Zur Ehre des Größten

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Walhai mit Schiffshaltern
Walhai mit Schiffshaltern

WELTMEERE. (hpd) Aus aktuellem Anlass berichtet der Meeresforscher und hpd-Präsident Helmut Debelius über Artenschutz und Tauch-Tourismus. Als Hintergrundinformationen steuert er seine eigenen Erlebnisse und wissenschaftliche Erkenntnisse zum größten Fisch der Weltmeere bei, dem Walhai.

Ein befreundeter, naturbewußter Tauchreiseveranstalter berichtet mir, dass er Kritik aus der deutschen Tauchszene bekommen habe, weil er ein unglaubliches Ereignis im fernen Ost-Indonesien in sein Reiseprogramm aufgenommen hat: In einer weiten Bucht gebe es dort eine große Anzahl von Walhaien, die dort auch stationär verweilten, ganz im Gegensatz zu dem migratorischen Verhalten dieses größten Fisches der Erde! Die Riesenfische werden seit einiger Zeit von örtlichen Fischern angefüttert und nun schickt er seine Tauchkunden mit einem Schiff dorthin, um ihnen ein garantiertes Treffen mit Walhaien ermöglichen. Hardliner kritisieren ihn jetzt, weil „Fütterung grundsätzlich ein Eingriff in die Natur der Tiere sei und ihnen schade“. Was ich denn dazu meine?

Ich neige dazu, grundsätzliche Artenschutz-Statements zu differenzieren. So weiß ich, dass die Tauchtouristen die dortigen Fischer finanziell einbinden. Das ermöglicht neben dem vorsichtigen Verhalten der Taucher (nicht anfassen, nur fotografieren) in der Centrawasi-Bay, seit einem Jahr Walhai-Experten unter besten Bedingungen wissenschaftliche Studien über Senderanbringung an den Tieren zu betreiben, um diese seltenen, mysteriösen Einzelgänger auf ihren Wanderungen durch tropischen Ozeane besser zu folgen zu können. Andererseits  wird der Populationdruck auf die Meeresbewohner (z.B. Haifang wegen ihrer Flossen für China) im überbevölkerten Indonesien durch direkte finanzielle Hilfen hier an die Menschen erheblich gemindert. Somit habe ich dem Vorhaben des Reiseveranstalters zugestimmt.

Helmut Debelius

 

Als Hintergund zu dieser aktuellen Meldung ein umfassender, faktenreicher Artikel des Meeresforschers über den größten Fisch der Erde:

Der Walhai ist einfach der Längste. Und dennoch weiß man immer noch recht wenig über diesen Knorpelfisch. Er lässt sich als Hochseebewohner kaum dort sehen, wo Taucher ab- und auftauchen. In den letzten Jahren hat man viel über sein Verhalten und seine Anatomie dazugelernt. So ist es an der Zeit, auch die neuesten Erkenntnisse über diesen Riesen mit nachgewiesener Körperlänge von 12 m (laut Taucher- und Fischerlatein auch mal 15m und mehr) und 11.000 kg Gewicht zusammenzustellen – dazu kommen auch meine eigenen Begegnungen mit dem längsten Fisch der Erde nicht zu kurz.

Erste Begegnung

Für einen, der auszieht, das Rote Meer kennenzulernen, es ist wohl unüblich, damit im Süden anzufangen. Denn der Sinai liegt für uns weitaus näher als die Inseln der Sieben Brüder. Aber als ich 1976 davon erfuhr, dass erstmals die Fahrt mit einem Tauchschiff von Djibouti aus ins südliche Rote Meer angeboten wurde, war ich bei der ersten Tour mit dabei. Nach einem Eingewöhnungstauchgang im Golf von Tadjoura steuerten wir zur Bab-el-Mandeb, dem „Tor der Tränen“, das als Ausgang des Roten Meers zum Indischen Ozean bekannt ist.

Unser Schiffskoch sitzt auf dem Mast und wundert sich über eine schwarze Masse ein paar hundert Meter vor dem Bug. Die Maschinen werden gedrosselt und wir Taucher stehen neugierig an der Reeling. Dicht unter der Oberfläche schwimmen tausende von pelagischen Krebsen und wir trauen unseren Augen nicht, als plötzlich ein riesiger, weißgefleckter Fisch von etwa 8 m Länge mit mächtiger Schwanzflosse auftaucht und durch diese Masse an kleinen Krebsen schwimmt. Es gibt einige weitaus erfahrenere Taucher an Bord als mich, aber keinem war dieses Tier jemals begegnet oder bekannt.

Inzwischen ist noch ein zweiter Riesenfisch von etwa 6 m Länge dazugekommen, und beide pflügen neben unserem Schiff durch das Krebsgewimmel. Keiner von uns Tauchern wagt sich ins Wasser. Meine Welt waren damals die Aquarienfische. Dennoch erinnere ich mich sofort an ein UW-Foto vom Walhai und daran, dass er als Planktonfresser ungefährlich ist, ergreife rasch mein ABC (Flossen, Brille, Schnorchel) und springe ins Wasser. Fasziniert erkenne ich die beiden Riesen nun viel besser: Mit weit geöffnetem Maul bedienen sie sich der Krebse. Das Misstrauen an Bord vor diesen Ungeheuern weicht, als man nach 10 Minuten später erkennt, dass mein zarter Germanenkörper immer noch nicht von den Haien angenagt ist. So erleben wir gemeinsam schnorchelnderweise unsere erste Begegnung mit Walhaien: Fast eine halbe Stunde lang schwimmen wir mit den freundlichen Tieren zusammen. Mein Übermut wird schnell beendet, als ich mich an eine Schwanzflosse hänge. Dem Walhai scheint das jedoch nicht zu gefallen und er schleudert mich mit Schwung weg. Vor Schreck verschlucke ich mich heftig. Aber das ist schnell vergessen, und völlig aufgedreht klettern wir zurück an Bord. Wie selten diese sicherlich eindrucksvollste Szene der gesamten Reise war, begreife ich erst später, denn es dauert weitere 18 Jahre, bis ich dem nächsten Walhai unter Wasser begegne.

Beispielbild
Größenverhältnis eines Tauchers zu einem subadulten Walhai von etwa 7 m Länge / Foto © Archiv Debelius