Stopp für Staatstrojaner: Instrumente zeigen!

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Lupe auf Monitor / Foto © Evelin Frerk

BERLIN. (hpd/hu) Nachdem die Innenminister mehrerer Bundesländer zugegeben haben, dass bei ihnen die umstrittenen Staatstrojaner zur Überwachung Verdächtiger eingesetzt wurden, fordert die Humanistische Union die sofortige Einstellung aller Trojanereinsätze und ein völlig neues System der öffentlichen Kontrolle von Überwachungssoft- und -hardware.

Die Bürgerrechtsorganisation kommt nach einer Auswertung der vom Chaos Computer Club vorgelegten Informationen zu dem Schluss: Ein verfassungskonformer Einsatz dieser Programme, die in das Grundrecht auf Integrität und Vertraulichkeit von IT-Systemen eingreifen, ist mit dieser Technik unmöglich. Ihre Anwendung ist daher umgehend zu stoppen. Die Bundesvorsitzende der Humanistischen Union, Prof. Dr. Rosemarie Will, warnt die Sicherheitsbehörden: „Spätestens nach den jetzt bekannt gewordenen Details müssen Sie sich darüber im Klaren sein: Sie machen sich nach den §§ 202a bis 202c des Strafgesetzbuches strafbar, wenn Sie derartige Programme weiterhin anwenden!“

Die Humanistische Union fordert die Innenministerien auf:

  • Sofortiger Stopp der Telekommunikationsüberwachungen per Trojaner. ("Quellen-TKÜ") zur Strafverfolgung oder Gefahrenabwehr. Weder die Befugnis für "normale" Telekommunikationsüberwachung in § 100a und § 100b der Strafprozessordnung noch gefahrenabwehrrechtliche Ermächtigungen der Polizei-, Zoll- und Geheimdienstgesetze zur TKÜ reichen als Rechtsgrundlagen aus. Auch die Regelungen zur Quellen-TKÜ im BKA-Gesetz und den Landespolizeigesetzen von Thüringen, Rheinland-Pfalz und Hessen verhindern einen verfassungswidrigen Einsatz nicht. Derzeit sind sämtliche Anordnungen und ihre Umsetzungen einer Quellen-TKÜ nach Ansicht der Humanistischen Union rechtswidrig und strafbar.
  • Sicherheitsbehörden dürfen nur noch solche Geräte und Programme zur Überwachung einsetzen, deren Hardware und Quelltext frei zugänglich ist. Nur so können Sicherheitsanalysen von unabhängiger Seite durchgeführt werden. „Security by obscurity“, also trügerische Sicherheit durch staatliche Heimlichtuerei oder gar Berufung auf "Geschäftsgeheimnisse" unkontrollierbarer privaer EDV-Dienstleister darf es in einem Rechtsstaat nicht geben. Für blindes Vertrauen in die Redlichkeit der Ermittlungsbehörden oder ihre Zulieferer besteht keinerlei Anlass mehr.

Bereits vor zwei Tagen hat die Humanistische Union alle Bürgerinnen und Bürger (insbesondere in Bayern) dazu aufgerufen, ihre Rechner auf einen möglichen Befall durch den Online-Trojaner zu prüfen. Sie bat Betroffene, sich vertrauensvoll an die Bürgerrechtsorganisation zu wenden. Rosemarie Will: „Um diesem Treiben ein Ende zu setzen, sind wir dringend auf Betroffene angewiesen, auf deren Rechnern der Trojaner ohne ihr Wissen installiert wurde. Wir sind bereit, mit Ihnen gemeinsam den Rechtsweg zu bestreiten.“

Martina Kant