Die Menschheit – Unendliche Weiten

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Gestern landete eine Astronauten-Crew der Internationalen Raumstation ISS sicher auf der Erde. Die Welt konnte ihren Rückflug live verfolgen. hpd-Redakteurin Daniela Wakonigg gehörte zu den gebannten Zuschauern.

Es gibt Momente, die lassen einen mit Wärme an die Menschheit denken. Etwas, das zum gegenwärtigen Zeitpunkt der Menschheitsgeschichte zugegebenermaßen nicht immer leicht fällt.

Gestern gab es einen solchen Moment. Er kam völlig unerwartet. Ich saß am Computer und war eigentlich mit etwas ganz anderem beschäftigt, da öffnete sich plötzlich ein kleines Fenster auf meinem Bildschirm. Es informierte mich darüber, dass auf einer der zahllosen von mir abonnierten Seiten nun ein Live-Video zu sehen sei: Die Rückkehr einer Astronauten-Crew von der Internationalen Raumstation ISS.

Da die Arbeit, an der ich saß, nicht allzu spannend war, ließ ich mich gern ablenken. Nur ein paar Minütchen, dachte ich. Doch ich hatte die Rechnung ohne die Mission Control in Houston gemacht. Dort stellte man den Live-Stream zur Verfügung, der mich nun eine ganze Weile in seinen Bann ziehen sollte. Und das unter Einsatz höchst minimalistischer Mittel:

Live ist die Stimme des Piloten zu hören, der die Sojus-Kapsel von der ISS zur Erde zurückfliegt. Auf Russisch kommuniziert er mit der russischen Mission Control. Eine Dolmetscherin übersetzt im Live-Video simultan auf Englisch, ein Kommentator der Mission Control in Houston ordnet das Geschehen gelegentlich ein, doch oft ist schlicht nichts zu hören. Zu sehen eine einfache Totale aus der Steuerungszentrale der russischen Mission Control. Gelegentlich auch eine einfache Grafik, die die aktuelle Position der Sojus-Kapsel anzeigt.

Die Einfachheit der Übertragung und das Fehlen von jeglichem Hollywood-Hochglanz katapultiert mich eine halbes Jahrhundert in die Vergangenheit. Die Besonderheit und Gefahr dessen, was ich dort gerade live miterleben darf, wird mir bewusst. Wir haben uns schon so sehr an Flüge ins All gewöhnt, dass uns der Sinn für die Gefährlichkeit eines solchen Unternehmens völlig abhanden gekommen ist. Eine undichte Stelle, ein Defekt im Hitzeschild und schon kann der Flug ins All oder zurück zur Erde tödlich enden. Und oft genug tat er es in der Vergangenheit.

Plötzlich: Blackout – Abriss des Funkverkehrs. Ein normales Ereignis, wenn die Kapsel in die Erdatmosphäre eindringt und ihr Hitzeschild zu glühen beginnt. Obwohl es ein normales Ereignis ist – es ist auch nervenaufreibend, denn dies ist der wohl gefährlichste Teil des Abstiegs. Ob es den Menschen in der Kapsel gut geht, weiß in diesem Moment Mission Control ebensowenig wie die Zuschauer des Live-Videos. Das Blackout zerrt an meinen Nerven. Und nicht nur an meinen. Hunderte Menschen zittern mit und kommentieren das Video. Die Kommentare kommen aus aller Welt. Alle Kontinente sind vertreten, egal, ob dort gerade Tag ist oder Nacht. Sie alle sorgen sich um die drei Männer in der Kapsel, die sie ebensowenig kennen wie ich, sie fiebern mit und wünschen ihnen eine sichere Landung.

Ich merke, wie sich neben der Sorge um die drei Menschen, von deren Existenz ich noch vor einer Stunde nur vage etwas ahnte, ein weiteres Gefühl in mir breit macht. Es ist tatsächlich ein Gefühl der Wärme, des Einsseins mit all diesen Menschen auf der ganzen Welt, die mit mir gemeinsam um jene Menschen bangen, die in diesen Menschen Vertreter der gesamten Menschheit sehen, welche für uns das All erforschten, und die zu unserer gemeinsamen Heimat, der Erde, zurückkehren.

Mit feuchten Augen wechsle ich hin und her zwischen den Kommentaren und den Bildern der Sojus-Kapsel, die inzwischen die gefährliche Phase des Eintritts in die Atmosphäre überstanden hat und nun an einem Fallschirm zu ihrem berechneten Landeplatz in der russischen Steppe schwebt. Sie geht zu Boden. Hilfskräfte eilen herbei. Bange Minuten, bis die Kapsel geöffnet und die drei Männer darin gesund und munter geborgen sind: Kosmonaut Oleg Artemyev sowie die NASA-Astronauten Drew Feustel und Ricky Arnold. Dass Russen und Amerikaner einmal gemeinsam eine Weltraummission bestreiten würden – noch vor wenigen Jahrzehnten undenkbar.

Ein Gefühl der Freude und Erleichterung macht sich breit. Bei mir und bei den anderen, die gebannt das Live-Video verfolgen. Ein echtes Hochgefühl. Doch es hält nicht lange an. Unter die Kommentatoren mischen sich Menschen, die das, was wir dort live sehen, für vorgefertigtes Filmmaterial halten. Eine Fälschung, genauso wie das von den Apollo-Missionen und der Mondlandung! Wie soll denn bitte sowas wie die ISS im Weltall zusammengebaut worden sein? Alles Lüge! Und überhaupt ist dieser ganze Weltraumquatsch viel zu teuer! 

Aluhutträger. Seufz. Auch mit diesen Menschen muss ich mir den Planeten teilen. Und das ist wirklich nicht immer leicht. Denn sie drängen sich mit ihrem Irrsinn so penetrant ins Gesichtsfeld, dass mitunter kaum noch etwas anderes zu sehen ist. Sie verstellen den Blick auf das, was auch noch da ist. Auf den anderen Teil der Menschheit, den, der die Welt erforschen will, der auf den Fortschritt hofft, der um wildfremde Menschen bangt und die Erde als gemeinsame Heimat aller Menschen betrachtet. Manchmal braucht es wohl eine Weltraummission, um sich zu erinnern, dass es sie hinter all den Irrsinnigen auf der Welt tatsächlich noch gibt.