Tag des Friedhofs - Humanisten in Oldenburg

OLDENBURG. (hpd) Der Humanistische Verband Niedersachsen feierte seine zentrale Veranstaltung zum "Tag des Friedhofes" in diesem Jahr

am 21. September im "Haus des Abschieds" in Oldenburg. Der Landessprecher des Humanistischen Verbandes Niedersachsen, Jürgen Gerdes, referierte unter der Überschrift "Das hat er nicht verdient" über die Merkmale einer humanistischen Bestattungskultur.

 

Mit Hans-Richard Schwartz (FDP) und Rainer Zietlow (SPD) waren zwei Fraktionsvorsitzende des Rates der Stadt Oldenburg der Einladung des Oldenburger Ortsverbandes gefolgt. Herr Zietlow überbrachte zudem die Grußworte seiner Fraktion.

Für den feierlichen Rahmen sorgte neben der geschmückten Feierhalle im "Haus des Abschieds" der Trauerhilfe Aug. Stolle & Sohn die musikalische Untermalung durch das "Trio Bartholdy".

Sozialdemokraten freuen sich auf Diskurs mit Humanisten der Region

Der Fraktionsvorsitzende der SPD im Rat der Stadt Oldenburg, Herr Rainer Zietlow, verwies in seinem Grußwort auf die zahlreichen historischen und traditionellen Gemeinsamkeiten von freidenkerisch-humanistischer Tradition und Sozialdemokratie: So bildeten Sozialdemokraten eine treibende Kraft bei der Einführung weltlicher Bestattungen in Deutschland. Schon im Februar 1905 hatten in Berlin zwölf Sozialdemokraten den Sparverein für Freidenker zur Ausführung der Feuerbestattung ins Leben gerufen, dessen Hauptzweck die Propagierung der Einäscherung war. Der Beitritt zum Verein setzte den vollzogenen Kirchenaustritt voraus. Vorsitzender des aus diesen Bewegungen entstandenen Deutschen Freidenkerverbandes war der Sozialdemokrat Max Sievers. Als Freidenker und Gegner des Regimes wurde er von den Nazis 1943 in Frankreich gefasst und 1944 hingerichtet.

Viele Sozialdemokraten teilten seitdem die Humanistischen Grundsätze der Trennung von Staat und Religion, der Einführung weltlicher Schulen und nicht zuletzt der Ermöglichung weltlicher Trauerfeiern.

Zietlow begrüßte ausdrücklich die Absicht des Humanistischen Verbandes, sich stärker am kulturellen Leben der Stadt zu beteiligen. Die Sozialdemokraten freuten sich auf einen Diskurs mit den Humanisten in der Region und auf ein wachsendes Engagement des Verbandes: "Wann gibt es in Oldenburg eine Humanistische Grundschule?"

Da heute knapp die Hälfte aller Deutschen alternative Bestattungsformen suchten, sei es "gut zu wissen, dass der Humanistische Verband mit seinen Trauersprechern hier in der Region ein wichtiger alternativer Anbieter zur konventionellen Bestattung ist."

Festvortrag: "Das hat er nicht verdient"

So lautete der Titel des Referats von Jürgen Gerdes, der als Landessprecher des Humanistischen Verbandes Niedersachsen selbst Trauerfeiern durchführt.

"Das hat er nicht verdient" - das seien die Worte, die der Referent auf der Kaffeetafel nach einer traditionellen Trauerfeier gehört habe, bei der selbst er zu Gast gewesen sei. Die Worte hätten sich jedoch nicht, wie man zunächst vermuten könnte, auf die tragischen Todesumstände des Verstorbenen bezogen. Vielmehr habe ein Hinterbliebener ausgesprochen, was er in dieser Trauerandacht spürte. Der geistliche Redner habe zuvor nicht den Verstorbenen und sein Leben in den Mittelpunkt gestellt, sondern allgemeine philosophisch-theologische Betrachtungen. Als Zuhörer habe man den Toten schließlich ganz aus den Augen verloren.

Vor diesem Hintergrund hatte der Referent acht Merkmale humanistischer Bestattungskultur zusammengetragen. Es seien dies die Leitlinien der Sprecher des Humanistischen Verbandes, damit nach einer humanistischen Trauerfeier niemand sagen müsse "Das hat er nicht verdient!"

1) Individualität
Im Mittelpunkt der Trauerfeier stehe der Verstorbene. Sein Leben müsse als einmaliges, unwiederholbares und einzigartiges Leben vor Augen geführt werden.

2) Wiedererkennbarkeit eines Rituals und genügend Zeit
Der Ablauf der Feierstunde sollte sich für die Anwesenden im Rahmen des Erwartbaren bewegen, gerade weil auf bekannte religiöse Rituale und Elemente verzichtet werde.

3) Feierstunde aus einem Guss oder "Musik weckt die Gefühle!"

Die Auswahl der Musik solle beim Hausbesuch des Sprechers b
ei den Hinterbliebenen ausgewählt werden. Sie sei als Teil der "Dramaturgie" der Trauerrede kein technisches Detail, das es beim ersten Gespräch mit dem Bestatter abzuhaken gelte.

4) Alle Besucher müssen angesprochen werden
Die Feierstunde müsse zwar die weltanschauliche Lebensauffassung des Verstorbenen wiedergeben. Menschen mit unterschiedlichen Weltanschauungen oder Religionen dürften jedoch nicht an den Rand gedrängt werden, wie es in traditionellen Feiern durch gemeinsames Singen oder Beten geschähe.

5) Der Hausbesuch wird ein zentraler Bestandteil des Abschiednehmens
Der Besuch des Trauerredners bei den Hinterbliebenen sei mehr als das Durchgehen einer Checkliste. Durch das Sprechen über das Leben des Verstorbenen werde aus dem Vorgespräch eines Redners ein helfendes Gespräch mit einem humanistischen Berater.

6) Die Trauerfeier der Humanisten wird zur "Leitkultur"
Konsequente Abwesenheit religiöser Bezüge schaffe eine Neutralität, die den Menschen in den Mittelpunkt rückt. So werde die von den Humanisten angebotene weltliche Trauerfeier immer öfter auch von christlichen Familien gewünscht.

7) Humanistische Bestattungskultur braucht aufgeschlossene Bestatter!
Es brauche mehr Phantasie und Aufgeschlossenheit, abseits der üblichen konfessionellen Formen individuelle Wünsche zu respektieren und zu fördern.

8) Humanistische Bestattungskultur braucht aufgeschlossene Menschen im gesamten Bestattungsgewerbe!
Dasselbe gelte auch für andere Gewerbe, wie z.B. Floristen, Steinmetze, Betereiber von Friedhöfen und Krematorien. Nicht zuletzt der Gesetzgeber müsse diesem Trend nach individueller Gestaltung Rechnung tragen.

Sprecher sind sich ihrer Verantwortung bewusst

Die Sprecherinnen und Sprecher des Humanistischen Verbandes seien sich, so Gerdes, sehr bewusst, dass handwerklich schlechte Arbeit auf alle Beteiligten zurückfalle. Es sei eine verantwortungsvolle Aufgabe, diese Stunde des Abschieds angemessen zu gestalten, dass nach der Rede eines Humanistischen Sprechers nie jemand offen oder verschwiegen sagen müsse: "Das hat er eigentlich nicht verdient!"

Beispielhafter Rahmen humanistischer Trauerfeiern

Der erste Vorsitzende des Oldenburger Ortsverbandes, Peter Blohm, zeigte sich äußerst zufrieden mit dem Verlauf der Matinee: "Das war ein schöner Sonntagmorgen. Wir haben heute nicht nur gehört, was die humanistische Bestattungskultur ausmacht. In dieser schönen Halle konnten wir mit unseren Gästen heute den feierlichen Rahmen einer humanistischen Trauerfeier erleben."

Besonders freue sich Blohm auf die in Aussicht gestellte partnerschaftliche Zusammenarbeit mit den verschiedenen Fraktionen im Stadtrat.

Lutz Renken