ZuhörerInnen im Publikum / Foto: SPD Pfalz Daraufhin sah Oliver Lösch die Zeit gekommen, das Wort an das Auditorium zu übergeben.
Ein Angehöriger der Freireligiösen Landesgemeinde Pfalz war davon überzeugt, die Kirchen nützten ihre sozialen kirchlichen Einrichtungen als missionarische Werbeplattform. Diese Tendenz werde auch dadurch bestätigt, dass die katholische Kirche im Heinrich Pesch Haus nicht nur Tagesmütter, sondern auch Journalisten ausbilde, um die gezielte mediale Lobbyarbeit zu verstärken, und das, obwohl das Haus zu 92 Prozent mit Fremdmitteln unterstützt würde. Für eine vom Staat unabhängige Kirchenfinanzierung gebe es in anderen Ländern gute Beispiele: Frankreich, Belgien, Niederlande.
Picker und P. Spermann wiesen die Behauptung, die konfessionellen Kindergärten seien nur eine Werbeplattform, entschieden zurück.
Dagegen gab Frerk zu bedenken, die Kirchen agierten in sozialen Stätten immer im Doppelpack aus sozialem und missionarischem Engagement, immer sei das Glaubensangebot mit dabei. Er trat auch leidenschaftlich dafür ein, die sogenannte Caritaslegende zu entschleiern. Demnach erweckten die Kirchen den Eindruck, sie würden alle sozialen Dienste selber finanzieren. Tatsächlich sei jedoch die finanzielle Eigenleistung der Kirchen in Diakonie und Caritas nur 1,8 Prozent. Die restlichen ca. 98 Prozent würden durch Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Eigenbeiträge der Versicherten und staatliche Bauträgerschaften aufgebracht. Zusammenfassend klärte er die Zuhörer über die vier Finanzkreise in der Kirchenfinanzierung auf: 1. Kirchensteuern, 2.Caritas und Diakonie, 3. Bildung und Kindertageseinrichtungen, 4. Einnahmen aus anderen Geschäftstätigkeiten.
Weitere, zum Teil sehr emotional vorgebrachte Diskussionsbeiträge aus dem Publikum waren: Wir sollten einmal hinterfragen, woher eigentlich die den Kirchen zu ersetzenden Vermögen gekommen seien. Es seien ja meist nur Reichslehen, also Überbleibsel aus der Feudalherrschaft, gewesen und auch eingezogenes Vermögen nach Hexenprozessen und Inquisitionshinrichtungen.
Einige Diskussionsredner forderten nachdrücklich, Religion habe weder in der Politik noch in Erziehungsstätten etwas zu suchen. In der Stadt Karlsruhe lebten inzwischen 40 Prozent religionsfreie Menschen. Ein interessanter Vorschlag einer Dame, wie die Kirchensteuer künftig gestaltet werden sollte, war folgender: Eine allgemeine Sozialsteuer, wobei jeder Steuerzahler selbst bestimmen könnte, an welche Gruppe er die Steuer geben will.
Dazu noch Stellungnahmen der Podiumsgäste: P. Spermann hielt es für wichtig, dass sich Christen im politischen Diskurs engagieren könnten und ihre Argumente einbringen dürften. Daleiden fügte hinzu, es sollte eine größere Pluralität in gemeinnützigen Einrichtungen geben. Viele Arbeitnehmer blieben nur deshalb noch in der Religionsgemeinschaft, um ihren Arbeitsplatz in kirchlichen Häusern nicht zu gefährden.
Die Gesprächsrunde endete mit den Schlussstatements der Gäste.
Frerk stellte fest, der Papstbesuch habe die Diskussion über die Neuausrichtung der Beziehungen zwischen Kirche und Staat wieder richtig in Gang gebracht. Auch das kirchliche Arbeitsrecht käme in Bewegung. Die Art der gegenwärtigen Kirchenargumentation bringe den Säkularismus gut voran.
P. Spermann prognostizierte, die Kirche müsste sich im gesellschaftlichen Wandel verändern. Die Religiosität würde lebendig bleiben und weiter auf der politischen Bühne agieren.
Daleiden betonte, die laizistischen Gesprächskreise brächten Bewegung in die Thematik. Menschen aller weltanschaulichen Richtungen seien dort willkommen. Aber wegen der großen Komplexität und der emotionalen Aufladung bräuchten die Erörterungen Jahre, bis sie sichtbare Resultate brächten.
Picker fasste zusammen, die Staatsleistungen an religiös-soziale Einrichtungen seien auch pädagogisch sinnvoll und in der Höhe angemessen. Wir müssten generell einen gesellschaftlichen Konsens schaffen.
Gebhard Stadler