Belgien ebnet Weg zu Sterbehilfe für Kinder

BERLIN. (hpd) Der Senatsausschuss für Justiz und Soziales in Belgien hat am 27. November 2013 dafür gestimmt, in schwerwiegenden Fällen die Sterbehilfe auch für Minderjährige zuzulassen. Damit spricht sich eine Mehrheit der Parteien aus Regierung und Opposition für eine Neuregelung aus.

Seit September 2002 ist in Belgien das "Gesetz bezüglich der Euthanasie" (loi de l'euthanasie) in Kraft, das Ärzten unter bestimmten Voraussetzungen den ärztlich assistierten Suizid erlaubt. Das Gesetz nennt Voraussetzungen für die Freitodbegleitung als Sterbehilfe, eine Kontrollkommission überwacht die Einhaltung der Bestimmungen. Unter bestimmten Umständen ist auch eine „aktive Sterbehilfe“, die eine „Tötung auf Verlangen“ meint, gestattet. Aus deutscher Sicht geht unser Nachbarland da sehr weit, ähnlich wie die Niederlande.

Interessant und wichtig sind die drei Konditionen, unter denen die Sterbehilfe für Kinder, besser gesagt: Jugendliche, eventuell betreut von einem Ärzteteam möglich wäre: psychologische Begutachtung der Zurechnungsfähigkeit des Minderjährigen, das Vorliegen eines aussichtslosen Leidens in der Endphase und das Einverständnis der Eltern. Bemerkenswert ist auch, dass die Vorlage mit 13 gegen 4 Stimmen angenommen wurde, also mit einer eindeutigen Mehrheit.

Die Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS), Elke Baezner sagt dazu: "Das ist alles andere als leichtfertig und geht allein von der Absicht aus, schwerstkranken, schwerst leidenden Kindern legal zu helfen, nachdem unter dem Teppich ohnehin in Belgien wie sonstwo, auch bei uns, geholfen wird. Auch hier dient ein gesetzlicher Rahmen v.a. dazu, Missbrauch zu verhindern, eigene heimliche Initiativen, vielleicht aus zu großer Emotion oder andern Motiven heraus, zu vermeiden und klare Grenzen zu schaffen. Zum Schutz des jungen Menschen und seiner Familie, nicht um Tür und Tor zu öffnen für Wertungen menschlichen Lebens."

Dass demnächst auch die aktive Sterbehilfe für Minderjährige möglich sein soll, befremdet uns Deutsche auf den ersten Blick. Tun wir uns doch bereits mit dem ärztlich assistierten Suizid in der gesamtgesellschaftlichen Debatte in Deutschland schwer. Nur zu gern wird diese Möglichkeit, dem Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen auch im Sterben zur Durchsetzung zu verhelfen, als "aktive Sterbehilfe" verbrämt.

So versucht die Bundesärztekammer ihren Mitgliedern die Suizidbeihilfe zu verbieten und baut ein Drohszenario vom möglichen Approbationsentzug auf. In der deutschen Ärzteschaft herrscht deshalb starke Verunsicherung. Die wenigsten Ärzte wissen, dass ihnen berufs- und strafrechtlich kaum etwas passieren kann. Wichtig ist sicherzustellen, dass der Patient nicht psychisch erkrankt ist und demnach nicht entscheidungsfähig, sondern bei voller Entscheidungsfreiheit.

Die DGHS setzt sich seit ihrer Gründung im Jahr 1980 dafür ein, dass in Deutschland klare gesetzliche Regelungen für Sterbehilfe und –begleitung geschaffen werden. Die in unseren Nachbarländern gemachten Erfahrungen, sei es in den Benelux-Staaten oder einzelnen US-Staaten wie Oregon, Washington, Montana und in Vermont zeigen, dass es keinen "slippery slope" gibt. Eher verleiht eine klare gesetzliche Grundlage nicht nur dem einzelnen Arzt, sondern vor allem dem Patienten die Gewissheit und das Vertrauen, dass er in seinem Heimatland bis zuletzt in Würde leben und dann auch sterben darf.

In Deutschland müssen wir die Diskussion in der Politik endlich führen, wie wir mit der Wahrung des Selbstbestimmungsrechts am Lebensende umgehen wollen.

Ärzte müssen klar wissen, an welche Kriterien sie sich bei einer Hilfe im Sterben zu halten haben. Ob sie diese letztlich mit ihrem Gewissen vereinbaren können, bleibt ihnen überlassen. Die Freitodbegleitung sollte bei wohlüberlegtem Sterbewunsch möglich sein, eine Lockerung des Verbots der "Tötung auf Verlangen" ist in Deutschland in weiter Ferne. Für Volljährige - und für Minderjährige erst recht.

Wega Wetzel M.A.
Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) e.V.