Es wachsen die Gräser

 

Bei den Wiener Aktivitäten hat man aus der Not eine Tugend gemacht. Im September gibt es mehrere Infostände auf belebten Plätzen in der Nähe von Bezirksämtern. „Interessierte haben es dann nur ein paar Meter dorthin und können gleich unterschreiben. Das ist weniger Aufwand und so können wir viel mehr Menschen mitnehmen“, schildert Wolfgang Böhm, der eine der Aktionen am Franz-Jonas-Platz im 21. Wiener Gemeindebezirk mitgemacht hat. Die Aktionen finden jeweils am Donnerstag statt. „Da haben die Bezirksämter länger offen.“ erklärt ein Organisator.

Die meisten Unterstützer gehören keinen Organisationen an

Auch aus Ecken, aus denen man es nicht erwarten würde, kommt Zuspruch. Nach Auskunft des Organisationsteams haben einige Tiroler einen Infostand für das Volksbegehren in Innsbruck gemacht. Nach allgemeinem Vorurteil gilt die Tiroler Landeshauptstadt als eines der Bollwerke des katholischen Christentums in Österreich schlechthin. Ungeachtet der Tatsache, dass im „Heiligen Land“ der Katholikenanteil nur mehr unwesentlich über dem Gesamtösterreichs liegt. „Die sind sogar extra nach Wien gekommen und haben sich Infomaterialen und so weiter abgeholt“, schildert eine Organisatorin. Ähnlich ist es in Graz gelaufen, wo Mike Veselka den Infostand organisiert hat. Dort wird es wegen des großen Erfolgs Mitte Oktober eine zweite Aktion geben. Auch in der oberösterreichischen Landeshauptstadt Linz ist ein Infostand geplant, unter Mitwirkung der AHA, der „Allianz für Humanismus und Atheismus“. Sonst engagieren sich mit Ausnahme der Initiatoren fast ausschließlich Menschen, die nicht in der atheistischen Szene organisiert sind. Für sie ist das Volksbegehren oft der erste Kontakt mit organisiertem laizistischem Gedankengut.

Kaum mediales Echo

Vielfach haben sie aus Newslettern oder von Bekannten erfahren, dass es das Volksbegehren gibt. Auch Facebook spielt eine wichtige Rolle, ebenso Blogs. Die klassischen Medien behandeln das Thema stiefmütterlich. Einzig die Tageszeitung „Der Standard“ berichtet mit einiger Regelmäßigkeit. Woran das liegt, ist schwer festzustellen. Manche Aktivisten vermuten eine Art katholische Verschwörung, das Volksbegehren totzuschweigen. Die Eigentumsverhältnisse österreichischer Medien tragen unabhängig von der Plausibilität der Theorien wenig bei, derartige Gedankengänge zu zerstreuen. Oder zumindest sei es eifrige Selbstzensur, wie es heißt. Mit Sicherheit wirkt sich die Tatsache, dass keine größere Organisation hinter dem Volksbegehren steckt, negativ auf die mediale Aufmerksamkeit aus. Dass es aus finanziellen Gründen keine Inserate gibt, wird Herausgeber auch nicht motivieren, das Thema aufzugreifen. Dazu kommt ein generell eher konservativer Duktus im Mainstream der österreichischen Medien. Laizität ist hierzulande noch weniger Thema als in Deutschland. Eine Mischung, die nicht gerade angetan ist, das Interesse der schreibenden Zunft zu wecken. Selbst bei Interesse für das Thema – berichten andere größere Medien nicht, ist es vermutlich keine Geschichte. Sparen wir uns den Aufwand.

Auch erstaunlich ist, wie uninformiert offenbar viele Beamte sind, die die Unterstützungserklärungen auf Gemeinde- oder in Wien Bezirksämtern beglaubigen sollen. Dem hpd liegen mehrere Fälle vor, in denen die Beamten Interessenten fälschlicherweise die Auskunft erteilt haben, die Frist für Unterstützungserklärungen sei abgelaufen. In einem bislang nicht bestätigten Fall soll der Beamte sogar die Auskunft erteilt haben, Menschen, die aus der Kirche ausgetreten seien, dürften das Volksbegehren gegen Kirchenprivilegien nicht unterschreiben.

Dennoch zeigen sich die Organisatoren optimistisch, dass sie bis Mitte Oktober die 8.000 Unterschriften zusammenbringen, mit denen sie Anlauf für die nächste Hürde nehmen können. Dann muss ihnen das Innenministerium eine so genannte Eintragungsfrist von einer Woche in allen Gemeinde- und Bezirksämtern einräumen. Das Volksbegehren muss in diesem Fall auch öffentlich ausgehängt werden. Gelingt es, innerhalb der Woche weitere 92.000 Menschen zum Unterschreiben zu bewegen, muss sich der österreichische Nationalrat mit den Anliegen befassen. Umsetzen muss er es nicht. Aber auch das wäre ein Erfolg: So weit hat es noch nie eine säkulare Initiative in Österreich geschafft.

Einen letzten Schub soll eine größere Aktion in der Wiener Innenstadt Mitte Oktober geben, für die mehrere prominente Künstler zugesagt haben. Details werden erst bekannt gegeben.

Christoph Baumgarten

 

Fotos (Graz): Mike Veselka