BERLIN. (hpd) Zu den Themen Suizid und Suizidhilfe wird am Donnerstag der Deutsche Ethikrat in einer öffentlichen Sitzung tagen. Aufmerksamkeit könnte sich lohnen, denn obwohl laut einer repräsentativen FORSA-Umfrage der ganz überwiegende Teil der Deutschen ein Recht auf Freitodbegleitung durch Ärzte will, verfolgen die Bundesärztekammer unter Frank Ulrich Montgomery und die christlich-liberale Koalition eine rigide Verbotspolitik.
„Obwohl es in Deutschland offiziell fast gar keine Sterbehilfe gibt, kümmert sich die gegenwärtige Regierung sehr stark darum. Dasselbe gilt für die Ärzteschaft. Beide wollen die fast nicht existierende deutsche Sterbehilfe noch weiter einschränken oder gar verbieten“, stellte Bernhard Sutter, Vizepräsident des Schweizer Vereins EXIT, vor einigen Wochen im Interview gegenüber dem hpd fest.
Am Donnerstag wird die Suizidhilfe nun in einer öffentlichen Tagung des Deutschen Ethikrats diskutiert werden. Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Bundesärztekammer und federführender Verfechter eines standesrechtlichen Verbots jeglicher ärztlicher Suizidassistenz, wird dabei gegenüber dem Ethikrat zu Wort kommen, wie auch Marion Schafroth, Vertreterin des Schweizer Sterbehilfevereins EXIT.
Dass jedenfalls auch in Deutschland die Debatte um Sterbehilfe mittlerweile nicht nur mehr auf Fachzirkel oder Selbsthilfeorganisationen schwerstkranker Menschen beschränkt ist, zeigte sich zuletzt am vergangenen Wochenende in Berlin auf einer Demonstration in Berlin, die sich als selbsternannte Lebensschützer neben einem europaweiten Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen auch die Forderung nach einem Verbot jeglicher Suizidhilfe auf die Fahnen geschrieben hatten.
Damit lagen die rund 3.000 Teilnehmer der Demonstration ganz auf dem Kurs, dem sich auch das Präsidium der Bundesärztekammer verschrieben hat. Die BÄK hatte ihre Ziele zuletzt Anfang Juni 2012 bekräftigt und die Bundesregierung dazu aufgefordert, „dass jede Form der organisierten Sterbehilfe verboten wird.“
Diese Forderung geht somit über die Vorschläge des liberalen Koalitionspartners von CDU/CSU hinaus. Die FDP will zwar gemäß dem Koalitionsvertrag ebenfalls die Gesetze verschärfen, um die kommerzielle Sterbehilfe in Deutschland zu unterbinden, beschränkte sich dabei aber bisher auf ein Verbot gewerblicher Suizidhilfe.
Die Pläne von Regierungskoalition und Bundesärztekammer entsprechen aber kaum dem Willen der Menschen in Deutschland, wie eine Ende August vom Meinungsforschungsinstitut Forsa durchgeführte repräsentative Umfrage zum Thema „Ärztliche Sterbebegleitung in Deutschland“ nahelegt. Die Umfrage war von der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) in Auftrag gegeben worden.
77 Prozent der Befragten meinten damals, dass es den Ärzten in der Bundesrepublik grundsätzlich erlaubt sein sollte, Schwerstkranken eine Freitodbegleitung zu ermöglichen. Ärzte sollen danach beispielsweise ein suizidgeeignetes Medikament zur Verfügung stellen dürfen, das der Patient selbst einnehmen kann. Nur eine kleine Minderheit von 19 Prozent, also weniger als ein Fünftel der Befragten, sprach sich gegen die Möglichkeit der ärztlichen Freitodhilfe aus.
Und 69 Prozent der Befragten waren der Meinung, dass jeder Arzt nach seinem Gewissen selbst entscheiden können sollte, ob er Schwerstkranke beim Freitod unterstützt. Die obersten Vertreter der deutschen Ärzteschaft liegen also mit ihren Positionen weit ab von den Erwartungen, welche die Mehrheit der Menschen in Deutschland an sie hat. Erst 2011 verabschiedete der Bundesärztetag eine Änderung der Musterberufsordnung, nach welcher die Ärztinnen und Ärzte keinerlei Unterstützung beim Freitod leisten dürfen – die ärztliche Gewissensfreiheit wurde damit berufsrechtlich normiert.
In der Schweiz hingegen ist die Suizidbeihilfe lediglich dann strafbar, wenn sie aus „selbstsüchtigen Motiven“ geschieht. Deshalb sind dort uneigennützig handelnde Sterbehilfe-Organisationen gestattet. In Deutschland sollen Sterbehilfe-Organisationen, sofern vorhanden, mit dem "Gesetz zur Strafbarkeit der gewerbsmäßigen Förderung der Selbsttötung" (als neuer § 217 StGB) bei ihrer Tätigkeit gehindert werden.
Die Bundesregierung hat einem solchen Gesetzentwurf bereits zugestimmt, derzeit berät der Bundesrat darüber. Die DGHS lehnt zwar gewerbsmäßige Sterbehilfe ab, hält ein solches Gesetz für nicht wirklich nötig, zumal eine umfassende gesetzliche Regelung zur Sterbehilfe und -begleitung in Deutschland nach wie vor aussteht. Ärzte, so die DGHS, sollten es nur mit ihrem Gewissen ausmachen, falls sie im begründeten Einzelfall beim Freitod zum Beispiel durch Bereitstellung von geeigneten Medikamenten helfen.
Die Umfrage von Ende August zeigte auch, dass zwischen den Meinungen der Menschen in den neuen Bundesländern und der in den alten Bundesländern kaum Unterschiede bestehen und obwohl es mit 85 Prozent bei den Konfessionsfreien die höchsten Zustimmungswerte gab, befürworteten auch deutliche Mehrheiten unter Protestanten (76 Prozent) und Katholiken (69 Prozent) die Möglichkeit einer ärztlichen Freitodbegleitung. Dabei wird schließlich deutlich, dass die christlich-konservativen Entscheidungsträger in der Regierung und der Bundesärztekammer eine Politik an den Interessen der eigenen Klientel vorbei anstreben.
„Die Meinung der Bevölkerung zur Möglichkeit ärztlicher Suizidbegleitung ist eindeutig positiv. Es ist nicht länger haltbar, dass die Bundesärztekammer es Ärzten verbietet, schwerstkranken Patienten, die es selbst wünschen, beim Suizid zu helfen“, hieß es bei DGHS über die Ergebnisse der Umfrage.
Neben BÄK-Präsident Montgomery und EXIT-Vertreterin Schafroth werden in der öffentlichen Sitzung des Deutschen Ethikrats am Donnerstag auch die Juristin und Hochschullehrerin Brigitte Tag sowie Armin Schmidtke, habilitierter Psychologe und Experte für Suizidprävention, sprechen. Die Sitzung des Ethikrats ab 9.30 Uhr soll außerdem via Livestream im Internet verfolgt werden können.
Arik Platzek
Informationen zur Sitzung und Link zum Livestream: Webpräsenz des Deutschen Ethikrats