Diplomat: “Wir haben keine Arbeitslager – wir haben Erziehungsorte”
Auch die nordkoreanische Botschaft in Berlin erfüllte den Auftrag aus Pjöngjang, Kontakt zur Presse aufzunehmen. Es ist ihr aber vermutlich nicht leichtgefallen, ein Medium zu finden, das sich auf ihre Vorbedingungen einließ. So war das “Interview” (Fragen mussten vorher eingereicht werden, die Begriffe “isoliertes Land” und “Diktatur” durften nicht vorkommen) mit dem Botschafter Ri Si Hong, das von der Saarbrücker Zeitung veröffentlicht wurde, auch nicht besonders aussagekräftig.
Ri, der vor diesem Presseauftritt nur einmal in Erscheinung trat, als er beim Schwarzangeln an der Berliner Havel erwischt wurde, wurde auch noch die Gelegenheit gegeben, für Finanzinvestitionen in Nordkorea zu werben.
Weitaus spannender war das Interview von Sky News mit dem Botschafter Hyun Hak Bong in London, weil dort neben der Erklärung der NDC auch weitere Themen angesprochen wurden.
So fragte der Journalist Alistar Bunkall den Botschafter, ob es denn Arbeitslager in Nordkorea gebe. In seiner Antwort gab Hyun die Existenz politischer Gefangener zu, die an bestimmten Orten festgehalten werden: “Die Leute, die das Falsche gegenüber der Regierung machen, müssen bestraft werden, aber wir haben keine Arbeitslager. Tatsächlich haben wir Erziehungslager. Ehm, nicht Lager, Erziehungsorte. Aber […] die westliche Welt sagt, dass wir Arbeitslager haben, aber das stimmt nicht.”
Wenig später versprach er sich offensichtlich, als er sagte, dass Kenneth Bae, ein US-Amerikaner, der seit November 2012 in Nordkorea festgehalten wird, zu fünfzehn Jahren “hard labour” (schwerer Arbeit) verurteilt wurde, woraufhin Bunkall natürlich sofort einwarf, dass diese Arbeit wohl in einem Arbeitslager verrichtet werden müsse. Nein, wie soll das denn gehen? Nordkorea habe doch gar keine Arbeitslager, war die wenig überzeugende Antwort des Diplomaten. Und so hart sei die Arbeit wahrscheinlich auch gar nicht.
Als nach der Exekution von Kim Jong Uns Onkel Jang Song Thaek gefragt wurde, wiederholte er ausführlich die Verbrechen, die Jang zur Last gelegt wurden. Er betonte, dass das Verfahren den Gesetzen Nordkoreas entsprechend durchgeführt wurde. Da sich durch die Medien das Gerücht verbreitet hatte, Jang sei von einer Meute ausgehungerter Hunden getötet worden, wurde er auch danach befragt, was er aber lachend abtat: Jang Song Thaek sei natürlich erschossen worden. Interessant wurde es, als nach der Familie von Jang gefragt wurde. Er versuchte der Frage auszuweichen, sprach von Propaganda durch südkoreanische und japanische Medien, gab aber am Ende doch zu, er wisse nicht, ob Jangs Familie auch bestraft wurde.
Säuberungswelle setzt sich fort
Dass der nordkoreanische Botschafter in London die Bestrafung von Jang Song Thaeks Familie nicht dementiert hat, kann als Zeichen für die Glaubwürdigkeit entsprechender Gerüchte aus Südkorea gewertet werden. In dem Abschlussbericht der UN-Kommission sagten mehrere Zeugen aus, dass in Nordkorea die Familie eines Menschen, dem schwere Verbrechen zur Last gelegt werden, bis in die dritte Generation bestraft oder sogar “ausgelöscht” werden, was auf eine Instruktion zurückgeht, die Kim Il Sung, dem Großvater Kim Jong Uns, zugeschrieben wird. Aus „zahlreichen Quellen“ sei nun zu vernehmen, dass alle direkten Verwandten Jangs hingerichtet wurden. Darunter seien auch Kinder gewesen. Betroffen seien unter anderen die Kinder und Enkelkinder zweier Brüder Jangs.
Einige von Jangs Angehörigen seien erschossen worden, als sie sich der Festnahme widersetzten. Die Botschafter in Kuba und Malaysia, Schwager und Neffe Jangs, kehrten im Dezember von ihren Posten zurück nach Pjöngjang und sollen exekutiert worden sein. Andere angeheiratete Verwandte seien in abgelegene Dörfer zwangsumgesiedelt worden. Von unabhängigen Quellen oder von nordkoreanischer Seite konnten die Berichte nicht bestätigt werden. Auch das Schicksal von Jangs Witwe und leiblicher Tante Kim Jong Uns, Kim Kyong Hui, bleibt unklar.
Im Militär sollen sich ebenfalls Säuberungswellen vollziehen. Einheiten, die enge Verbindungen zu Jang hatten, sollen aufgelöst und die Kommandierenden hingerichtet worden sein. Vergangene Woche wurde zusätzlich bekannt, dass sich Säuberungen auch in der Unterhaltungsindustrie fortsetzen. Etwa vierzig Personen sollen in das Lager Nummer 25 nahe der Stadt Chongjin im Nordosten des Landes deportiert worden sein, das als Lager für hochrangige Gefangene gilt. Darunter befinden sich Ryu Jin A, ein Mitglied der Moranbong-Band, und Ri Ik Sung, der bei der nordkoreanisch-britisch-belgischen Co-Produktion “Comrade Kim Goes Flying” mitgespielt hat, die vergangenen Montag im Babylon-Kino in Berlin im Rahmen einer nordkoreanischen Filmwoche gezeigt wurde.
Kurzmeldungen
Daily NK berichtete letzte Woche, dass nordkoreanische Grenzsoldaten angewiesen wurde, diejenigen zu erschießen, die versuchen, über den Tumen-Fluss nach China zu gelangen. Die Grenze soll durch die neuen Maßnahmen total blockiert sein, was nicht nur potentielle Flüchtlinge, sondern auch Schmuggler davon abhält, China zu erreichen. In der Bevölkerung der Region mehren sich kritische Stimmen, manche sollen sogar gesagt haben: „Es wäre besser, wenn ein Krieg ausbräche.“ Diese Aussage wurzelt in der schweren Hungerkatastrophe Ende der 1990er Jahre und spielt darauf an, dass ein Krieg, vor dem die Propaganda fast pausenlos warnt, als geringeres Übel betrachtet wird als die für die Bevölkerung kaum tragbaren Lebensumstände in Nordkorea.
Das Massengymnastik-Spektakel “Arirang” mit bis zu 100.000 Teilnehmern wird dieses Jahr nicht stattfinden, wie Koryotours meldet. Für Pjöngjanger Schüler ist das eine sehr gute Nachricht, denn das monatelange intensive Training stellt für die mitwirkenden Kinder und Jugendlichen eine sehr starke gesundheitliche Belastung dar. Die Pause wird aber wahrscheinlich nicht lange andauern, denn die Massenspiele sollen künftig nur noch in Jahren mit runden Jubiläen stattfinden – was schon auf das Jahr 2015 zutreffen würde, in dem sich die Befreiung von der japanischen Kolonialherrschaft und die Gründung der Partei der Arbeit Koreas zum siebzigsten Mal jähren.
Einem US-amerikanischen Professorenpaar, das an der Pyongyang University of Science and Technology gelehrt hat, wurde das Visum für das neue Semester verweigert. Frau Prof. Moynihan vermutet, dass die Entscheidung etwas mit ihrem Lehrstil und -inhalt zu tun haben könnte. Sie habe in einer Stunde den Studenten die Verfassung Nordkoreas gegeben und sie bewerten lassen, ob diese im Alltag auch umgesetzt werde. Außerdem habe sie ihre Studenten dazu angehalten, die Aussagen der Professoren kritisch zu hinterfragen.
SARAM e.V.i.G.
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