Kein anti-jüdisches „Reinheitsgebot"!

GÖTTINGEN. (hpd/BfL) Das Bündnis für Laizismus an der Universität Göttingen ist entsetzt über die Wortwahl des Kirchenrechtlers Prof. Heinig über die Zulässigkeit von Nicht-ChristInnen auf Theologie-Professuren: Es bestehe ein „organisationsrechtliches Reinheitsgebot“ derartige Bewerbungen abzulehnen.

Mit einem Flugblatt ist das Bündnis für Laizismus an der Universität Göttingen an die Öffentlichkeit gegangen, um seine Empörung über Teile eines Vortrages in Göttingen zu äußern und Forderungen zu formulieren. Das Flugblatt:
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Wir sind entsetzt über die Wortwahl, die Prof. Hans Michael Heinig, Inhaber einer Göttinger Juraprofessur und Leiter des Kirchenrechtlichen Instituts der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), in der Ringvorlesung „Wozu Theologie“ in seinem Vortrag „Theologische Fakultäten an Universitäten. Verfassungsrechtliche Vorgaben – verfassungsrechtliche Spielräume“ am 17.11.2009 in der Paulinerkirche in Göttingen getroffen hat.

In seinem Vortrag beschäftigt sich Heinig mit den verfassungsrechtlichen Grundlagen der theologischen Fakultäten. Dabei setzt er sich auch mit der Frage auseinander, ob Nicht-ChristInnen als ProfessorInnen an der Theologie lehren dürfen – in letzter Zeit wurden nach jahrzehntelanger Dominanz kirchentreuer WissenschaftlerInnen auch Andersgläubige und Konfessionslose auf Lehrstühle berufen.

Heinig lehnte dies in seinem Vortrag kategorisch ab. Wenn Nicht-ChristInnen an theologischen Fakultäten lehren dürften, führe dies zu einer „Schummelpackung“, da die Öffentlichkeit von der Theologie ausschließlich christliche Inhalte erwarte. Zu Recht sei daher etwa die Bewerbung einer „immer wieder herumgeisternden jüdischen Neutestamentlerin“ bei den Berufungen nicht berücksichtigt worden. Schon aus dem Interesse der Betroffenen selber solle man Nicht-ChristInnen die Berufung verwehren, da sie anderenfalls unweigerlich diskriminiert würden, denn schließlich könne „man wohl kaum eine jüdische Neutestamentlerin zur Dekanin“ einer theologischen Fakultät machen. Deswegen müssten diejenigen, die damit eine Integrationspolitik im Sinne des „Gutmenschentum“ betreiben wollten, scheitern.

Zwar räumt Heinig ein, dass es legitim sei, wenn auch Andersgläubige an der Universität über Religion forschen – doch müssten dann für die Betroffenen Lehrstühle außerhalb der Theologie geschaffen werden. Dabei erwähnt er aber nicht, dass die Schaffung entsprechender Stellen angesichts des allgegenwärtigen Sparzwangs extrem unwahrscheinlich und bisher kaum erfolgt ist, während kirchentreue WissenschaftlerInnen jahrzehntelang eine Monopolstellung genießen durften.

Der Ausschluss von Berufungen von Konfessionslosen, MuslimInnen und JüdInnen sei jedoch gerechtfertigt, da für die Theologie ein „organisationsrechtliches Reinheitsgebot“ gelte.

Es stellt eine ungeheuerliche verbale Entgleisung dar, wenn der Ausschluss von JüdInnen von der Lehre an einer Fakultät mit einem wie auch immer gearteten „Reinheitsgebot“ gerechtfertigt wird und diejenigen, die für den diskriminierungsfreien Zugang zu universitärer Lehre in allen Fakultäten eintreten, als Anhänger des „Gutmenschentums“ diffamiert werden. Derartigen Äußerungen muss insbesondere in Deutschland klar entgegengetreten werden.

Wir fordern daher

  • Prof. Hans Michael Heinig auf, sich für seine Wortwahl zu entschuldigen und seine Position öffentlich klarzustellen,
  • ebenso, dass sich Margot Käßmann als Ratsvorsitzende der EKD wie auch Prof. Christine Axt-Piscalar und Prof. Joachim Ringleben als Organisatorin der Ringvorlesung eindeutig von der Wortwahl distanzieren,
  • und außerdem die Verantwortlichen auf Bundes-, Landes- und universitärer Ebene auf, die entsprechenden gesetzlichen und sonstigen Maßnahmen zu ergreifen, damit die Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer religiösen Zugehörigkeit ein Ende hat. Es ist unbestritten, dass zahllose TheologInnen exzellente wissenschaftliche Leistungen erbracht haben und erbringen. Die Erforschung von Religion, auch des Christentums, ist wichtig. Sie muss aber außerhalb wie innerhalb der theologischen Fakultäten allen Menschen, auch Nicht-ChristInnen, zugänglich sein, und frei von kirchlicher Gängelung ausgeübt werden können.

Göttingen, 19.11.2009
Bündnis für Laizismus
 

Die Heinig-Rede gibt es als Audio-Mitschnitt