„Mehr eine Frage der Macht als der Argumente“

hpd: Sie vertreten in Ihrer Arbeit ein eher politisches statt aufklärerischeres Reformkonzept. Gesetzesänderungen seien effektiver als Informationen, heißt es. Wie, glauben Sie, kann sich der Gedanke von Tierrechten dabei gegenüber den Allianzen aus Kreisen libertärer und konservativer Haltungen wirklich durchsetzen?

Balluch: Ich meine die rationale Diskussion über Fortschritte im Tierschutzrecht ist eine Einbahnstraße. Was mit Tieren momentan geschieht ist so offensichtlich falsch und nicht mehrheitsfähig, dass, wenn überhaupt eine ernsthafte Diskussion zugelassen wird,  der gesetzliche Fortschritt kommt. Es ist also mehr eine Frage der Macht als der Argumente. Die Mehrheit der Menschen ist zumindest in Sachen Massentierhaltung bereits aufgeklärt, was wir jetzt erreichen müssen, ist, dass diese Mehrheit auch die Gesetze bestimmt.

hpd: In welchem Verhältnis stehen Ihrer Meinung nach eigentlich die größeren Religionen und die Idee der Tierrechte?

Balluch: Es scheint mir in jeder Religion einerseits Denkansätze und andererseits auch aktive Subgruppen zu geben, die Tierrechten positiv gegenüberstehen. Katholizismus ist ja nicht für seine Tierliebe bekannt, dennoch gibt es katholisch-theologische Dissertationen zu Tierrechten, vegetarische Priester und katholisch-theologische Universitätsprofessoren, sowie katholische Tierschutzgruppen. Leider gibt es aber auch schwarze Schafe wie den Pfarrer des Stefansdoms in Wien, Toni Faber, der sogar auf die Jagd geht und in Zeitschriften für den freien Zugang zu Waffen publiziert.

hpd: Die „FAZ“ veröffentlichte vor kurzem einen Verriss der jüngsten Vegetarier-Messe in Wiesbaden. Was steckt aus Ihrer Sicht hinter solchen Veröffentlichungen? Ist das nur einfach Dummheit, konservativer Opportunismus oder gar eine redliche Kritik. Wie sollten kritische Beobachter damit umgehen?

Balluch: Ich halte derartige Stellungnahmen für eine totale Überheblichkeit. Mangels guter Argumente macht man sich über die Tierschutzposition lustig, man versucht sie als sektiererisch, unpolitisch oder eben kleinkariert moralinsauer zu diffamieren. Das beste Gegenmittel ist hier, die rationale Diskussion über Tierschutz, Tierrechte und das Mensch-Tier-Verhältnis anzuheizen.

hpd: Tiere und ihr mögliches subjektives Erleben werden auch immer wieder in populären Kino-Filmen thematisiert. Was halten Sie von solchen Produktionen?

Balluch: Grundsätzlich gewinnt der Tierschutzgedanke, wenn man die Welt aus den Augen betroffener Tiere zu sehen beginnt – solange das in ernstzunehmend seriöser und nicht anthropomorpher Weise geschieht. Filme, in denen die „menschlichen“ Aspekte von Tieren überhöht werden, sind nur Wasser auf den Mühlen der überheblichen TierschutzkritikerInnen, die eine Kluft zwischen Mensch und Tier betonen wollen. Das zentrale Argument für Tierschutz und Tierrechte ist, dass es eine subjektive Sicht auf die Welt aus den Augen der Tiere gibt. Rational gibt es keinen Grund, diese Sicht minderzubewerten. Sie zu respektieren bedeutet Tierschutz ernst zu nehmen.

hpd: Glauben Sie eigentlich, das Great Ape Project ist noch zu unseren Lebzeiten zu verwirklichen?

Balluch: Vermutlich nicht. Aber ich habe vor 20 Jahren geglaubt, dass es zu meinen Lebzeiten kein Legebatterieverbot geben wird und jetzt haben wir eines. Als wir unseren Prozess für Personenrechte für den Schimpansen Mathias „Hiasl“ Pan publik machten, gab es in den USA eine repräsentative Umfrage: 30 Prozent waren für Grundrechte für Menschenaffen. Wir müssen also nur mehr 20 Prozent der Menschen überzeugen!

hpd: Wie denn?

Balluch: Ich denke da stehen sich althergebrachte Denkmuster, die eine große Diskontinuität zwischen Mensch und Tier sehen, und die Wissenschaft mit ihren immer wieder verblüffenden Erkenntnissen über die Ähnlichkeiten von insbesondere Menschenaffen zu Menschen gegenüber. Grundrechte für Menschenaffen werden sich durchsetzen, wenn sich rationale Erkenntnisse dieser Art gegen unsere Sozialisierung von Menschen als Krone der Schöpfung durchsetzen werden. Je mehr rationale gesellschaftliche Diskussionen über diese Themen stattfinden, desto eher wird es Grundrechte für Menschenaffen geben.

hpd: Wenn Sie schließlich jemandem einen Preis verleihen könnten, wer wäre das und warum?

Balluch: Mumia Abu-Jamal, er sitzt seit, glaube ich, 30 Jahren in einer Todeszelle in den USA und wartet auf seine Hinrichtung. Abu-Jamal ist ein Aktivist für Bürgerrechte in den USA, ein mutiger Journalist und Kämpfer für die Gleichberechtigung der Afro-AmerikanerInnen. Ihm ist großes Unrecht widerfahren und dennoch schreibt er weiterhin gefasst und vernünftig für seine Anliegen. Er ist für mich das beste Beispiel eines advokatorischen Humanismus von unten: tiefer als die Todeszelle kann man nicht mehr sinken!

hpd: Hätten Sie zum Schluss noch einen Film- und Buchtipp für unsere Leserinnen und Leser?

Balluch: Zum Tierschutzprozess ist ein Buch eines der Angeklagten in diesem März neu erschienen: Die Kunst Widerstand zu leisten von Chris Moser im Kyrene-Verlag. Der Film zum Tierschutzprozess heißt Der Prozess und wurde von Igor Hautzenberger gestaltet.

Die Fragen stellte Arik Platzek

 

Martin Balluch hat eine Trilogie von Büchern über das Engagement für Tierrechte veröffentlicht, die Argumente und Vorgehensweisen für den Einsatz für Tierrechte erklären.
1. Zur Begründung der Tierethik: Kontinuität des Bewusstseins, Guthmann-Peterson Verlag
2. Zu den Regeln des politischen Aktivismus: Widerstand in der Demokratie, Promedia
3. Was einem im politischen Aktivismus passieren kann: Tierschützer. Staatsfeind, Promedia