BERLIN. In dem Maße, wie die Mitgliederzahlen der christlichen Kirchen sinken,
in dem Maße vervielfachen sich die Ideen, wie die Einnahme von Kirchensteuern verstetigt und deren Anstieg garantiert werden kann. Seitdem die Regierung Adenauer den christlichen Kirchen die Hilfe der staatlichen Finanzämter beim Kirchensteuereinzug zur Verfügung gestellt hat, findet die Kreativität nahezu keine Grenzen, den Kirchen logistisch unter die Arme zu greifen. Dass auf den Steuerkarten die Kirchenzugehörigkeit festgehalten und damit beim Arbeitgeber angezeigt wird, ist schon ein bemerkenswerter Vorgang und es verwundert immer wieder, dass Christen dies mit sich machen lassen.
Nun gibt es eine neue Idee, deren Konsequenzen die Verursacher, <Referenten im Finanzministerium>, wohl ungenügend durchdacht haben – nehmen wir dies einmal zu ihrer Verteidigung an. Die Unternehmenssteuern sollen in Deutschland per Bundesgesetz neu geregelt werden. Der Referentenentwurf für die Unternehmenssteuerreform liegt also seit ein paar Tagen vor. In diesem Referentenentwurf soll nun die Erhebung der auf die Kapitalerträge anfallenden Kirchensteuer zentral neu geregelt werden. Dies wirft zwangsläufig Fragen der gesetzlichen Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern auf.
Folgt man dem Entwurf, dann soll eine Abgeltungssteuer (inklusive Kirchensteuer) für Zinsen, Dividenden und Gewinne aus der Veräußerung von Kapitalanlagen eingeführt und von den Banken sofort an das Finanzamt pauschal abgeführt werden. Dazu sollen Anleger bei der Bank angeben, ob sie katholisch oder evangelisch sind. Die Bank führt dann auch die Kirchensteuer an den Fiskus ab, der sie an die Kirche weiterleitet. Im Entwurf heiß es dazu, dass...“damit den Kirchen das Aufkommen der Kirchensteuern dauerhaft gesichert (wird)“.
Es war wohl zuerst am 23. Januar dieses Jahres die „Kölnische Rundschau“, die öffentlich nahezu unbemerkt hierzu den Schleier lüftete: Die große Koalition räume gerade die letzten Streitpunkte bei der Abgeltungssteuer aus dem Weg. 2009 solle eine Pauschalsteuer von 25 Prozent auf Kapitalerträge eingeführt werden. Erste Details stünden fest. Und auch eine Lösung bei der Kirchensteuer sei in Sicht: „Ab 2009 gibt der Bankkunde an, ob und welcher Kirche er angehört. Die Bank führt dann anonym die fällige Kirchensteuer ab. Hierbei soll es sich aber nur um eine Übergangsregelung handeln: In spätestens drei Jahren werde es bundesweit eine Identifikationsnummer für alle Steuerbürger geben. Danach sei es nicht mehr notwendig, für die Abführung der Kirchensteuer Käufer von Wertpapieren nach ihrem <religiösen Bekenntnis zu fragen>".
Das <„Handelsblatt“> präzisierte am 4. Februar die Absicht: „Damit die Kirchen keine Einbußen erleiden, sollen Anleger bei der Bank angeben, ob sie katholisch oder evangelisch sind. Die Bank führt die Kirchensteuer an den Fiskus ab, der sie an die Kirche weiterleitet."
Beim Studium des Entwurfs stellen sich dem Beobachter deutscher Religions- und Weltanschauungsverhältnisse einige Fragen. Bei konfessionshomogenen Paaren wird das vorgeschlagene Verfahren weitgehend problemlos sein. Schwierig wird es dann allerdings bei „Mischehen“ in allen Varianten. Und es wird wohl eine Erhöhung der Bankgebühren ins Haus stehen, denn die Geldinstitute werden einiges an Personal zusätzlich brauchen, um diese Probleme für alle Kunden zu klären. Ein Schelm wer annimmt, dass die Kirchen die Kosten tragen werden. Tröstlich ist, dass es zum Ausgleich dafür möglich wird, Kirchensteuern zu hinterziehen, denn wenn ein Ehepaar sich einig ist und den ganzen Ausschüttungsbetrag dem konfessionslosen Lebenspartner zuschreibt, dann braucht der ja keine Kirchensteuer zu bezahlen. Aber: Die Ideen, dies zu verhindern, werden schon wachsen.
Hinzu kommt – und nun wird es sehr politisch – dass immer mehr von „Zentralregistern für alle Deutschen“ die Rede ist, z.B. in <Personenstandsachen>. Bislang würden, so schreibt z.B. die „Süddeutsche“, zwischen den Ämtern Verhältnisse herrschen wie zu Zeiten deutscher Kleinstaaterei. Damit soll bald Schluss sein: Die Regierung will Daten der Bundesbürger einheitlich und einfacher <erfassen>.
Wenn man alle diese Register zusammen denkt, ist schnelle und gründliche Kritik an diesem Referentenentwurf angebracht. Der „Verein zur Umwidmung von Kirchensteuern“ hat unverzüglich <kritisch reagiert>. Auch der „Humanistische Verband Deutschlands“ hat heute erklärt, dass er das in dem Referentenentwurf vorgesehene Verfahren zur Abgeltungssteuer und der darauf zu entrichtenden Kirchensteuer rechtlich für höchst bedenklich hält. „Der Humanistische Verband erkennt in den Plänen des Finanzministeriums, dass in Zukunft Banken und Sparkassen als regelrechte ’Erfüllungsgehilfen’ der Kirchen fungieren sollen, wenn die Kirchensteuer gleich einbehalten und an das Finanzamt weitergeben wird. Um die Banken dazu in die Lage zu versetzen, müssen also in Zukunft Kunden ihre Konfessionszugehörigkeit den Kreditinstituten preisgeben – oder eben auch ihre Konfessionslosigkeit. Entsprechende Datenbanken sollen dazu bis 2011 vom Bundeszentralamt für Steuern eingerichtet werden. ... In der Praxis könnte dann tatsächlich die Hausbank auf ein solches Zentralregister zugreifen und den Konfessionsstatus abfragen. Die Kirchen würden – das befürchten wir – Wege finden, das auch zu tun.
Der Humanistische Verband Deutschlands sieht darin nicht nur einen eklatanten Verstoß gegen die Datenschutzbestimmungen. Es ist nach unserer Auffassung rechtlich nicht zulässig und verletzt zudem das verfassungsmäßige Recht der negativen Religionsfreiheit, dass Bankkunden der Geschäftsbank oder Sparkasse ihre Konfessionszugehörigkeit mitteilen müssen. ...Wieder einmal zeigt sich, dass in einem säkularen Staat wie Deutschland der Kirchensteuereinzug mit der Hilfe von staatlichen Stellen viele Probleme mit sich bringt. Der Humanistische Verband fordert schon seit langem im Sinne der verfassungsmäßigen Gleichbehandlung, dass anerkannte Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften den Einzug ihrer Mitgliedsbeiträge selbst regeln. Dass nun jedoch auch noch privatwirtschaftliche Kreditinstitute beim Kirchensteuereinzug von staatlicher Seite aus mit ins Boot geholt werden sollen, spottet jeder Beschreibung. Warum dann nicht gleich alle persönlichen Daten auf den Chip der EC-Karte speichern.“
GG