten ein Grußwort, in dem er den rund 300 versammelten Priestern für ihren "heiklen und äußerst notwendigen Dienst der Befreiung vom Bösen" dankte.

Die Internationale Vereinigung der Exorzisten (AIE) – ein vom Vatikan offiziell anerkannter Verband – versteht sich als Schutztruppe gegen den Teufel. Ihre Mitglieder reisen durch die Welt, um Besessene von Dämonen zu befreien, böse Geister auszutreiben und den Satan persönlich in die Flucht zu schlagen. In Rom werden sogar eigene Schulungen angeboten, um Priester im Umgang mit "dämonischer Präsenz" zu trainieren.

Dass der Papst diese Praxis im Jahr 2025 nicht etwa als Relikt einer längst überkommenen mittelalterlich-religiösen Vorstellungswelt bezeichnet, sondern als "heikle, aber notwendige Aufgabe" adelt, zeigt, wie tief der Vatikan noch immer in der Finsternis der Dämonologie verwurzelt ist. Während die Welt über Kriege, Klimawandel und soziale Gerechtigkeit diskutiert, kämpft man hinter den vatikanischen Mauern noch immer gegen Luzifer und seine Legionen.

Wenn Aberglaube zur Amtshandlung wird

Exorzismus – das klingt nach Horrorfilm, aber im Katholizismus ist es kirchenrechtlich geregelte Realität. 1999 überarbeitete der Vatikan sogar das "Rituale Romanum", ein Handbuch für Dämonenaustreibungen, dessen Ursprünge auf das Jahr 1614 zurückgehen. Seitdem dürfen Priester, die vom Bischof beauftragt werden, offiziell den Teufel austreiben – natürlich nur nach sorgfältiger Prüfung, ob die "Besessenheit" nicht doch auf eine psychische Erkrankung zurückgeht. Dass diese Prüfung nichts wert ist, zeigen zahlreiche Fälle, in denen Menschen bei Exorzismen misshandelt oder traumatisiert wurden. Es sei in diesem Zusammenhang an den tragischen Tod von Anneliese Michel erinnert, einer jungen Studentin, die 1976 in Klingenberg am Main an Unterernährung starb, nachdem zwei römisch-katholische Priester insgesamt 67-mal den großen Exorzismus an ihr vollzogen hatten. Die beiden Geistlichen wurden damals absurderweise nur zu Bewährungsstrafen verurteilt, weil das Gericht von einer verminderten Schuldfähigkeit ausging, da sie "unumstößlich an die personale Existenz des Teufels glaubten".

Dieser Glaube an das personifizierte Böse genießt im 21. Jahrhundert also weiterhin den päpstlichen Rückhalt. Papst Leo XIV. bestärkte die Teilnehmer des in Sacrofano bei Rom abgehaltenen Kongresses, ihren Einsatz als einen "Dienst der Befreiung und des Trostes" zu begreifen. Sie sollten die "tatsächlich vom Bösen besessenen Gläubigen mit dem Gebet und der Anrufung der wirkmächtigen Gegenwart Christi begleiten, damit ihnen Gott durch das Ritual des Exorzismus den Sieg über Satan schenkt." Eine bizarre Form christlichen Mutes: In einer Welt, in der Opfer sexuellen Missbrauchs durch die Kirchenvertreter um Anerkennung kämpfen, in der Gläubige scharenweise austreten und in der Armut und Gewalt allgegenwärtig sind, erklärt der Papst den Kampf gegen unsichtbare Dämonen zur wichtigen Aufgabe.

Die Hölle ist ein bequemes Narrativ

Der Exorzismus ist letztlich das perfekte Symbol für eine Kirche, die ihre eigenen Schatten nach außen projiziert. Statt sich den realen Abgründen der Institution – Machtmissbrauch, Doppelmoral, Frauenfeindlichkeit – zu stellen, beschwört man lieber das Böse in metaphysischer Gestalt. Der Satan wird so zur praktischen Entlastung: Schuld und Verantwortung liegen nicht bei den Menschen, sondern bei Dämonen, die sich angeblich in die Körper schleichen.

Papst Leo XIV. preist diesen Aberglauben als Akt der Liebe Gottes. Doch in Wahrheit ist es ein Rückfall in die Zeit vor der Aufklärung – ein Symptom jener geistigen Starre, die den Katholizismus seit Jahrhunderten lähmt. Der Teufel ist nicht das Problem. Der Glaube an ihn schon.

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