Notizen zu Nordkorea (4)

BERLIN. (hpd) Diese Ausgabe beschäftigt sich mit den innerkoreanischen Beziehungen, die einem ständigen Auf und Ab unterliegen. So wurden die geplanten Familientreffen von der nordkoreanischen Seite kurzfristig abgesagt und das Regime übt sich in harscher Rhetorik gegenüber der südkoreanischen Präsidentin Park.

Trotzdem bekräftigt Nordkorea seinen Wunsch nach Wiedervereinigung und schlägt die Gründung einer „Demokratischen Föderativen Republik Koryo“ vor.

Eine Auswahl der weiteren Themen: Testet Nordkorea Chemiewaffen an politischen Gefangenen? Dokumentation „Camp 14“ erscheint in Deutschland. Nordkorea eröffnet Ski-Resort –   ohne Skilifte.

Nationale Verteidigungskommission: Park Geun-hye geistesgestört

Pjöngjangs höchstes Entscheidungsgremium hat als Reaktion auf eine Rede der südkoreanischen Präsidentin Park Geun-hye, in der sie Nordkorea unter anderem aufforderte seine nuklearen Ambitionen zu zügeln, diese ungewöhnlich scharf angegriffen und als "geistesschwach" bezeichnet. "Falls Park und ihre Gesellen unter dem Vorwand, Nordkorea dazu bringen, sich zu ändern und seine Nuklearwaffen abzurüsten, mit Außenstehenden konspirieren, dann werden sie sich ihr eigenes Grab schaufeln", ließ ein Sprecher der Verteidigungskommission am 4. Oktober 2013 verlauten. "Es gibt keinen größeren Deppen und armseligeren Schwachkopf als den, der mit einem atomar bewaffneten Räuber ein Komplott schmiedet und seine eigenen Verwandten drängt, das Messer zuerst zu senken." Nordkorea würde seine Kernwaffen ständig weiterentwickeln, sie seien entscheidend um die USA von einem Atomangriff abzuschrecken, hieß es weiter.

Die Präsidentin hatte in ihrer Rede die Entwicklung von Abwehrwaffen angekündigt, die Nordkoreas Atomstreitmacht nutzlos machen würden.

Am darauffolgenden Tag traf der südkoreanische Verteidigungsminister Kim Kwan-jin mit US Verteidigungssekretär Chuck Hagel zusammen und unterzeichnete ein neues Strategiepapier, das als Antwort auf einen nordkoreanischen Atomtest im Februar gilt, um Maßnahmen gegen die steigende Bedrohung durch nordkoreanische Nuklear- und Chemiewaffen zu ergreifen.

Quellen: Spiegel.de, ORF, South China Morning Post

Berichte: Testet Nordkorea Chemiewaffen an Gefangenen?

Neben Berichten über Vermutungen, dass Nordkorea im Bereich der Chemiewaffen eng mit Syrien zusammenarbeitet und wahrscheinlich solche [Waffen auch an das Assad-Regime geliefert hat, häufen sich auch Berichte darüber, dass Nordkorea seine chemischen Waffen an Gefangenen testet. Ein Flüchtling, der als Wärter im Gefangenenlager 22 gearbeitet hat, berichtet, dass gesunde Gefangene in Glaskammern gebracht wurden, in die dann Gas eingeleitet wurde. Techniker hätten die Wirkung des Gases dann überprüft. "Ich habe beobachtet, wie Stickgas an einer ganzen Familie getestet wurde, die dann in der Gaskammer starb: die Eltern, ein Sohn und eine Tochter. Die Eltern mussten sich übergeben und starben, aber bis zum letzten Moment versuchten sie, ihre Kinder mit Mund-zu-Mund-Beatmung zu retten", berichtet der Flüchtling. Die gut informierte Internetseite 38 North der Johns Hopkins Universität bewertet die vorhandenen Quellen so, dass unter der Berücksichtigung des Wissens über die Behandlung von politischen Gefangenen in der Demokratischen Volksrepublik Korea es wahrscheinlich erscheint, dass zwar auf niedriger Ebene, aber seit langer Zeit tödliche Menschenversuche mit chemischen Stoffen durchgeführt werden.

Familienzusammenführungen abgesagt

Die für den traditionellen südkoreanischen Feiertag Chuseok geplante Zusammenführung getrennter koreanischer Familien zwischen dem 25. und 30. September 2013 ist vier Tage vor dem Termin auf unbestimmte Zeit verschoben worden, meldete KCNA, die staatliche Nachrichtenagentur Nordkoreas.
Pjöngjang macht Seoul allein verantwortlich für seine Entscheidung, die Treffen abzusagen: "Wir verschieben das anstehende Wiedersehen getrennter Familien, bis eine normale Atmosphäre für Gespräche und Verhandlungen geschaffen ist. Solange die Konservativen des Südens die innerkoreanischen Beziehungen feindselig behandeln und schmähen, können humanitäre Fragen wie die der Familienvereinigungen nicht geklärt werden", wurde das nordkoreanische Komitee zur friedlichen Wiedervereinigung zitiert.

Gleichzeitig ließ man über den Onlinedienst des Komitees, Uriminzokkiri, verlauten, die "Trennung des Geistes", die das koreanische Volk derzeit erleide, sei absolut künstlich und von außen erzwungen, insbesondere durch US-imperialistische Manipulationen.

Die Agentur KCNA adressiert eher eine Zielgruppe außerhalb Koreas, wohingegen Uriminzokkiri den Fokus auf eine interkoreanische psychologische Kriegführung legt.

Quellen: Süddeutsche.de, Spiegel.de

Tolerantes Regime: Marihuana-Genuss straffrei

Trotz seiner restriktiven Gesetzgebung und rigoroser Methoden zu deren Durchsetzung ist Nordkorea erstaunlich liberal, wenn es um den Konsum von Cannabis geht: "ip tambae" (zu Deutsch: Blättertabak) gilt nicht als Droge, sondern darf frei angebaut, verkauft und konsumiert werden und wird auch und besonders von Soldaten geschätzt, während Metamphetamin-Händler mit der Verurteilung zum Tod und Metamphetamin-Konsumenten mit hohen Arbeitslagerstrafen rechnen müssen.

Auf den Schwarzmärkten Nordkoreas wird Marihuana gewöhnlich billig verkauft und sei leicht zu bekommen, schreibt Vice-Berichterstatter Ben Tool. Nach einem harten Arbeitstag sei es für den nordkoreanischen Arbeiter üblich, Marihuana zu rauchen um sich zu entspannen und die verkrampften Muskeln zu lockern.

Quellen: huffingtonpost.com, medijuana.eu, vice.com

Kubanische MiG-21 waren einsatzfähig

Die an Bord des Mitte Juli aufgebrachten nordkoreanischen Frachtschiffes "Chong Chon Gang" geschmuggelten Kampfflugzeuge seien flugbereit, heißt es in einer Verlautbarung panamaischer Behörden.

Die unter Zuckersäcken versteckten Flugzeuge und Ersatzteile wären zum Großteil zwar veraltet, 15 Strahltriebwerke und zwei MiG-21-Düsenjäger seien jedoch in exzellentem Zustand, sagte Staatsanwalt Javier Caraballo. Einer der beiden Jets hätte Papiere an Bord, die darauf hinwiesen, dass das Flugzeug nur wenige Monate zuvor noch geflogen sei.

Die 35 Besatzungsmitglieder des Frachters seien derzeit komfortabel in klimatisierten Räumen untergebracht und hätten Zugang zur nordkoreanischen Botschaft auf Kuba. Der panamaische Außenminister Nunez Fabrega berichtete, dass die gesamte Crew es abgelehnt hätte, dass ihre Familien kontaktiert und über ihren Verbleib aufgeklärt werden. "Ihre Familien in Nordkorea müssen denken, dass sie mit dem Schiff gesunken sind", vermutet er. Aber 33 der Seeleute würden demnächst entlassen, weil sie anscheinend nicht wussten, welche Fracht sie transportierten. Der Kapitän und sein Stellvertreter müssen allerdings weiterhin in Panama auf ihr Gerichtsverfahren warten, bei dem sie zu Strafen von bis zu 12 Jahren Gefängnis verurteilt werden könnten.

Da Panamas Regierung aber an guten Beziehungen zu Kuba interessiert ist, geht man davon aus, dass sie in diesem Fall wohl behutsam vorgehen wird.

Die Vereinten Nationen hatten nach den Kernwaffenversuchen 2006, 2009 und 2013 ein Embargo für Waffenlieferungen nach Nordkorea verhängt.

Quellen: upi.com, chicagotribune.com

Nordkorea erwartet gute Getreideernte

Obwohl genaue Zahlen nicht veröffentlicht werden, erwartet Kwon Tae-jin, Vize-Präsident des südkoreanischen Korea Rural Economic Institute (KREI), dass die derzeit laufende Getreideernte dank guter Wetterbedingungen und einer relativ problemlosen Versorgung mit landwirtschaftlichem Gerät einen um über 5 Prozent höheren Ertrag als die Ernte des Vorjahres einbringen und 5 Millionen Tonnen überschreiten werde. Eine andere, chinesische Quelle geht von einer ähnlichen Größenordnung aus und spricht von 5,3 Millionen Tonnen, einer 7,7%-Steigerung gegenüber den 4,92 Millionen Tonnen des letzten Jahres. Dies würde bedeuten, dass mit der diesjährigen Ernte der jährliche, durch das KREI ermittelte Bedarf von 5,4 Millionen Tonnen Getreide annähernd gedeckt werden könnte.

Die Rodong Sinmun („Arbeiterzeitung“), Organ des Zentralkomitees der Partei der Arbeit Koreas, berichtet, dass die Getreideernte in der Provinz Nord-Hwanghae, der Kornkammer Nordkoreas, viel besser verlaufe als erwartet und eine effiziente Verwendung von Dünger die Wurzeln der Pflanzen stärke, so dass sie von Naturkatastrophen weniger beeinflusst würden.

Auch aus der Provinz Ryanggang kommen guten Nachrichten bezüglich der Ernteerträge. Im Kreis Daehongdan wurde verglichen mit letztem Jahr eine mehr als doppelt so große Ration Kartoffeln an die Bevölkerung verteilt. Vor kurzem gab es Irritationen bezüglich der Verteilung, da den Bürgern mitgeteilt wurde, dass nur Lehrer Rationen bekommen würden, aber nicht die Arbeiter. Daraufhin gab es anscheinend Widerstand aus der Bevölkerung, so dass nun neben dieser ungewöhnlich hohen Menge an Kartoffeln auch fermentierte Sojabohnenpaste, eine wichtige Proteinquelle, an die Anwohner verteilt wurde. Diese würden normalerweise nur an das Militär und andere Sicherheitsorgane ausgegeben.  

Nordkorea: Bundesstaaten bestes System bei Wiedervereinigung

Nordkorea bekräftigte seinen Standpunkt, dass ein gegenseitig akzeptierter Föderalismus der einzig gangbare Weg zu einer Wiedervereinigung der beiden Koreas sei, schreibt das Organ des Zentralkomitees der Partei der Arbeit Koreas, Rodong Sinmun. Die Gründung einer "Demokratischen Föderativen Republik Koryo" wurde vom "Ewigen Präsidenten" Kim Il-sung im Oktober 1980 vorgeschlagen, weil so sichergestellt werde, dass Nord und Süd gegenseitig Ideen und soziale Systeme anerkennen und tolerieren und eine Regierung gebildet werden könne, in der die beiden Seiten auf gleicher Augenhöhe und unter Ausübung regionaler Autonomien mit jeweils gleichen Rechten vertreten seien.

Koryo steht dabei für die Gesamtheit Koreas und soll als neutraler Name weder Nord- noch Südkorea bevorzugen, denn die Kurzbezeichnungen der gegenwärtigen Staaten lauten für Nordkorea "Chosŏn" und für Südkorea "Hanguk".

Quelle: Yonhap

"Camp 14 - Total Control Zone" als DVD erschienen

Marc Wieses Dokumentation "Camp 14 - Total Control Zone" berichtet über Shin Dong-hyuk, der als Kind zweier Häftlinge in dem nordkoreanischen Umerziehungslager Camp 14 geboren wurde und aus diesem erst im Alter von 23 Jahren durch Zufall entfliehen kann. Bis dahin muss er mit ständigem Hunger, mit Folterungen und in ständiger Angst vor dem Tod leben und hat keine Vorstellung von der Welt außerhalb des Lagers.

Im Film beschreibt er sehr zögernd, wie er Mutter und Bruder denunziert und emotionslos deren Hinrichtung verfolgt, weil ihm das Konzept einer Familie nie vermittelt wurde. Ergänzt werden seine verstörenden Schilderungen durch Aussagen eines früheren Kommandanten der Wache von Camp 22 und eines ehemaligen Geheimdienstmitarbeiter. Beide leben heute in relativem Wohlstand in Südkorea und geben zu, Morde, Vergewaltigungen und Folterungen begangen zu haben, aber damit straflos davonkamen.

Der Dokumentarfilm ist in Deutschland seit dem 27.8.2013 als DVD erhältlich.

Quellen: theguardian.com, theguardian.com

Zum Kino-Start im November 2012 berichtete der HPD bereits über den Film. Die Rezension finden Sie hier und die HPD-Rezension zum gleichnamigen Buch hier.

Nordkoreas Luxus-Skiresort eröffnet

Am 10. Oktober, dem 68. Geburtstag der Partei der Arbeit Koreas, wurde das Prestige- und Propagandaprojekt des Regimes, das Skigebiet am Masik-Pass, Ergebnis 10-monatiger harter Arbeit und Signal an das Ausland, dass Nordkorea Zivilisation und Kultur besitzt, eröffnet.

Ski-Lifte fehlen allerdings (noch): die internationalen Sanktionen gegen Nordkorea verbieten die Lieferung von Luxusgütern und die Schweizer Regierung untersagte daher die Ausfuhr von Ausrüstungsgegenständen im Wert von 7,7 Millionen US-Dollar. Berichten zufolge hätten Österreichische und Französische Hersteller ebenfalls den Export ihrer Produkte nach Nordkorea verweigert.

"Die Entscheidung ist eine schwere Menschenrechtsverletzung gegen das koreanische Volk", behauptet die nordkoreanische Nachrichtenagentur KCNA. Aber:  "Wir bauen Atomwaffen und Raketen", so der Vorsitzende von Nordkoreas Skiverband Kim Tae-yong. "Wir können auch Skilifte bauen."

Nordkoreanischen Behörden erwarten, dass 5.000 Menschen an 250 Tagen im Jahr das Masik-ryong-Skigebiet besuchen werden. Bei Ticketpreisen um 50 US-Dollar rechnen die Volkskomitees in Kangwon und das Sportministerium Nordkoreas mit Netto-Einnahmen von 62,5 Millionen US-Dollar durch das Skigebiet pro Jahr und damit einem verbleibenden Gewinn von 43,75 Millionen US-Dollar.

Quellen: theguardian.com, Spiegel.de, Süddeutsche.de, NK News

Nordkoreanischer Cyberkrieg kostet Südkorea über eine halbe Milliarde Euro

Ein Vertreter des Verteidigungsministeriums von Südkorea teilte mit, dass die jüngste Welle von Cyber-Angriffen zwischen dem 20. März und dem 25. Juni den Staat 800 Mrd. Won (ca. € 550 Millionen) gekostet hätte, berichtet die britische Zeitung "Guardian". Die zweitschädlichste Attacke sei ein Distributed Denial of Service (DDoS)-Angriff im Jahr 2009 gewesen, der Schäden im Bereich von 50 Milliarden Won (ca. 34 Mio. Euro) verursacht hätte, gefolgt von einem weiteren 10 Milliarden Won (ca. 7 Mio. Euro) teuren DDoS-Angriff im März 2011.

Seit 2010 habe Nordkorea mehr als 6.000 Cyber-Angriffe gegen den Süden geführt, führte der Sprecher aus und erläuterte im Einzelnen, dass in diesem Sommer die Webseite der südkoreanischen Präsidentin nicht mehr aufrufbar gewesen sei und im März dieses Jahres sechs Banken Ziel eines erfolgreichen Angriffs gewesen seien, der 30.000 Computer beeinträchtigt und landesweit finanzielle Dienstleistungen gestört habe. Ergänzend fügte er hinzu, dass Nordkorea 3.000 Cyberkrieger hätte, während Südkorea lediglich 400 aufbieten könne und es sowohl personelle als auch in der Budgetierung ernstliche Engpässe gebe.

Der elektronische Krieg zwischen den beiden Ländern hat in den letzten Jahren ungewöhnliche Wendungen erfahren: Da GPS-Daten nicht in nordkoreanische Hände gelangen sollen, können Firmen wie Google im Süden keine satellitengestützte Navigation anbieten, während Nordkorea nunmehr versucht, südkoreanische Daten eher auszuspähen als sie wie früher zu löschen.

Allerdings gelten die nordkoreanischen Angriffen unter Sicherheitsexperten als "naiv": Die jüngste Sicherheitslücke wurde durch einfaches, kleines Programm verursacht, das Dokumente des von südkoreanischen Beamten benutzten Hangul-Textverarbeitungsprogramms finden und stehlen sollte.

Anonym
(Name der Redaktion bekannt)