„Jazz gegen rechts“

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Auf der Bühne / Fotos: smashing snapshots / Lena Semmelroggen

MÜNCHEN. (hpd) Reden ist Silber, Handeln ist Gold - "Jazz gegen rechts". Eine Jazzkneipe bringt eine Stadt in Bewegung, setzt damit ein klares Zeichen, und es wird Geld für die Hinterbliebenen des rechten Terrors gesammelt.

Mitten in der beschaulichen Hauptstadt aller Bayern, zwischen dem Viktualienmarkt und dem Gärtnerplatz, gibt es seit vierzehn Jahren die „Jazzbar Vogler“. Ein wenig abgelegen von den großen Touristenströmen, aber gut sichtbar, insbesondere aus der regelmäßig vorbei ratternden gemütlichen Münchner Straßenbahn. Dort, in der Jazzbar, ist seit vierzehn Jahren ein eher zierlicher Mann mittleren Alters nicht nur Chef, sondern auch Wirt, Werbefachmann, Barmann, Musikerfreund und die Seele von allem. Vor vierzehn Jahren eher durch seinen Freiheitsdrang denn durch seinen fundierten Musikgeschmack oder gar gastronomische Kenntnisse zu dieser mittelgroßen schummrigen Bar gekommen, an deren lebenserhaltendem Betrieb die zehn Jahre vor ihm schon sechs Wirte kläglich gescheitert sind.

Der Vogler selber ist eine Institution in München, ein oberbayerisches Original ohne jegliche Dialektfärbung in der Sprache. Ein unverzichtbares solches ist er nicht nur für die Freunde der guten Jazz-Musik, sondern insbesondere auch für alle Freigeister, von denen es gerade in Bayern mehr gibt, als man andernorts zu meinen geneigt ist. Sein nachdrückliches Engagement gilt gar nicht nur dem professionellen Betrieb seiner Bar, die ein Jazz-Geheimtipp in München und Umgebung ist und inzwischen weltweit in zahlreichen angesehenen Fremdenführern über München einen festen Platz gefunden hat. Darüber hinaus kümmert sich Vogler auch um alles, was außerhalb von Jazz, Barhockern und Zapfhahn passiert. Legendär sind seine Schriftsätze und sein persönlicher Einsatz gegen die Zahlungsforderungen der GEMA gerade gegenüber kleinen Bühnen, die angedrohte Abschiebung seines langjährigen Koches und gegen die Bußgeldbescheide gemäß dem Bayerischen Feiertagsgesetz wegen Nichtbeachtung der besonderen Regelungen zum Musikverbot an Karfreitag.

Die Farbe der Herzen ist immer gleich*

Das Jahr 2012 begrüßte Thomas Vogler wiederum auf besondere Weise. Für Montag, den 2. Januar, rief er über seinen Newsletter und über die Münchner Presse zu einer Benefiz-Veranstaltung der besonderen Art in seine Jazz-Bar auf. „Jazz gegen rechts“ lautete der Titel für die Abendveranstaltung, bei der sich namhafte Jazz-Musiker zu einer sog. „Jam-Session“ (also offenen Bühne) angekündigt hatten, deren Besuch ausnahmsweise 10,- Euro Eintritt kosten sollte, und deren Abenderlös voll und direkt an die Hinterbliebenen der von den Rechtsextremisten um die NSU erschossenen Münchner Habil Kilic und Theodoros Boulgarides als Zeichen der Verbundenheit und der Trauer übergeben werden wird. Schließlich sollte mit dieser Veranstaltung auch daran erinnert werden, dass „die Farbe der Herzen immer gleich ist (*Freddie Lee Strong), dass wir alle besser in einer vielfältigen Welt leben und Menschen aus anderen Ländern als Bereicherung empfinden.

Unglaublich viele waren an diesem Montagabend dem Aufruf Voglers gefolgt und drängelten sich am Eingang. Die Bar war eine gute Stunde vor Beginn rappelvoll, für Gäste, Bedienungen und Musiker kaum noch Platz zum Durchkommen. Bevor allerdings in die Tasten und die Saiten gegriffen wurde, kam der Wirt persönlich auf die Bühne und erklärte mit wenigen und gar nicht pathetischen Worten, dass er mit dieser Veranstaltung Zeichen setzen wolle. Für eine vielfältige, offene demokratische Gesellschaft, für Zweifel an der Arbeit der staatlichen Organe bei der Aufklärung gerade dieser Morde und für echte Anteilnahme an ihrem Schicksal gegenüber den hinterbliebenen Familien. Nach der eindrucksvollen Schweigeminute stellte er einen großen Pokal auf die Bühne mit der Bitte, bei Gefallen auch hier noch Geld einzuwerfen, da er sich vorgenommen habe, mindestens 1.000 Euro pro Familie übergeben zu können.

Die Musiker allen Alters, Geschlechts und aller Instrumente unter der Leitung des Saxophonisten Tom Reimbrecht unterstrichen das Anliegen ihres Gastgebers auf eindrucksvolle Weise. Vielleicht ist ja auch keine andere Musik so sehr wie der Jazz die „prototypische Musik der Freiheit“, „das kosmopolitsche Kulturgut“ und „die musikalische Weltsprache“ schlechthin (SZ; Oliver Hochkeppel). Aufgrund der hochrangigen Musiker, der angenehmen Atmosphäre und des so berechtigten Anliegens gelang es Vogler, 3.200 Euro an diesem einen Abend zu sammeln, die er zur Übergabe an die betroffenen Familien bereits weiter gegeben hat.

Es gibt nichts Gutes außer man tut es**

Ob sich dieser Vogler selber als Humanist bezeichnen würde, konnte an dem Abend ob des Andrangs nicht geklärt werden. Aber die Frage hat sich zumindest den Anwesenden auch gar nicht gestellt. Vom bfg mÜnchen sind die Aktiven Nuray Kalkan, Wolf Steinberger und Assunta Tammelleo – selber ja überwiegend mit Migrationshintergrund - dem Vogler’schen Aufruf gefolgt, haben die Veranstaltung weitläufig beworben und so aus ihren Freundeskreisen noch weitere Gäste in die Jazzbar gebracht. Die Überlegungen, wie die säkularen Geister im Süden es schaffen können, mehr Beachtung in der Presse und damit bei den Bürgern zu erlangen, nahmen kein Ende. Das wäre doch mal ein Zeichen, wenn ein säkularer humanistischer, gottloser Freigeist (oder mehrere) eine ähnliche Aktion „gegen rechts“ auf die Beine stellen würde(n)! Viel können wir reden, schreiben und philosophieren über alles, was „man“ tun sollte, könnte und müsste. Aber letztlich gilt immer nur eines:

Es gibt nichts Gutes außer man tut es (**Erich Kästner), und Humanismus ist, wenn man …. was macht!

Assunta Tammelleo und Nuray Kalkan