Iran: Allein in diesem Jahr fast 700 vollstreckte Todesurteile

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BERLIN. (hpd/ai) Amnesty International vorliegenden Informationen zufolge wurden im Iran zwischen dem 1. Januar und dem 15. Juli 2015 insgesamt 694 Menschen hingerichtet. Dies stellt einen beispiellosen Anstieg von Hinrichtungen in dem Land dar und entspricht mehr als drei Exekutionen pro Tag.

In diesem schockierenden Tempo wird der Iran die Zahl der Hinrichtungen übersteigen, die Amnesty International für das gesamte letzte Jahr dokumentiert hatte.

"Die erschütternde Anzahl von Hinrichtungen in der ersten Jahreshälfte zeichnet ein düsteres Bild einer staatlichen Maschinerie, die vorsätzliche, gerichtlich sanktionierte Tötungen in großem Maßstab ausführt", so Said Boumedouha, stellvertretender Direktor des Programms für den Nahen Osten und Nordafrika bei Amnesty International.

"Wenn die iranischen Behörden diese fürchterliche Hinrichtungsrate beibehalten, wird die Zahl der staatlich sanktionierten Tötungen am Ende dieses Jahres wahrscheinlich bei über 1.000 liegen."

Hinrichtungen während des Ramadan

Der Anstieg von Hinrichtungen zeigt, wie weit sich der Iran im Hinblick auf die Vollstreckung der Todesstrafe vom Rest der Welt entfernt hat. Insgesamt haben sich 140 Staaten per Gesetz oder Praxis gegen die Todesstrafe entschieden. Allein in diesem Jahr haben drei Staaten die Todesstrafe abgeschafft. Selbst während des Ramadan wurde die Vollstreckung von Todesurteilen im Iran nicht ausgesetzt. Dies stellt eine Abweichung der gängigen Praxis dar. Mindestens vier Menschen wurden im vergangenen Monat hingerichtet.

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Amnesty International lehnt die Todesstrafe bedingungslos und in jedem Fall ab. Todesurteile im Iran sind allerdings besonders bestürzend, da sie grundsätzlich von Gerichten verhängt werden, die weder unabhängig noch unparteiisch agieren. Todesurteile werden entweder auf der Grundlage vage formulierter oder zu weit gefasste Anklagen verhängt oder für Handlungen, die keine Straftat darstellen und auf gar keinen Fall die Todesstrafe nach sich ziehen sollten. Gerichtsverfahren im Iran sind ausgesprochen mangelhaft. Gefangenen wird während der Ermittlungen oft der Zugang zu ihrem Rechtsbeistand verwehrt und die Berufungs-, Begnadigungs- und Strafumwandlungsverfahren sind defizitär.

"Die iranischen Behörden sollten sich dafür schämen, Hunderte von Menschen unter völliger Missachtung der Mindeststandards für ein faires Verfahren hingerichtet zu haben", so Said Boumedouha.

"Die Anwendung der Todesstrafe ist immer grausam. In einem Land wie dem Iran, in dem Gerichtsverfahren in höchstem Maße unfair sind, ruft dies allerdings zusätzliche Kritik hervor."

Auf Drogendelikte folgt Todesstrafe

Die Gründe für den schockierenden Anstieg der Exekutionen in diesem Jahr sind nicht bekannt, doch ein Großteil der Hingerichteten wurde wegen Drogendelikten zum Tode verurteilt.

Das iranische Betäubungsmittelgesetz sieht zwingend die Todesstrafe für eine Reihe von Drogendelikten vor. Dazu zählt beispielsweise der Handel mit mehr als 5 kg Drogen, die aus Opium gewonnen wurden oder mit mehr als 30 g Heroin, Morphin, Kokain oder deren chemischen Derivaten. Dies stellt einen direkten Bruch des Völkerrechts dar. Das Völkerrecht beschränkt die Anwendung der Todesstrafe auf "schwerste Verbrechen", wie beispielsweise vorsätzliche Tötung. Drogendelikte zählen nicht dazu.

Zudem gibt es keinerlei Beweise, dass die Todesstrafe eine abschreckende Wirkung auf Verbrechen oder den Drogenhandel oder -konsum hat. Anfang dieses Jahres gab der Stellvertreter des iranischen Zentrums für strategisch Forschung zu, dass die Todesstrafe nicht zu einem Rückgang des Drogenhandels geführt habe.

"Iranische Behörden haben die Todesstrafe in einem falschen Bemühen den Drogenhandel zu bekämpfen, jahrelang dazu genutzt, ein Klima der Angst zu schaffen. Allerdings gibt es keinerlei Beweise, die zeigen würden, dass dies eine effektive Methode zur Verbrechensbekämpfung ist", so Said Boumedouha.


Pressemitteilung von Amnesty International.