Sind Religiöse fröhlicher als Atheisten?

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Foto: Rhett A. Butler (mongabay.com)

USA. (hpd) Eine neue Studie der University of Illinois zeigt, dass religiöse Menschen fröhlicher sind als Atheisten. Für die Untersuchung haben die drei Autoren einen ungewöhnlichen Zugang gewählt, der übliche Fehlerquellen ausschalten soll. Uneingeschränkt positiv für Religionen fällt das Ergebnis freilich nicht aus.

 

Die Schlagzeile mag das sein, was sich religiöse Lobbyisten erträumen. Religiöse sind fröhlicher als Atheisten, zeigt eine Untersuchung der Sozialpsychologen Ryan Ritter, Jesse Lee Preston und Ivan Hernandez der University of Illinois. Eine Untersuchung, die sich auf umfangreiches und ungewöhnliches Datenmaterial stützt.

"Happy Tweets" heißt das Papier und das ist kein Zufall. Die Psychologen haben zwei Millionen englischsprachiger Einträge von mehr als 16.000 Benutzern der Mikroblogging-Plattform Twitter nach einem ausgefeilten System von Schlüsselwörtern analysiert. Methodisch streng getrennt nach Menschen, die prominenten religiösen Menschen wie Papst Jose Mario Bergoglio oder bekannten Atheisten wie Richard Dawkins folgen.

Religiöse fröhlicher, Atheisten analytischer

Nach der Analyse verwenden Religiöse merkbar häufiger positiv besetzte emotionale Worte, die Glück ausdrücken als es Atheisten tun. Und sie nehmen häufiger Bezug auf soziale Strukturen wie die Familie, den Freundeskreis oder die religiöse Gemeinde. Atheisten haben etwas häufiger negative Emotionen ausgedrückt und verwenden deutlich häufiger analytische Sprache. Etwa "denken" oder "vermuten" statt "wissen" oder "glauben".

Übliche Fehlerquellen vermieden

Mit dem Ansatz haben die Forscher versucht, gängige Fehlerquellen bei einschlägigen Studien zu vermeiden. Die üblichen Umfragen basieren auf Fragen zur Selbsteinschätzung. Und die würden die Befragten häufig in eine bestimmte Richtung lenken, kritisieren Ritter und seine Kollegen. Auch eine Laborsituation werde vermieden – die könne Antworten verzerren.

"Die Daten von Twitter gestatten es Forschern, die Stimmung der User dadurch zu beobachten, dass sie (die User, Anm.) ihrer Fröhlichkeit (oder dem Gegenteil davon) in natürlicher Sprache ausdrücken", erklären die Autoren ihren Ansatz. Und das zeitnah. Gleichzeitig erlaube es die Methode, die Interaktion zwischen Usern zu studieren.

Eine weitere Fehlerquelle bei Studien, die einen Unterschied zwischen Religiösen und Atheisten ausmachen, erwähnen Ritter und seine Kollegen nicht: Atheisten sind generell besser gebildet als Religiöse, was sich auch in unterschiedlichem Vokabular äußert. Dieser Faktor dürfte auf Twitter weniger stark ausgeprägt sein als im Alltag. Wer hier aktiv ist, verfügt in der Regel bereits über einiges an formaler Bildung, ungeachtet der Weltanschauung.

Soziale Ausgrenzung als Faktor?

Warum Religiöse fröhlicher sind als Atheisten, beantwortet die Studie nicht. Sie stellt mehrere Thesen auf: Atheisten seien generell analytischer als Religiöse – und das könnte sich laut einigen psychologischen Modellen aufs Glücksgefühl auswirken. Oder Religiöse seien über das religiöse Leben mehr in soziale Strukturen eingebunden. Das könnte das persönliche Wohlbefinden deutlich steigern.

Wobei es gerade in den USA an der Gesamtgesellschaft liegt, dass Atheisten keine sozialen Strukturen haben. Atheisten seien eine der Gruppen, der die Gesellschaft am meisten misstraue. "Wegen der sozialen Ausgrenzung werden sie zwangsläufig mehr ins Grübeln kommen und sich unglücklicher fühlen", heißt es ausdrücklich.

Ergebnisse nur auf USA anwendbar

Universal anwendbar ist die Studie nicht, wie Hauptautor Ryan Ritter unterstreicht. Die Ergebnisse gelten nur für die USA. Die Anzahl der untersuchten User aus anderen Ländern sei einfach zu gering, um daraus Schlüsse zu ziehen. "Es ist durchaus möglich, dass Menschen in weniger religiösen Ländern auf Twitter genauso fröhlich sind wie religiöse Menschen", sagt er gegenüber dem hpd.

Keine Vereinnahmung durch Religiöse gewünscht

Gegen Vereinnahmungsversuche von religiöser Seite wehren sich die Autoren vorab: "Die Ergebnisse bedeuten nicht, dass Religion eine Voraussetzung für Glücksempfinden ist oder dass Atheisten gezwungen sind, sich schlecht zu fühlen. Religion selbst ist vielleicht nicht der Schlüssel zum Glück. Sie könnte Wohlempfinden durch andere Faktoren befördern. Diese Erkenntnisse könnten helfen, die Fröhlichkeit von Gläubigen und Nicht-Gläubigen gleichermaßen zu steigern."

Atheisten müssen nicht religiös werden. Nach Empfehlung der Studienautoren sollten sie vielleicht einfach nur stärkere soziale Strukturen untereinander aufbauen.

Christoph Baumgarten