Die NPD unter Udo Voigt

(hpd) Der Politikwissenschaftler Marc Brandstetter legt eine umfassende Studie zum Aufstieg der rechtsextremistischen Partei unter ihrem vorherigen Bundesvorsitzenden vor. Sie eignet sich aufgrund des Informationsgehalts und der Strukturierung auch als Nachschlagewerk.

Bei der Kampfkandidatur um den Bundesvorsitz der „Nationaldemokratischen Partei Deutschlands“ (NPD) setzte sich beim Parteitag 2011 Holger Apfel gegen den bisherigen Amtsinhaber Udo Voigt durch. Damit ging für die rechtsextremistische Partei eine Ära zu Ende, hatte sie doch zwischen 1996 und 2011 nach einem jahrzehntelangen Schattendasein erstmals wieder Erfolge bei Landtagswahlen verbuchen können. Darüber hinaus entwickelte sich die NPD im rechtsextremistischen Lager zu einer dominierenden Kraft, die mit ihrem „Staubsauger“-Effekt die unterschiedlichsten Akteure aus ihm anzog.

Wie kann nun in der Rückschau die „Ära Voigt“ der Partei eingeschätzt werden? Dieser Frage widmet sich die umfangreiche Studie des Politologen Marc Brandstetter „Die NPD unter Udo Voigt. Organisation, Ideologie, Strategie“. Er fragt darin nach den Besonderheiten, die in der Entwicklung von der „alten“ NPD vor 1996 und der „neuen“ NPD nach 1996 zum Ausdruck kommen und nach deren Einfluss auf die begrenzten Erfolge der Partei.

Nach der Einleitung mit Ausführungen zur Problemstellung und einem Definitionskapitel zum politischen Extremismus beschreibt der Autor zunächst die Geschichte der NPD in den früheren Phasen des Aufstiegs von 1964 bis 1972 und des Niedergangs von 1972 bis 1996. Hierzu liegen mittlerweile ausführliche politikwissenschaftliche Studien vor. Brandstetter will sie bezogen auf den Zeitraum 1996 bis 2011 fortschreiben. Dazu geht er ausführlich auf die Person von Udo Voigt ein, welcher als geschickter Organisator des Wandlungsprozesses eine wichtige Rolle spielte.

Die Mitglieder und die Struktur stehen danach im Zentrum des Interesses, wobei man selbst zu scheinbar eher marginalen Aspekten wie den Finanzen der Partei ausführliche Informationen erhält. Auch Absplitterungen und Machtkämpfe erörtert Brandstetter ausführlich. Es handele sich nicht um „eine heterogene Partei“. Viele Strömungen des Rechtsextremismus hätten dort eine Heimat gefunden. „Außerdem bestehen zwischen führenden Kadern persönliche Fehden ...“ (S. 347).

Besonders ausführlich widmet sich der Autor den Wahlen und zwar sowohl bezogen auf die Ergebnisse wie die Wählerzusammensetzung. Hinsichtlich der Ideologie sieht er in der völkischen Deutung der „Volksgemeinschaft“ das Fundament (S. 270) und interpretiert die NPD als „Anti-Partei“ (S. 279), wobei dies mit der Negativ-Ausrichtung an Feindbildern wie „Anti-Amerikanismus“ oder „Anti-System“ erklärt wird.

Und schließlich geht es noch um die strategischen Grundlagen der Partei und den öffentlichen Umgang mit ihr. Danach unternimmt Brandstetter den angekündigten systematischen Vergleich von „alter“ und „neuer“ NPD bezogen auf Ideologie, Organisation, Strategie und Wahlen. Hierbei lassen sich in der Tat bedeutende Änderungen in den unterschiedlichsten Bereichen ausmachen: “Soziodemographisch war die ‚Thielen/Thadden-NPD’ eine Partei des ‚alten Mittelstandes’.“ Das Bildungsbürgertum war über, die Arbeiterschaft unterrepräsentiert. Und weiter heißt es: „Heute stellen Arbeiter und Angestellte mehr als zwei Drittel der NPD-Basis“ (S. 346).

Solides Grundlagenwerk

Brandstetter legt mit seiner Arbeit „Die NPD unter Udo Voigt“ eine wichtige Ergänzung zur bisherigen Forschung über die Partei vor. Darin findet man ausführliche Daten und Informationen zu den wichtigsten Aspekten der Partei, die auch aufgrund der guten Strukturierung für den Handbuchcharakter des Bandes sprechen. Hier und da hätte man sich ein Mehr an Analyse und Einschätzung gewünscht. Gleichwohl findet man auch immer wieder entsprechende Ausführungen, wofür insbesondere der beachtenswerte Vergleich von „alter“ und „neuer“ NPD steht. Dabei arbeitet der Autor überzeugend die Besonderheiten der Voigt-NPD heraus, wozu etwa eine Verschärfung der Extremismusintensität hin zu einem recht deutlichen öffentlichen Bekenntnis zur Ablehnung des „Systems“ gehört. Auch reproduziert Brandstetter nicht unkritisch die Selbstdarstellung der NPD hinsichtlich ihrer Präsenz in der „Mitte der Gesellschaft“. Kurzum, die kommende Beschäftigung mit der Partei hat mit Brandstetters Buch ein solides Grundlagenwerk zum Thema erhalten.

Armin Pfahl-Traughber

Marc Brandstetter, Die NPD unter Udo Voigt. Organisation, Ideologie, Strategie, Baden-Baden 2013 (Nomos-Verlag), 402 S., 59 €.