"Blutige Romantik"

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Militärhistorisches Museum Dresden, Fotos: © Elke Schäfer

DRESDEN. (hpd) Dieser in sich scheinbar widersprüchliche Titel einer Ausstellung im Militärhistorischen Museum in Dresden soll verdeutlichen, dass die Romantik, die am Ende des 18. Jhd. entstand, sich zu Anfang des neuen Jahrhunderts wandelte.

Verursacht durch die Französische Revolution, Napoleons Vorherrschaft sowie die Zerschlagung des Heiligen Römischen Reiches führte es zur Ausrichtung der Romantiker auf Nationalismus und es keimte der Völkerhass auf. Die Ausstellung beleuchtet die Frage, inwieweit und ob die Romantiker zum Sieg über Napoleon beigetragen haben.

Unter Romantik stellte ich mir bisher nur schöne und angenehme Dinge vor, wie zum Beispiel einen Sonnenuntergang, lange Sandstrände am ruhigen blauen Meer, eine sonnendurchflutete Waldlichtung oder ein gemütliches Essen zu zweit bei Kerzenschein, Musik am Kamin usw. Doch es gibt auch eine andere Seite, die die Romantiker des beginnenden 19. Jahrhunderts hervorbrachten. Und da geht es vor allem um viel Blut und Rache, um die Zerschlagung der Gegner des Deutschen Reiches. In den Gedichten von Körner und den Reden Fichtes wird dies ganz drastisch gefordert und zur Vernichtung und Mord aufgerufen.

In Körners "Lied von der Rache" heißt es ganz deutlich "...sühnt Blut mit Blut! Was Waffen trägt, schlagt nieder! 's ist alles Schurkenbrut! Denkt unsres Schwurs, denkt der verratnen Brüder und sauft euch satt an Blut! ..." Unverhohlen ruft er zum erbarmungslosen Vernichtungsschlag gegen die Franzosen auf und verachtet Mitleid als Gefühl der Schwäche.

Auch andere romantische Dichter wie Max Schenckendorf, Joseph von Eichendorf und Friedrich Rückert dichteten Kriegslieder, die offen zum Kampf mobilisieren sollten. In vielen Gedichten wird der nationale Bruderbund beschworen, der wehrhafte und todesbereite Männer vereinigen sollte. Die nationale Publizistik gewann nach 1813 einen starken Aufschwung. Preußischer Patriotismus verband sich mit deutschem Nationalismus. Unter den Publizisten war Ernst Moritz Arndt mit seinen gesamtdeutsch ausgerichteten Schriften besonders einflussreich. Seine Schriften, wie auch z. B. sein Lied "Des Deutschen Vaterland", erreichten mit teilweise riesigen Auflagen eine Verbreitung bis in die ungebildete Bevölkerung hinein. Bereits dort wurde der Franzose als Erbfeind bezeichnet. Haben diese Schriften oder die Reden Fichtes die Menschen so sehr beeinflusst, dass sie letztlich den Sieg über Napoleon errangen? Für die Patrioten war es ein Krieg der Nationen und vor allem eine Erhebung der Deutschen. Aber war es das wirklich? Von den Protagonisten der Romantik wurde diese Legende zum Leitmotiv der Wahrnehmung der Befreiungskriege gemacht.

Historischer Hintergrund

Dichter wie Ernst Moritz Arndt, Friedrich Ludwig "Turnvater" Jahn oder Johann Gottlieb Fichte waren als "Agitatoren" bedeutend für die "blutige Romantik". Mit fanatischen Reden gegen alles Französische, Deutschtümelei bei Fichte mit "Urvolk" und "Ursprache" und martialischen Gemeinschaftsfantasien bei Jahn heizten sie den Haß gegen die Besatzer an. Die Wirkung ihrer Propaganda kann man natürlich nicht eindeutig messen, aber nachweislich beeinflusste Arndt den preußischen König, sich Ende 1812 gegen Frankreich zu stellen. Als Sekretär des Reformers Freiherr vom Stein hatte er zumindest einflussreiche Möglichkeiten. Nach 1813 bildete sich nach Napoleons Niederlage im Russlandfeldzug von 1812 eine Koalition, die von Russland und Preußen getragen wurde. Später schlossen sich Österreich und andere Staaten an. Der anfänglich mit ideologischen Untertönen geführte Volkskrieg wurde insbesondere von Metternich in einen Krieg der Regierungen zur Wiederherstellung eines Gleichgewichts der alten Mächte umgewandelt.

Während der Befreiungskriege bildeten sich Erscheinungsweisen des deutschen Nationalismus heraus, die Grundlage auch für den späteren Nationalsozialismus bildete. Dies gilt insbesondere für den kulturellen Nationalismus, der die gemeinsame Geschichte, Sprache und Literatur hervorhebt. Teilweise war dieses nationale Bewusstsein mit religiösen Assoziationen verbunden.

Der Sieg über Napoleon war jedoch nur möglich, weil man von den modernen Ideen und Techniken aus Frankreich lernte: Massenmobilisierung, "Volkskrieg", nationale Identifikation. Am Ende triumphierte mit ihrer Hilfe aber wieder die Monarchie, nicht die romantischen Nationalisten. Nach Napoleons Untergang, 1815, begann die Epoche der Restauration. Es gab kein einig Vaterland. Für den Sieg in der Völkerschlacht, war die "blutige Romantik" kaum entscheidend. Freikorps wie die Lützower Jäger, denen auch der Dichter Theodor Körner angehörte, spielten, das macht die Ausstellung deutlich, militärisch keine Rolle. Eine Koalitionsarmee aus Preußen, Russland, Großbritannien, Schweden, sowie Spanien und Portugal und kein Heer deutscher Freiwilliger, schlug die französische Armee. Erst im Nachhinein wurde die internationale Völkerschlacht zum nationalen Befreiungsschlag stilisiert.

Was die Ausstellung zeigt

In den vielen Vitrinen werden über 500 Zeitdokumente gezeigt, auf Eichenlaub "gebettet", die Auskunft über die verschiedenen Stationen der Befreiungskriege geben. Als Besucher wird man über eine auf dem Fußboden markierte Zeittafel mit der Auflistung der Kampfstationen und dem Vermerk der Anzahl der Verwundeten und Toten geführt. Es ist das Abschreiten einer sehr langen Gedenktafel für die Hunderttausenden Toten, die fürs "Vaterland" gefallen sind. Von Historikern geschätzt, starben etwa fünf Millionen Menschen in den Kriegen der Jahre 1792 bis 1815 (vom ersten Feldzug des revolutionären Frankreichs bis zur Niederlage Napoleons bei Waterloo). In diese reichlich 20 Jahre Krieg fällt genau die Epoche der Romantik. Auch insofern war sie eine blutige Zeit.

Das Museumsplakat zeigt ein blutbespritztes Eichenblatt. Aber was bedeutet es? Tod und Zerstörung des Traumes vom "teutschen Vaterland" oder ist es im Sinne der ewig gestrigen national Gesinnten gemeint, dass hier das Eichenblatt blutet, von einer Kugel durchschossen? Dieses Thema ruft natürlich auch immer mal wieder die ideologischen "Geisterfahrer" auf den Plan. Die Träumer "nationaler Größe" werden hier auch wieder fündig: etwa in Fichtes oft unverstandenenen "Reden an die Deutsche Nation", in der "deutsche Tiefe" und "deutsches Wesen" beschworen und die Reinigung des homogenen "Volks der lebendigen Sprache" von undeutschen Elementen gefordert werden.

Unstrittig ist, dass die Weltanschauung der Nazis ihre ideologiegeschichtlichen Grundlagen in ebensolchen Schriften von Arndt, Fichte und Jahn gesucht hat und es psychologisch verstanden hat, diese nahezu allseits bekannten Schriften für sich zu vereinnahmen.

Das Bild der nationalen Befreiungsschlacht prägt bis heute die Erinnerung. Die Dresdner Ausstellung stellt diesem Mythos nüchtern Fakten und Relikte entgegen. Das kalte Licht in der Ausstellung macht den Schrecken der Zeit deutlich und steht scheinbar im Widerspruch zu den großformatigen, opulenten romantischen Gemälden von Kesting und C. D. Friedrich.