In Zürich wurde der Dalai Lama wie ein Popstar gefeiert – das verstört

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Dalai Lama (Symbolbild)

Das tibetische Oberhaupt müsste wie ein bescheidener Mönch zurückgezogen leben, doch "Seine Heiligkeit" wird von den Buddhismus-Fans wie ein Messias verehrt.

Ende August empfing Zürich den Dalai Lama wie einen Popstar. Das Hallenstadion war in kürzester Zeit ausverkauft, ein Großteil der buddhistischen Fangemeinde hatte das Nachsehen.

Das 89-jährige tibetische Oberhaupt jettet immer noch wie ein Superstar umher und verzaubert mit seinen Unterweisungen die vielen Buddhismus-Fans. Sein Status als "Ozean der Weisheit" und seine tragische Lebensgeschichte treiben den Personenkult in ungeahnte Höhen. Durch das Hallenstadion hallte tausendfach der Ruf: "Lang lebe der Dalai Lama!"

Wo immer Tendzin Gyatsho auftaucht, brechen Jubelstürme aus, und die Medien überschlagen sich mit Lobeshymnen. Es ist deshalb Zeit, die weniger hellen Seiten des Dalai Lamas und des tibetischen Buddhismus zu beleuchten.

Verehrung des Dalai Lamas

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Der 14. Dalai Lama ist eine bemerkenswerte Persönlichkeit, der sich für die Befreiung Tibets einsetzt. Das tibetische Oberhaupt ist aber auch eine tragische Figur, weil seine Lebensmission gescheitert ist. Und weil er sich in jungen Jahren unbedarft von den Chinesen über den Tisch ziehen ließ.

Dieses Spannungsfeld ist der Stoff, aus dem sich die Verehrung nährt. Der Personenkult passt aber schlecht zum Mythos des bescheidenen Mönchs. Seine Anhänger projizieren ihre spirituellen Sehnsüchte ungefiltert auf ihn, was ihn eigentlich befremden müsste.

Dabei wäre es seine Bestimmung, zurückgezogen zu leben, um seine spirituelle Entwicklung zu vervollständigen. "Ich bin es mir geradezu schuldig, mich mit allen Kräften um die Entwicklung meines Geistes zu kümmern", schrieb er in seinem Buch "Der Wille zum Frieden".

Luxusreisen rund um die Welt

Doch "Seine Heiligkeit" jettet seit Jahrzehnten mit dem Helikopter oder Privatjet von seiner Residenz im indischen Dharamsala nach Delhi, fliegt in der gehobenen Klasse um die Welt, residiert in Luxushotels und ließ sich kürzlich in New York seine Knie operieren.

Doch der politische Kampf des als Nationalheld gefeierten Oberhauptes wirkt halbherzig. Er gibt sich offen und tolerant – und wirkt oft beliebig. Selbst bei der Kritik an China, das Tibet okkupiert hat und brutal unterdrückt, ist er zurückhaltend und gibt sich diplomatisch. Lieber macht er belanglose "Langlebe-Zeremonien" wie in Zürich.

Der Dalai Lama ist ein Gejagter und ein Getriebener: gejagt von den Chinesen, getrieben von seinen Fans. Und in jüngster Zeit auch von jungen Tibetern, die von ihm einen härteren Kurs gegen China verlangen.

Da wundert es nicht, dass er selbst dann etwas verstört lächelt, wenn er nach dem Schicksal seines gepeinigten Volkes gefragt wird. In einem Interview sagte er: "Es bringt einfach nichts, wenn man sich ärgert. Nicht einmal über seine Feinde soll man sich ärgern. Es ist intelligenter, seine Feinde zu lieben."

Die Chinesen freuen sich über solche Aussagen des Dalai Lamas. Doch wie klingen sie in den Ohren gefolterter Tibeter?

Solche Sätze kann nur jemand von sich geben, dessen Lebensinhalt die Spiritualität ist. Der Dalai Lama betrachtet das Weltliche als Grundlage, um mit der Meditation das Irdische zu überwinden. Es überrascht deshalb nicht, dass der frühere Slogan "Free Tibet" weitgehend verstummt ist.

Debatten an Universitäten

Der Dalai Lama gibt gern den aufgeklärten spirituellen Lehrer und debattiert gelegentlich an Universitäten mit Naturwissenschaftlern über die Quantentheorie. Dabei kaschiert er, dass er ein magisches Denken kultiviert. So befragt er immer mal wieder sein Staatsorakel Nechung, ein Mönch mit angeblich besonderen seherischen Fähigkeiten.

Seine Anhänger verdrängen auch, dass Tibet stets eine absolutistische Theokratie und eine klerikale Feudalherrschaft war, in der Leibeigentum bis in die Neuzeit praktiziert wurde. Die Klöster unterdrückten das Volk und beuteten es aus. Bei dieser Mentalität wundert es nicht, dass Frauen als Menschen zweiter Klasse behandelt wurden.

Schlecht ins Bild passt auch, dass der Dalai Lama früher mit zweifelhaften Figuren Kontakt pflegte. So traf er den österreichischen Rechtspopulisten Jörg Haider und mehrfach den japanischen Guru Shoko Asahara (Aum), der in seinem apokalyptischen Wahn 1995 Saringas-Anschläge auf die U-Bahn von Tokio ausführen ließ, bei denen 12 Personen starben und 5.500 verletzt wurden. Fotos zeigen den Dalai Lama Hand in Hand mit dem durchgeknallten Guru.

Glaube an Magie und Wunder

Im tibetischen Buddhismus grassiert auch heute noch der Glaube an Magie und Wunder. Da treiben Dämonen und Totengeister ihr Unwesen. Im "Tibetanischen Totenbuch" treten blutrünstige Monster auf, die zum Wohlgeruch Räucherwerk aus Menschenfleisch verbrennen und Banner aus abgezogener Kinderhaut tragen.

Diese wenig erbauliche Aspekte des Dalai Lama und des tibetischen Buddhismus verdrängten die Besucher im Hallenstadion. Sie wollten sich das spirituelle Happening und die Verehrung ihres Gottkönigs – wie der Dalai Lama auch schon genannt wurde – nicht vermiesen lassen.

Übernahme mit freundlicher Genehmigung von watson.ch