"Blutige Romantik"

Erstmals in der Geschichte zogen so riesige Heere gegeneinander in den Krieg. In die Leipziger Völkerschlacht zogen rund eine halbe Million Soldaten, auf der einen Seite die Truppen Preußens, Österreichs, Russlands und Schwedens, auf der anderen die französischen Streitkräfte. Rund 100.000 von ihnen fielen in den vier Tage währenden Kämpfen. Am 19. Oktober 1813 war Deutschland von der französischen "Fremdherrschaft" befreit und Leipzig glich einem Leichenhaus.

Für mich ist es angesichts dieser großen Anzahl von Opfern immer unverständlich, wie man die Nachstellung dieser historischen Ereignisse in der Neuzeit mit volksfestähnlichem, freudigem Enthusiasmus betreiben kann. Wie auch dieses Jahr wieder in Leipzig ein riesiges Spektakel veranstaltet wurde. Muss man tatsächlich dieses Gemetzel nachstellen, um eine Vorstellung von diesem Krieg zu bekommen? Krieg ist Krieg und kein Volksfest. Die Ausstellung zeigt auch, dass diese Nachstellung historischer Szenen bereits in den 70er bis 80er Jahren begann, auf beiden Seiten Deutschlands.

Was sie nicht zeigt

Die Ausstellung stellt viele, auch kuriose, Fundstücke (Säbel, Fahnen, Uniformen, Schriftstücke) der Völkerschlacht nebeneinander - auch neben großformatige Bilder der romantischen Maler Gerorg Friedrich Kesting, Caspar David Friedrichs und Schinkel, die den Mythos des Nationalstolzes und des Kampfes fürs Vaterland aufrecht erhalten sollten. Die Wertung der Wechselwirkungen zwischen Romantik und Politik bleibt dabei offen. Jeder kann sich sein eigenes Bild dieser Zeit schaffen. Auf erläuternde Texte wird leider weitestgehend verzichtet. Doch besonders das wäre wichtig für die Besucher, die sich bisher nicht so intensiv mit dieser Zeit auseinandergesetzt haben. Es bleibt eine schöne Schau der Fundstücke und bietet zumindest in der Ausstellung (im dazu erschienenen hervorragenden Katalogband schon eher) keine Auseinandersetzung mit dieser Epoche.

Es wäre interessant gewesen, zu bestimmen, wo schwelgerische Innerlichkeit in Lust an Gewalt umschlug, wo das romantische Individuum Sehnsucht nach Uniform und Armee bekam, wo die Dichter und Maler der Drang nach Rache und Vernichtung befiel. Die Antwort der Ausstellung ist nur auf die Person Napoleons bezogen, der das Gegenteil zur Aufklärung provozierte: die Rückbesinnung auf das Alte und Verlorene, das Mittelalter, die deutsche Kultur, das deutsche Wesen.

In der Ausstellung wird leider wenig klar über die eigentliche Geschichte der Romantik und wie sie später von der braunen Gesinnung ausgenutzt und benutzt werden konnte. Am Ende bleibt es eine Ausstellung über die Völkerschlacht von 1813. Eine kritische Auseinandersetzung mit Ernst Moritz Arndt und seinem Völkerhass erfolgt nicht und es kommen auch keine zeitgenössischen Kritiker zu Wort, wie etwa der jüdische Publizist Saul Ascher, der die "Germanomanen" scharf und voller Vorahnung aufs Korn nahm.

Es ist dennoch eine sehenswerte Ausstellung über die Völkerschlacht 1813, die noch bis Februar 2014 gezeigt wird.

Elke Schäfer