(hpd) Angesichts des Finanzskandals im Bistum Limburg haben diese Woche mehrere katholische Bistümer Zahlen zu ihrem Vermögen veröffentlicht, um dem Eindruck von Intransparenz entgegenzuwirken. Allerdings dürften die veröffentlichten Zahlen viel niedriger sein als die tatsächlichen Werte.
Grund dafür sind die deutschen Bilanzierungsvorschriften, die den Ausweis von Wertsteigerungen verbieten. Vermögensgegenstände dürfen höchstens zu Anschaffungskosten ausgewiesen werden. Und die dürften für das historische Vermögen der Kirchen vernachlässigbar sein.
Nach den Enthüllungen über das Finanzgebaren des katholischen Bischofs von Limburg, Franz-Peter Tebartz-van Elst, haben mehrere deutsche Diözesen Zahlen zu ihrem Vermögen (bzw. dem Vermögen des jeweiligen bischöflichen Stuhls) veröffentlicht. Allerdings handelt es sich dabei offenbar nicht um Zeit- oder Marktwerte, sondern um "bilanzielle" Werte, wie aus einer Pressemitteilung des Bistums Trier hervorgeht:
"Das Vermögen des Bischöflichen Stuhls Trier besteht aus Kapitalanlagen, Darlehensforderungen und Liquidität mit einem bilanziellen Wert von knapp 84 Millionen Euro. Zudem gehört ein Immobilienbestand von 38 Gebäuden dazu, für die allerdings keine aktuelle Marktbewertung vorliegt. Die Gebäude sind sämtlich im Bistum Trier gelegen. Davon sind 14 Wohnhäuser. Die restlichen Gebäude dienen kirchlichen Zwecken. Beispiele sind Verwaltungsgebäude, Schulen, Bildungshäuser, der Bischofshof, Ordensniederlassungen und die Trierer Mariensäule."
"Bilanzieller Wert" hört sich zwar "amtlich" an, lässt aber den Eingeweihten erkennen, dass es sich hier nicht um Zeit- oder Marktwerte handelt, sondern eben die Werte, die bei der Bilanzierung anzusetzen sind. Dasselbe gilt für den Hinweis des Erzbistums München und Freising, die Bilanz des erzbischöflichen Stuhls werde einmal im Jahr von einem externen Wirtschaftsprüfer testiert.
In Deutschland sollen die Bilanzierungsvorschriften verhindern, dass die Bilanz ein zu hohes Vermögen (und somit ein überhöhtes Eigenkapital) ausweist. Das dürfte den Kirchen gerade recht kommen, denn ihnen darf getrost unterstellt werden, dass sie ihr Vermögen so niedrig wie möglich ausweisen wollen, um ihre finanziellen Privilegien nicht noch mehr infrage zu stellen. Deshalb hielten sich die Kirchen bisher ja auch mit Informationen über ihr Vermögen sehr bedeckt, um es mal vorsichtig zu formulieren.
Nach deutschem Recht sind Vermögenwerte zu "fortgeführten Anschaffungs- und Herstellungskosten" zu bilanzieren. Es dürfen somit höchstens die Anschaffungskosten in der Bilanz angesetzt werden, allerdings sind ggf. die Abschreibungen zu berücksichtigen, bei Vermögen, dass abgenutzt wird (z.B. Immobilien).
Während in kirchlichen Bilanzen Bankguthaben und Forderungen mit ihren tatsächlichen Werten bilanziert werden, ergibt sich für Grundstücke, Gebäude, Finanzanlagen und Beteiligungen folgendes:
Grundstücke: Hier können die Kirchen historische Anschaffungskosten ansetzen. Bei Grundstücken, die sich "seit jeher" im Besitz der Kirche befinden, dürften diese Werte gar nicht mehr ermittelbar sein. Jedenfalls können die Kirchen hier minimale Werte ansetzen, die mit dem tatsächlichen Wert der Grundstücke nichts zu tun haben.
Gebäude: Gebäude können ebenfalls mit den historischen Anschaffungs- und Herstellungskosten angesetzt werden, vermindert um die Abschreibungen. Damit können die Kirchen Gebäude, die ihre übliche wirtschaftliche Nutzungsdauer erreicht oder überschritten haben, im Prinzip einen Erinnerungswert von 1 Euro bilanzieren. Bei Gebäuden, die ihre Nutzungsdauer noch nicht erreicht haben, vermindert sich der Wert entsprechend – weil die Abschreibungen unabhängig davon berechnet werden, wie sich der tatsächliche Wert der Immobilie entwickelt. (Der bilanzierte Wert darf nur nicht höher sein als der tatsächliche Wert.)
Finanzanlagen: Finanzanlage wie Aktien sind nicht zu ihrem Marktwert (Börsenkurs) zu bilanzieren, sondern zu ihren Anschaffungskosten, also zu dem Preis, der dafür bezahlt wurde. Aus Vorsichtsgründen dürfen Wertsteigerungen erst dann in der Bilanz ausgewiesen werden, wenn die Wertpapiere tatsächlich zu dem entsprechenden (Mehr-) Wert verkauft wurden. Wenn die Kirche also hier seit Jahrzehnten Aktien oder dergleichen besitzt, könnten diese nach wie vor zu den damaligen Anschaffungspreisen in der Bilanz stehen, die vermutlich nur noch einen Bruchteil ihres jetzigen Wertes ausmachen.
Beteiligungen: Auch für Beteiligungen gilt, dass sie bis zu ihrem Verkauf maximal mit ihren Anschaffungskosten zu bilanzieren sind. Wenn die Bistümer also seit Jahrzehnten Anteile an Wohnungsbaugesellschaften, Verlagen usw. halten, dürften die Bilanzwerte auch hier unter den tatsächlichen Werten liegen.
Die Kirchen müssen das nicht so machen. Sie könnten im Prinzip statt nach deutschem Recht auch nach internationalen Standards bilanzieren, oder sie hätten bei der Umstellung vom kameralistischen auf das doppische Haushaltswesen ihr Vermögen mit vorsichtigen Zeitwerten bewerten können.
Die Kirchen haben allerdings keinen Grund, dies zu tun. Die Kirchen in Deutschland vermeiden seit jeher so gut es geht, sinnvolle Zahlen über ihr Vermögen zu veröffentlichen. Auch scheinbar "transparentere" Darstellungen aus der letzten Zeit erweisen sich oft als wertlose Nebelkerzen:
- Die Haushaltsberichte des Erzbistums München lassen nicht erkennen, wie viele öffentliche Gelder in den Haushalt des Erzbistums einfließen und für welche Zwecke sie gedacht sind. Es werden hierzu überhaupt nur noch (systematisch zu niedrige) Plan- und keine Ist-Zahlen mehr ausgewiesen, und ein Teil der öffentlichen Gelder wird unter "Kostenersatz, Zuschüsse" usw. aufgeführt und sich somit nicht mehr als öffentlich erkennbar. Darüber hinaus weist das Erzbistum München erhebliche Mittel zweimal als Ausgabe aus: Einmal in dem Jahr, wo sie eingenommen werden (und bereits "technisch" als Ausgabe verbucht werden, obwohl sie noch gar nicht ausgegeben wurden), und dann noch einmal in dem Jahr, wo sie tatsächlich ausgegeben werden. Außerdem erhöht das Erzbistum München zwar fast jedes Jahr sein Vermögen (Allgemeine Rücklage) um zweistellige Millionenbeträge, verschweigt allerdings, auf welchen Betrag sich diese Rücklage mittlerweile beläuft.
- Das Erzbistum Hamburg veröffentlich zwar seit zehn Jahren "Geschäftsberichte" – diese enthalten jedoch bemerkenswerterweise keine Bilanz, wie man es eigentlich bei einem Geschäftsbericht erwarten würde. Seit 2011 wird nicht einmal mehr der Wert des Eigenkapitals ausgewiesen. Das Erzbistum Hamburg ist also intransparenter geworden.
- Die Kirchensteuerbroschüre des Bistums Limburg erscheint zwar für kirchliche Verhältnisse überdurchschnittlich transparent und weist sogar Abschreibungen auf das Vermögen aus, das Vermögen an sich wird allerdings auch hier nicht beziffert.
Statt – wie jetzt geschehen – nur die Vermögen der bischöflichen Stühle zu veröffentlichen, sollten die Bistümer auch die Bistumsvermögen veröffentlichen.
In diesem Zusammenhang kam es diese Woche auch zu Falschmeldungen im Hinblick auf die kirchlichen Vermögen. So wurde gemeldet:
"Angesichts der Debatte um die hohen Kosten beim Bau des Limburger Bischofssitzes hat nun auch das katholische Erzbistum Hamburg seine Finanzen offengelegt. Das Bistum verfüge über ein Vermögen von rund 35 Millionen Euro, sagte Kirchensprecher Manfred Nielen am Dienstag. Dem stünden Verbindlichkeiten in Gestalt von Kreditaufnahmen in Höhe von etwa 8,2 Millionen Euro gegenüber.
Nielen ergänzte, von den 35 Millionen Euro seien etwa 7,5 Millionen ungebunden. Der Rest liege in Beteiligungen an drei katholischen Krankenhäusern sowie in Rücklagen für insgesamt fünf weitere Einrichtungen. Dazu gehörten zwei Kinder- und Jugendhäuser, ein Studentenheim sowie zwei Altenhilfeeinrichtungen."
Es kann sich hier nur um das Vermögen des bischöflichen Stuhls handeln, nicht um das Vermögen des Erzbistums. Das Vermögen des Erzbistums dürfte mittlerweile bei gut 200 Mio. Euro liegen, das Eigenkapital bei knapp 160 Mio. (Diese Zahlen ergeben sich aus den Geschäftsberichten des Erzbistums Hamburg, wenn man das zuletzt veröffentlichte Eigenkapital von 2010 anhand der Überschüsse fortschreibt und anhand der Eigenkapitalquote von jetzt 77,7% das Gesamtvermögen berechnet.)
Fazit: Die katholische Kirche will nach den skandalösen Enthüllungen aus Limburg nun den Eindruck von Transparenz vermitteln – was ihr in Anbetracht der medialen Berichterstattung auch gelungen ist. Wie üblich dürfte es sich bei den veröffentlichten Zahlen aber wieder einmal nur um Nebelkerzen handeln, die von dem tatsächlichen Vermögen der Kirche eher ablenken.
Statt einfach nur eine Zahl für das Vermögen zu nennen müssten die Bistümer dieses Vermögen auch aufschlüsseln nach Grundstücken, Gebäuden, Finanzanlagen und Beteiligungen, und ihre Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden offenlegen. Ohne zu wissen, wie das kirchliche Vermögen bewertet wurde, sind die jetzt genannten Zahlen nur Blendwerk.
Matthias Krause