Kirchenbau boomte in der Nazi-Zeit

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"Dass wir unsere Kirche erneuern, verdanken wir dem Führer!"

BERLIN. (hpd) In der Nazi-Zeit entstanden über 600 neue Kirchen, Dutzende wurden im "Heimatschutz"-Stil der Nazis umgebaut. Eine Ausstellung in der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin zeigt, wie Kirchenbauten und antisemitische Darstellungen zur Propagandamaschine gehörten.

Wer sich schon mal über einen athletisch gebauten, blonden Jesus in monumentaler Heldenpose gewundert hat, erhält in der Ausstellung "... aus dem Geist unserer Zeit: Berliner Kirchenbauten im Nationalsozialismus" Antworten. In der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin zeigen Beate Rossié, Stefanie Endlich und Monica Geyler-von Bernus ihre Forschungsergebnisse zur sogenannten "gegenwartsnahen Wiederbelebung" der Kirchenbauten und Einrichtungen.

"Völkisch" sollten die Darstellungen auf den Kirchenfenstern werden und zeigten offen antisemitische Figuren mit Kaftan und Hakennase in angeblich biblischen Szenen. So monumental wie die damaligen Prunkbauten der Nazis gerieten auch die Kirchenbauten, hatte man doch genug von den "Schandmalen" und dem "Verfall der Baukunst" in der "verhängnisvollen" Gründerzeit oder gar der Moderne aus der Weimarer Zeit. Die Stationen der Ausstellung belegen anhand Berliner Großkirchen ebenso wie an Dorfkirchen im Brandenburgischen, wie sich Neoromantik mit Sakralem vermischte.

Orgeln wurden von den Nationalsozialisten zu "symbolischen Instrumenten der Gemeinschaft" ernannt und deren Erweiterung und Restaurierung entsprechend gefördert. Dass dann bei den von Nazi-Größen feierlich begangenen Einweihungsfeierlichkeiten natürlich auch die Geistlichen zum Führergruß stramm standen und Hakenkreuzfahnen aufgehängt wurden, dokumentieren die zahlreichen Fotos der Ausstellung eindrücklich.

Die Kirchen nahmen die "Geschenke" des Propagandaministeriums in großer Zahl an und wurden somit zum zweitgrößten Bauherren in der NS-Zeit. Wie man sich das Verhältnis der Kirchen zum Nazi-Regime vorzustellen hat, stellt die Ausstellung kompakt dar. Gleich zur Einführung wird der Mythos vom kirchlichen Widerstand widerlegt. So werden Dietrich Bonhoeffer und Martin Niemöller und einige andere Protagonisten würdigend genannt, aber als das, was sie sachlich richtig waren: nämlich als Ausnahmen.

Foto: Stefanie Endlich

Die Ausstellung zur Geschichte in Berlin und im Umland ist noch bis zum 20. Januar in der GDW zu sehen. In ganz Deutschland kann man noch zahlreich exisierende, eher an mittelalterliche Wehrburgen erinnernde Kirchenbauten bestaunen. Hierzu veröffentlichten die Ausstellungsmacherinnen Stefanie Endlich, Monica Geyler-von Bernus und Beate Rossié bereits 2008 das Buch "Christenkreuz und Hakenkreuz" im Monopol Verlag.

In der Beschreibung heißt es: "Zeigte sich nationalsozialistische Ideologie auch in Kirchenarchitektur und kirchlicher Kunst? Wie anfällig waren die Gemeinden beider Konfessionen für Volksgemeinschafts-Propaganda, Rassismus und Totenkult? (…) Mehr als eintausend Kirchenneubauten, Umgestaltungen und neue Gemeindehäuser aus den Jahren 1933 bis 1944 widerlegen die verbreitete Ansicht, Kirchenbau und Kirchenkunst seien in der NS-Zeit nahezu zum Erliegen gekommen. Architektur-Ansätze jener Zeit propagierten die Rückkehr zum mittelalterlichen Bauen oder beschworen die völkische 'Blut und Boden'-Ideologie. Beispiele der Kirchenkunst zeigen, wie christliche Motive nationalsozialistisch umgedeutet wurden, NS-Propaganda in den kirchlichen Bereich eindrang und nationalsozialistische Symbole und Figuren den Altarraum prägten."

Corinna Gekeler

"...aus dem Geist unserer Zeit: Berliner Kirchenbauten im Nationalsozialismus" bis 20.01.2014 in der Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Stauffenbergstraße 13-14 in Berlin.