Kommentar

Historischer Ritt auf dem Drachen mit fragwürdigem Kurs

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Der Start des SpaceX Crew Dragon wurde live im NASA-TV übertragen.

Am Wochenende brachte erstmals ein SpaceX Crew Dragon zwei Astronauten zur Internationalen Raumstation ISS. Der erste bemannte Raumflug eines kommerziellen Unternehmens. Ein historischer Schritt der Raumfahrtgeschichte, der jedoch durch überbordenden amerikanischen Nationalismus getrübt wurde.

Seit es menschliche Kulturen gibt, richten sie ihren Blick gen Himmel. Er galt als Wohnort der Götter, wurde zur Deutung von Schicksal und Zukunft bemüht und schließlich als das erkannt, was er ist: Unser Teil des Universums, in dem wir nur verschwindend kleine Krümel sind. Krümel, die im Gegensatz zu anderen Krümeln allerdings die Fähigkeit besitzen, ihren Ort im Universum zu erforschen.

Spätestens seit dieser Erkenntnis wurde es zu einem Menschheitstraum, ins Weltall zu reisen. Doch als die technischen Möglichkeiten endlich bestanden und Mitte des 20. Jahrhunderts die Geschichte der Raumfahrt begann, war die Menschheit zutiefst gespalten. Auf der Erde herrschte die Eiszeit des Kalten Kriegs. Jahrzehntelang wetteiferten die Supermächte USA und UdSSR nicht nur hinsichtlich der atomaren Aufrüstung miteinander, sondern auch, was ihre Vormachtstellung im All betraf: Die UdSSR brachte den ersten Satelliten und den ersten Menschen ins All, die USA schickten die ersten Menschen auf den Mond, die UdSSR errichtete die erste Raumstation und die USA arbeiteten mitten in den aufgeheizten 1980er Jahren an einem "Star Wars"-Programm für weltraumgestützte Waffensysteme. Raumfahrt hatte so von Beginn an also immer auch eine starke militärische und nationalistische Note.

Erst als in den 1990er Jahren die Eisberge des Kalten Kriegs langsam abschmolzen, wurde Raumfahrt zu dem, was sie immer hätte sein sollen: Einer vereinten Unternehmung der Menschheit. 1998 begann der Bau der Internationalen Raumstation ISS, die seit November 2000 dauerhaft von Astronauten und Kosmonauten unterschiedlicher Nationen bewohnt ist, die dort gemeinsam Forschung betreiben. Die ISS ist eine internationale Kooperation von derzeit 16 Staaten und 5 Raumfahrtagenturen – unter ihnen die USA mit der NASA, Russland mit Roskosmos sowie die Europäische Weltraumorganisation ESA.

Beispielbild
Die aktuelle Besatzung der ISS: Im Hintergrund links die russischen Kosmonauten Anatoli Iwanischin und Iwan Wagner. In der Mitte der derzeitige Kommandant der ISS, US-Astronaut Chris Cassidy. Rechts die Crew-Dragon-Besatzung, die US-Astronauten Robert Behnken und Douglas Hurley, nach ihrer Ankunft auf der ISS. (Screenshot NASA-TV)

Nachdem die USA 2011 ihr Space-Shuttle-Programm aus Kostengründen eingestellt hatten, gab es nur noch eine Möglichkeit, Menschen an Bord der ISS zu bringen: Mithilfe russischer Sojus-Kapseln. Neun Jahre lang nutzten auch amerikanische Astronauten diese Möglichkeit eines Starts von russischem Boden und mit Hilfe russischer Technik. Jeder neue Sojus-Start mit Crewmitgliedern unterschiedlicher Nationalitäten atmete den Geist der Internationalität und wurde von Menschen auf der ganzen Welt mit Spannung live im Internet verfolgt.

Dieser über zwei Jahrzehnte hart erarbeitete internationale Geist der Raumfahrt hat durch die nationalistische Inszenierung der Crew-Dragon-Mission am Wochenende Schaden genommen. Ohne jede Frage ist es ein Meilenstein in der Raumfahrtgeschichte, dass mit SpaceX nun erstmals ein kommerzielles Unternehmen erfolgreich Menschen zur ISS transportieren konnte. Missionen zu Mond und Mars sind so weitaus näher gerückt. Und natürlich ist die Freude der Amerikaner nachzuvollziehen, dass sie nun wieder von eigenem Boden Menschen ins All schicken können. Doch die zutiefst nationalistische Inszenierung der SpX-DM2-Mission war schier unerträglich. Endlich sei man nicht mehr abhängig von anderen Nationen, Amerikaner könnten endlich wieder von amerikanischem Boden ins Weltall befördert werden, es gäbe nichts, was Amerikaner nicht erreichen könnten, wenn sie nur zusammenhielten und die Vereinigten Staaten seien nun wieder führend im Weltall. So triefte es während der rund 24-stündigen Übertragung des Events von NASA-TV und tönte es von US-Präsident Trump und seinem Vize Mike Pence. Für Letztere war der geglückte SpaceX-Start ins All natürlich eine willkommene PR-Maßnahme, um vom Corona-Desaster und den politischen Unruhen abzulenken, von denen die USA dank ihrer Präsidentschaft gerade erschüttert werden.

Die nationalistische Inszenierung des Events mag für Amerikaner zum Aufpolieren des angekratzten nationalen Selbstbewusstseins Balsam gewesen sein – auf den Rest der Welt dürften die mantraartig wiederholten nationalistischen Botschaften eher verstörend bis bedrohlich gewirkt haben. Es wurde mehr als deutlich, dass die USA sich nun im Bereich der Raumfahrt nicht mehr einreihen möchten in eine Gruppe Gleichrangiger, mit denen man gemeinsam an einem Strang zieht. Sie wollen, dass fortan auch im All die trumpsche "America first"-Agenda herrscht. Die Konsequenzen, die eine solche Haltung für durch und durch internationale Projekte wie die ISS haben wird, bleiben abzuwarten. Denn ob sich alle internationalen Partner von den amerikanischen Space Cowboys auf der Nase herumtanzen lassen werden, ist fraglich. 

Sollten sich diese Befürchtungen bestätigen, so hätte die erste bemannte kommerzielle Raumfahrt-Mission nicht nur technisch ein neues Kapitel der Raumfahrt aufgeschlagen, sondern auch politisch.

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