Verein für genitale Selbstbestimmung gegründet

MAINZ. (hpd) Pünktlich zum Jahrestag des "Beschneidungsgesetzes" vom 12.12.2012 geht in Mainz der Verein "intaktiv e.V. – eine Stimme für genitale Selbstbestimmung" in die Öffentlichkeit und nimmt seine Arbeit auf.

In einer Presseerklärung des kürzlich gegründeten gemeinnützigen Vereins heißt es: "Mit den neuen Gesetzen zur sogenannten Jungenbeschneidung, zur geschlechtlichen Identität von intersexuellen Menschen und zur weiblichen Genitalverstümmelung rückt das Thema von Eingriffen an den Genitalien Minderjähriger immer mehr in den gesellschaftlichen Fokus."

Auf diesem Gebiet der Menschenrechte Minderjähriger gibt es positive, aber auch negative Entwicklungen, die intaktiv in´s Visier nimmt.

Der Verein verweist auf wichtige gesetzliche Entscheidungen in den letzten 12 Monaten: die Einführung eines dritten (neutralen) Geschlechts neben dem männlichen und weiblichen im Personenstandsgesetz im Mai 2013 und die Verabschiedung eines § 226a Strafgesetzbuch im Juli 2013, mit dem ein eigener Straftatbestand für die Verstümmelung weiblicher Genitalien (mit einem erhöhten Strafmaß und längerer Verjährungsfrist) geschaffen wurde, aber auch das am 12.12. letzten Jahres vom Bundestag verabschiedete sog. Beschneidungsgesetz, das den Eltern das Recht gibt, über die "Beschneidung" ihrer minderjährigen Söhne zu entscheiden. Hintergrund dieses Gesetzes war, religiöse "Beschneidungen" in Deutschland weiterhin zuzulassen.

Der Verein kritisiert eine Ungleichbehandlung von Mädchen und Jungen: "Fragen der genitalen Unversehrtheit und Selbstbestimmung über den eigenen Körper rücken also mehr und mehr in den gesellschaftlichen Fokus. Im Rahmen der erhöhten Aufmerksamkeit fällt allerdings eine Ungleichbehandlung der Geschlechter auf: Während Mädchen verstärkt geschützt werden und Intersexuelle einen ersten Fortschritt begrüßen können, wurden Jungen wesentlich schlechter gestellt, indem eine Verletzung ihrer körperlichen Unversehrtheit ausdrücklich erlaubt wurde." Gefordert wird konsequent ein Recht auf genitale Selbstbestimmung ohne Ansehen des Geschlechts. Eine geschlechtsspezifische Diskriminierung, wie sich im "Beschneidungsgesetz" manifestiert, lehnt intactiv unter Hinweis auf Menschen- und Grundrechte, die auch Kindern zustehen, ab.

Viola Schäfer vom intaktiv-Vorstand äußert sich im Gespräch mit dem hpd zur Vereinsgründung und zu den Vereinszielen:

Viola Schäfer: intaktiv setzt sich als gemeinnütziger e.V. für das Recht aller Kinder auf genitale Unversehrtheit ein, durch das die spätere genitale und sexuelle Selbstbestimmung Erwachsener erst möglich wird. Der Verein wendet sich somit konsequent gegen medizinisch ungerechtfertigte Operationen an den Genitalien männlicher, weiblicher und intersexueller Kinder und Jugendlicher.
 

hpd: Welche Position hat intaktiv zur Vorhautentfernung bei Jungen, zum Gesetz vom 12.12.2012?

In der Legalisierung der Vorhautamputation (sogenannte Beschneidung) von Jungen besteht ein Verstoß gegen die Menschenrechte, die von Deutschland unterzeichnete UN-Kinderrechtskonvention und gegen die Verfassung der Bundesrepublik. Hinzu kommt eine weit verbreitete Bagatellisierung und Unwissenheit, wenn es um die Bedeutung und Folgen von Jungenbeschneidung geht. intaktiv möchte diesem Missstand durch Aufklärung und uneingeschränkte Solidarität mit den durch den § 1631d praktisch rechtlos gestellten Jungen entgegenwirken.
 

Werden Sie auch Betroffenen ein Forum bieten?

Auch Beschneidungsbetroffenen möchte intaktiv Mut machen, über ihre Situation ohne Angst vor Unverständnis und Verharmlosung zu sprechen und ihnen ein Forum zur Veröffentlichung ihrer Berichte bieten. Die genaue Beschreibung der Positionen und Ziele des Vereins ist dem Positionspapier von intaktiv zu entnehmen.
 

Ist die Idee einer Vereinsgründung erst jetzt aktuell entstanden?

intaktiv entstand in monatelanger Vorbereitung durch seine aktiven Mitglieder und ist seit dem 12. November 2013 ein eingetragener Verein.
 

Wo erhält man Informationen über Ziele und Initiativen von intaktiv e.V.?

Es gibt bereits eine Webseite mit Informationen zum Verein und der Möglichkeit, einen Antrag auf Fördermitgliedschaft zu stellen. Die Webseite wird in den kommenden Wochen und auch zukünftig kontinuierlich erweitert.
 

Sie gehen heute mit der Webseite online; wie wollen Sie in der Öffentlichkeit auf sich aufmerksam machen?

intaktiv macht seine Gründung mit einer Pressemitteilung öffentlich, die auch an Verbände und Organisationen verteilt wird, um Kooperationspartner für ein gemeinsames Eintreten für das Recht auf intakte Genitalien aller Kinder zu finden.
 

Frau Schäfer, der hpd wünscht Ihnen und intaktiv gutes Gelingen bei Ihrer wichtigen Arbeit für die Menschenrechte von Jungen und Mädchen.

In der Presserklärung von heute weist intaktiv weiter darauf hin, dass Kinder und Jugendliche, die die Tragweite eines Genitaleingriffs noch nicht nachvollziehen können und unter starkem Druck aus ihrem sozialen und familiären Umfeld stehen, des besonderen Schutzes bedürfen. Auf diesem Gebiet will intactiv tätig werden.

In erster Linie soll Aufklärung betrieben, sollen Betroffene unterstützt und zum Bearbeiten ihres Leides ermutigt werden. Dies soll in Zusammenarbeit mit unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen geschehen, wobei intaktiv hervorhebt: "... dass (der Verein) sich nicht gegen Religionen wendet, sondern mit Menschen aller Kulturen und Religionen zusammenarbeiten will, um einen Wandel der gegen das Prinzip der genitalen Selbstbestimmung verstoßenden Prinzipien herbeizuführen."
 

Die Vereinsgründung: eine gute unterstützenswerte Initiative zur rechten Zeit.

Walter Otte

Positionspapier von intaktiv e.V.