Keine Heldenrolle in Sachen Toleranz

WEIMAR. (fgw) Das Thüringer Themenjahr „Toleranz und Reformation“ 2013 wird am heute um 13 Uhr in Waltershausen und Reinhardsbrunn gemeinsam durch die Landesbischöfin der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, Ilse Junkermann und den Thüringer Minister für Bildung, Wissenschaft und Kultur, dem evangelischen Pastor Christoph Matschie (SPD), eröffnet.

Hierzu hat das Ministerium eine Pressemitteilung veröffentlicht, in der es u.a.heißt:

„Das Themenjahr Reformation und Toleranz ist Anlass, sich mit der Toleranz in der Geschichte der Reformation genauso wie in unserer heutigen Zeit zu beschäftigen. Toleranz macht unser Leben reicher, kommt aber in unserer schnelllebigen Zeit oft zu kurz. Das Themenjahr soll helfen, Toleranz heute wieder stärker zu leben.“ Das unterstreicht Thüringens Minister für Bildung, Wissenschaft und Kultur, Christoph Matschie.

In Sachen Toleranz hätten die Begründer der Reformation „keine Heldenrolle“ gespielt. „Aber sie haben einen Prozess angestoßen, der nicht mehr aufzuhalten war“, so Matschie. Denn nach Luther habe es etwas Neues gegeben, nämlich unterschiedliche religiöse Überzeugungen, die Unterschiede in den Meinungen und in der Lebensweise nach sich zogen. „Die Menschen haben mit Luther mehr Toleranz gelernt, obwohl der Reformator selber kein glühendes Beispiel von Toleranz war.“ Die Gewissensfreiheit, die Luther vor dem Reichstag in Worms für sich in Anspruch nahm, habe er für andere nicht gelten lassen, sagt Matschie. Das Themenjahr Reformation und Toleranz sei deshalb Anlass auch für eine kritische Auseinandersetzung mit der Geschichte der Reformation.“

Als Beispiel für die Notwendigkeit von Toleranz in der heutigen Zeit nennt der Minister den Umgang mit ausländischen Mitbürgern. Es wäre ein „handfestes Ergebnis“ im Themenjahr Toleranz, wenn die restriktiv gehandhabte Residenzpflicht für ausländische Mitbürger in Thüringen gelockert würde. Letztlich sei Toleranz die Voraussetzung dafür, dass die Menschen in Frieden miteinander leben könnten.

Wie es weiter heißt, soll es in diesem Jahr auch um die Schattenseiten der Reformation, um die Folgen von religiöser und politischer Intoleranz, gehen. Deshalb soll es zur Eröffnung des Themenjahrs in Waltershausen nicht nur Predigten und Politikerreden geben. Bischöfin und Minister wollen in Sachen Toleranz auch ein Zeichen setzen. In Reinhardsbrunn wird deshalb heute auch noch eine Gedenkstele enthüllt. Dieser Sandstein soll an sechs Täufer erinnern, die am 18. Januar 1530 im vormaligen Kloster wegen ihres Glaubens verbrannt wurden. Die Täufer lehnten die Kindstaufe ab und traten für die Trennung von Staat und Kirche ein.

Letzteres läßt vielleicht auch kirchenfreundliche Politiker aller Landtagsparteien Thüringens aufhorchen, für die das Thema Laizismus, also die institutionelle Trennung von Staat und Kirche, eine moderne Erfindung von Atheisten ist.

Vom Ministerium wird außerdem noch mitgeteilt, daß die Projekte und Veranstaltungen im Themenjahr „Reformation und Toleranz“ 2013 vom Freistaat Thüringen mit 300.000 Euro gefördert werden. Weitere 450.000 Euro seien für übergreifende Aktivitäten im Bau- und Denkmalpflegebereich und im Tourismus eingeplant. Über den diesbezüglichen finanziellen Beitrag der Evangelischen Kirche Mitteldeutschlands, die nach eigenen Angaben über einen Grundbesitz von mehr als 88.000 Hektar verfügt, schweigen die Veranstalter sich allerdings aus.

Siegfried R. Krebs