Kandidaten der AfD fallen immer wieder durch Provokationen auf, die teilweise sogar in den Bereich des Strafrechts fallen. Ob Gaulands "Vogelschiss", Höckes SA-Losung oder andere Entgleisungen – wer sich mit dem Vorfeld der Partei beschäftigt, erkennt, dass dies Methode hat.
Wie konnte es der AfD gelingen, bei einer Bundestagswahl über 20 Prozent der Zweitstimmen zu gewinnen und ihr Ergebnis 2025 mit 20,8 Prozent gegenüber 2021 (10,4 Prozent) exakt zu verdoppeln? Diese Frage haben sich sicherlich viele Menschen bereits gestellt.
Zumindest ein Teil der Antwort liegt in der Strategie der Partei und ihrer Vordenker. Wer sich mit diesen Vordenkern befasst, für den ist dies nicht neu. Aber auch wer dies gewöhnlich nicht tut, kann hin und wieder einen Blick auf die Strategie erhaschen – so geschehen kürzlich auf X (ehemals Twitter).
Dort schrieb der Abgeordnete Hans-Christoph Bernd, der für die AfD im brandenburgischen Landtag sitzt, dass die AfD "offensiv, aber nicht aggressiv" auftreten müsse, um weiter zu wachsen.
Der ehemalige Kopf der rechtsextremen Identitären Bewegung Österreichs, Martin Sellner (wahrscheinlich vielen Lesern seit dem berühmten Correctiv-Artikel "Geheimplan gegen Deutschland" ein Begriff), nutzte diesen Tweet, um die Strategie der Neuen Rechten, die er auch bereits an anderer Stelle – etwa in seinem Buch "Regime Change von rechts" – dargelegt hatte, nochmals zu verdeutlichen.
Er schrieb eine kurze Erklärung, was die Strategie der "populären Provokation" bedeute, nämlich dass jede Aktion – sei es ein Tweet, eine Pressemitteilung oder eine Rede – idealerweise zwei Punkte gleichzeitig erfüllen müsse. Sie müsse einerseits "radikal genug sein, um das Overton-Fenster zu verschieben und den künstlichen Konsens zu brechen" und andererseits "populär genug, um sogar deine Oma oder deine linke Klassenkollegin zu überzeugen".
Diese Idee propagiert Sellner schon länger, auch wenn er früher häufiger von der "anschlussfähigen Provokation" sprach – wohlwissend, dass Anschlussfähigkeit wichtig ist, wenn man in der realen Politik etwas erreichen und nicht am radikalen Rand verharren will.
Die "alte Rechte", von der sich Sellner abzugrenzen versucht, verschrecke nämlich durch ihr Auftreten, ihren Hang zur Tradition des historischen Nationalsozialismus, ihre Gewalt und ihren Militarismus Wählerpotenziale, die zur politischen Macht verhelfen könnten. Deshalb ist es Sellner so wichtig, die Oma oder die linke Klassenkollegin zu erwähnen.
Dass diese Abgrenzung natürlich nicht so sauber funktioniert wie Sellner es schreibt und propagiert – so war er selbst als junger Mann mit Hakenkreuz-Aufklebern auffällig geworden –, soll hier nicht weiter ausgeführt werden.
Das erwähnte Overton-Fenster ist eine Idee von Joseph P. Overton, der beschrieb, dass das, was als normal und akzeptabel beziehungsweise als radikal und unvernünftig empfunden wird, letztlich nur eine Gewöhnung an einen bestimmten Meinungskorridor darstellt. Durch die Wiederholung bestimmter Thesen könne man dieses Fenster verschieben und das, was heute als radikal gilt, zur Normalität machen.
Die Provokation wiederum ist nötig, damit die Medien Themen aufgreifen und somit verbreiten. Salopp gesagt: Stöckchen hinhalten und hoffen, dass jemand darüber springt. Das ist Sellners Plan, und er wird offenbar von Politikern der AfD geteilt.
Damit ist nicht der gesamte Aufstieg der Rechtspopulisten erklärt, aber doch ein großer Teil. Zusätzlich schadet es der Partei sicherlich nicht, dass offenbar große Teile der Bevölkerung sich eine andere Migrationspolitik wünschen – ein Anliegen, das sich mit dem selbsterklärten Hauptziel der Neuen Rechten, der Wahrung der "ethnokulturellen Identität und Substanz" durch "strenge, identitätsschonende Obergrenzen" bei der Einwanderung, überschneidet.
Das Vorgehen der Partei und ihres selbsterklärten Vorfelds ist also bekannt. Nun müssen wir eine Gegenstrategie entwickeln, da besonders die Sozialen Medien für das Geschäft von Provokateuren wie gemacht sind.

3 Kommentare
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Kommentare
Leopold Schneider am Permanenter Link
Sebastian Schnelle hat das Overton-Fenster beim hpd ja sehr weit geöffnet – nach rechts. Wieso ausgerechnet er die AFD kritisiert, muss mir erst mal jemand erklären.
malte am Permanenter Link
Es ist wirklich auffällig, dass man unter fast jedem Beitrag dieses Autoren Kommentare wie diesen findet.
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
War das jetzt ein Artikel gegen die AfD oder ein Tippgeber wie man die AfD hoffähig macht?
dann sollte darüber mehr aufgeklärt werden, dass die AfD eindeutig rechtsradikal ist sollte
eigentlich jedem Bürger klar sein.