Mein Name ist Hase

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Nationalrat / Foto: Nationalrat

WIEN. (hpd) Im Zuge der Diskussion um das Volksbegehren gegen Kirchenprivilegien wurde zwar schon einiges von mehreren Seiten gesagt, bisher jedoch oft von den Falschen. Vor allem die politischen Parteien schweigen. Ein Kommentar.

Man kann zu den Forderungen des Volksbegehrens stehen wie man will: Man kann die flächendeckende Privilegierung der gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften ablehnen, befürworten oder auch als nichtexistent abtun. Dies wurde auch in den letzten Wochen, mal sachlich, oft polemisch, getan. Das Volksbegehren ist medienpräsent, „man“ diskutiert darüber.

Doch wer sind die Teilnehmer dieses Diskurses? Auf der einen Seite befinden sich natürlich die Proponenten des Volksbegehrens, denen die meisten Medienvertreter über Interviews, Streitgesprächen oder Gastkommentaren auch eine Bühne angeboten haben, um ihre Position darzulegen. Die konträre Meinung wurde – relativ spät, nachdem die Totschweigetaktik nicht mehr funktioniert hat - dafür aber umso heftiger vor allem von der katholischen Kirche vertreten.

Anfangs indirekt, überwiegend über Meldungen der eigenen Kathpress, später aber mit den schwersten Geschützen wie Caritas-Präsident Franz Küberl, „Außenminister“ Paul Wuthe und gar dem Wiener Kardinal Christoph Schönborn. Und selbst eine eigens zum Zweck der Volksbegehrensbekämpfung massenhaft gedruckte Broschüre wurde österreichweit verteilt, um die Vorzüge der Kirche in Erinnerung zu rufen. Der eine oder andere Religionsjurist, der den mehr oder weniger uneinvernommenen Versuch unternahm, etwas Licht in die komplexe Materie zu bringen, rundete das diskursive Angebot ab. So weit, so gut; „Je pense donc je suis“ postulierte René Descartes und man darf getrost hinzufügen „und erst recht wenn ich darüber rede“.

Prominente Absenz

Doch stopp! Wie kommen eigentlich fast ausschließlich Kirchenvertreter dazu, die Hauptlast des Volksbegehren-Abwehrkampfs zu tragen? Es ist verständlich, wenn eine Religionsgemeinschaft ihre Vorstellungen zur eigenen Rolle in der Gesellschaft in den Diskurs einbringt und es ist noch verständlicher, wenn sie sich für den Beibehalt ihrer finanziellen sowie ideellen Begünstigungen einsetzt – alles andere wäre unnatürlich. Wo ist aber die Politik – und allen voran DIE Religionspartei Österreichs, die ÖVP? Das Schweigen jener Partei, die sich stolz „christlich-sozial“ nennt und bisher keine Gelegenheit ausgelassen hat, sich als Schutzpatronin der Religion in Österreich hochzustilisieren, ist mittlerweile ohrenbetäubend. Jene Partei, die gleich zweimal, ohne Wenn und Aber, innerhalb von zwei Jahren dem Wunsch der Kirche nachgekommen ist und die steuerliche Absetzbarkeit des Kirchenbeitrages verdoppelt hat – Finanz- und Schuldenkrise hin oder her – lässt nichts von sich hören. Und es waren ausschließlich ÖVP-ler, die sich flächendeckend für den Schutz des Religionsunterrichts (und für den Missbrauch des Ethikunterrichts zu diesem Zweck) eingesetzt haben (und für Kreuze und religiöse „Bildung“ in Kindergärten sowieso), die nun keinen Mucks von sich hören lassen. Die Vertreter jener Partei, die Österreich mit einem „König-Abdullah-Zentrum-für-interreligiösen-Dialog“ oder gar mit der Schnapsidee einer Strafsteuer für Kirchenaustreter bereichert haben, sagen nun kollektiv: „Mein Name ist Hase, ich weiß von nichts“ und lassen die Kirche im Regen stehen. Das Schweigen der ÖVP-Lämmer ist demokratiepolitisch aber keineswegs skurril: Es veranschaulicht die Rückgratlosigkeit einer zunehmend populistisch agierenden Regierungspartei, die in Nacht-und-Nebel-Aktionen der Kirche gerne dienlich ist, hingegen aber zu feig ist, ihre Positionen im Rahmen eines politisch-öffentlichen Diskurses zu rechtfertigen.

Gleiches Fett für alle

Wer denkt, dass der Verfasser dieser Zeilen diese Fläche missbraucht, um sich lediglich auf die ÖVP zu konzentrieren, der irrt. Auffällig ist nämlich auch die Abwesenheit politischer Unterstützung FÜR das Volksbegehren.

Die zweite Regierungspartei, die sich irreführenderweise „Sozialdemokratische Partei Österreichs“ nennt, schafft es sogar, die ÖVP moralisch und insbesondere polithygienisch (negativ) zu schlagen: Besagte diskriminierende Verdoppelungen des Kirchenbeitrag-Absetzbetrages (die letzte wurde allerdings unlängst vom Rechnungshof zerrissen) kam dank ihrer Unterstützung zustande. Und es war kein geringerer als Kanzler und SPÖ-Chef Faymann, der laut darüber nachgedacht hat, die österreichische Verfassung so zu manipulieren, dass Kreuze in öffentlichen Schulen und Kindergärten von Urteilen des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte nicht berührt werden (nur ein Schelm hält dies, allerdings, für möglich!). Und es ist auch die SPÖ, deren Parlamentsklub dem Verfasser dieser Zeilen jüngst unmissverständlich mitgeteilt hat, dass die bevorstehende Entscheidung bzgl. der flächendeckenden Einführung eines Ethikunterrichts, freilich nur als Ersatzpflichtgegenstand für den Religionsunterricht, „nur in Absprache mit den Religionsgemeinschaften erfolgen wird“. Dass die SPÖ im Rahmen des Volksbegehrensdiskurses der österreichischen Öffentlichkeit vielleicht eine Wortspende zur eigenen Positionierung schuldig wäre, ist offensichtlich keinem ihrer zahlreichen „Volksvertreter“ bisher bewusst geworden.

Naiv wäre natürlich auch der Versuch, der ansonsten wortgewandten FPÖ eine klare Position abzuringen. Jene Partei, die seinerzeit gegen das Vermögenskonkordat 1960 gestimmt hat, zeigt sich im Jahr des Herren 2013 wortkarg und könnte sich, freilich erst nachdem sie schriftlich zur Abgabe einer Stellungnahme aufgefordert wurde, vorstellen, das Konkordat Punkt für Punkt näher anzusehen – und prompt folgte auch der Rückzieher. Ihr Parteichef, der in der Vergangenheit Gefallen fand, nach Art eines Marco d’Avianos mit einem Kreuz herumfuchtelnd sich in Wahlveranstaltungen bei der potenziellen orthodoxen Wählerschaft einzuschleimen, brilliert nun mit einer bemerkenswerten Wortkargheit.

Und selbst die Grünen, die hierzulande in Sachen Staat und Religion derzeit als der progressivste politische Faktor gelten, sind stumm geworden. Die einzige Nationalrätin, die sich unmissverständlich hinter das Volksbegehren gestellt hat, kommt aus den Reihen der Grünen. Es sind auch ausschließlich Grüne Abgeordnete, die überhaupt eine staatliche Aufklärung des kirchlichen Missbrauchsskandals bzw. die Abschaffung des Konkordats einfordern. Insgesamt geht es aber sehr bieder und sehr leise zu. Zu tief scheint die Angst in den Knochen der Grünen zu sitzen, sich mit Taufscheinkatholiken anzulegen.

Das tragische politische Schicksal Heide Schmidts, die es als einzige bisher gewagt hat und dabei ihr Liberales Forum gegen die Wand fuhr, dürfte wie der unbestattete Leichnam Polyneikes vor politischen Heldentaten abschrecken. Dass das BZÖ es wiederum nicht geschafft hat, auch nur einen einzigen wahrnehmbaren Diskussionsbeitrag zu liefern, überrascht noch weniger. Immerhin: Von einer Partei, die, offensichtlich mangels der Fähigkeit Inhalte zu vertreten sich unlängst bemüßigt fühlte, Bibelzitate als Hauptmotto für eine aufwendige Plakataktion zu verwenden, sollte man auch in dieser Sache nichts erwarten.

Komisch bis schräg klingt abschließend das, was vom Team Stronach bisher zum Thema gesagt wurde. Seitens einer irdischen Vertreterin des Sektenführers kam lediglich die Verlautbarung, dass „auch wenn Frank Stronach persönlich ein religiöser Mensch ist, vertritt er die Meinung, dass das persönliche Glaubensbekenntnis Privatsache ist“. Aha.

Das Volksbegehren ist in gewissen Punkten mangelhaft formuliert und seine Forderungen sind, zumindest für ein nach wie vor katholisch dominiertes und teilweise politisch unreifes Land wie Österreich, zu hoch gesteckt. Der belebte öffentliche Diskurs veranschaulicht aber, dass die durch das Volksbegehren gestellten Fragen mehr als relevant sind und einen Nerv treffen. Die fast gänzliche Abwesenheit eines begleitenden politischen Diskurses erhärtet aber zunehmend den Verdacht, dass hier tatsächlich Inhalte im Spiel sind. Einen Erfolg kann das Volksbegehren also bereits jetzt schon verbuchen: Es veranschaulicht abermals jeder Österreicherin und jedem Österreicher, egal wie sie oder er zur Trennung von Staat und Religion stehen, dass der österreichischen Politik die Befassung mit Inhalten nicht zumutbar ist.

Eytan Reif