Iran

Der Staat wird zum Henker

Die Mullahs machen ihre Drohung wahr. Irans Justiz hat zum zweiten Mal einen Demonstranten wegen Beteiligung an den landesweiten Protesten hingerichtet und droht mit weiteren Todesurteilen.

Verhaftet, angeklagt, hingerichtet. Dazu braucht es im Iran gerade einmal 26 Tage. Der 23-jährige Majidreza Rahnavard starb, weil er in Teheran eine Straße blockiert und ein Mitglied der paramilitärischen Basidsch-Miliz mit einem Messer verletzt haben soll. Am Montag wurde er in der Stadt Maschhad gehängt. Öffentlich. Ein Revolutionsgericht hatte ihn zuvor unter anderem wegen "Kriegsführung gegen Gott" und "Störung der öffentlichen Ordnung" zum Tode verurteilt.

Bereits am vergangenen Donnerstag war der Rap-Musiker Mohsen Shekari hingerichtet worden. Er soll "Schrecken verbreitet", eine Straße blockiert und ein Basidsch-Mitglied mit einer Waffe angegriffen haben. Die "Basidschis", freiwillige Milizen der iranischen Revolutionsgarden, gelten als die treuesten Anhänger des Systems, sie werden im Iran unter anderem zur Unterdrückung von Protesten eingesetzt. Ihnen eilt der zweifelhafte Ruf voraus, dass sie ihr Leben als Märtyrer opfern. Für den Staat, für die Mullahs, für Allah.

Mohsen Shekari und Majidreza Rahnavard, zwei junge Männer, die sich gegen die brutalen Herrscher auflehnten und ein Ende der Unterdrückung und somit Freiheit einforderten, mussten ihren Widerstand mit ihren Leben bezahlen. Im Iran löste die Nachricht über die Hinrichtungen landesweit Empörung und Wut aus. "Wer Wind sät, wird Sturm ernten" oder "Wir werden das Blut der Unschuldigen rächen" waren Reaktionen der Systemgegner in Sozialen Medien. Die regierungsnahe Tageszeitung Resalat schrieb hingegen: "Begnadigung ist gut, aber im Islam ist Gerechtigkeit wichtiger." Eine menschenverachtende, blutige "Gerechtigkeit".

Die Vertreter des Regimes klammern sich mit allen Mitteln an die Macht. Dass ihnen das gelingt, liegt auch darin begründet, dass sie nach wie vor auf ihre Gefolgschaft setzen können. In einer Erklärung haben 227 der 290 iranischen Parlamentarier*innen die Justizbehörden aufgefordert, "keine Nachsicht" mit den Demonstrierenden zu üben und dringend Todesurteile gegen sie zu verhängen. So soll anderen eine "Lehre" erteilt werden. Auch der Leiter der Justizbehörden, Gholam-Hossein Mohseni-Ejei, forderte rasche Gerichtsverfahren und Bestrafungen, einschließlich Hinrichtungen.

Das Mullah-Regime will Härte demonstrieren, Menschen sollen eingeschüchtert werden. Nach Angaben von Menschenrechtlern wurden in den vergangenen sieben Wochen bereits mehr als 475 Protestierende getötet. Neben kurdischen Regionen zählt auch das südöstliche Belutschistan zu den besonders blutigen Protestzentren: Laut der in Norwegen ansässigen Menschenrechtsgruppe Iran Human Rights (IHR) starben alleine dort mindestens 118 Menschen. Am 8. November gaben die iranischen Justizbehörden bekannt, dass allein im Zusammenhang mit den Protesten in der Provinz Teheran 1.024 Anklagen erhoben wurden. Einzelheiten zu den Anschuldigungen nannten sie nicht. Die iranischen Behörden fordern die Todesstrafe für Protestierende und versuchen mit Schauprozessen weitere Demonstrierende einzuschüchtern und von den Protesten abzuhalten. Laut Amnesty International sind mindestens weitere 25 Angeklagte hinter verschlossenen Türen zum Tode verurteilt worden. So wie Mohsen Shekari und Majidreza Rahnavard.

Die Tyrannei, die das eigene Volk leiden lässt, wird weitergehen, auch wenn die Außenministerinnen und Außenminister der Europäischen Union bei ihrem Treffen in Brüssel ein neues Sanktionspaket beschlossen haben, mit dem diejenigen ins Visier genommen werden sollen, die für die Hinrichtungen verantwortlich sind. Man stehe an der Seite des iranischen Volkes, so die deutsche Außenministerin. Eine hilfreiche, freilich späte Reaktion. Tatsache ist: Teheran tötet schon seit Jahren Regimekritiker. Laut Amnesty International wurden im Iran zahlreiche Menschen hingerichtet. Stand Juli dieses Jahres: 251 Exekutionen. An der Seite des iranischen Volkes zu stehen ist eine schöne Worthülse, sie übertüncht aber die Realität eines menschenverachtenden Regimes. Eines Staates, der schon lange Henker ist.

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