(hpd) Der von den beiden Sozialwissenschaftlern John Bunzl und Farid Hafez herausgegebene Sammelband „Islamophobie in Österreich“ will anhand von Fallstudien zu Medien, Politik und Schulbüchern über den stereotypen Umgang mit dem Islam und den Muslimen aufklären.
Einerseits informiert er dadurch über Dimensionen und Erscheinungsformen von Vorurteilen gegen die Angehörigen einer religiösen Minderheit, andererseits lässt er es an einer klaren Differenzierung von aufklärerisch-menschenrechtlicher Kritik und ressentimenthaft-stereotypen Vorurteilen vermissen.
Seit den Anschlägen vom 11. September 2001 kam es in vielen westlichen Ländern zu einem Anstieg von Ressentiments und Vorurteilen gegen Muslime. Die dabei verbundene Entwicklung ließ sich auf unterschiedlichen medialen, politischen und sozialen Ebenen beobachten, wovon Alltagserfahrungen und Einstellungspotentiale, Moscheenbaukonflikte und Parteipolitik, Presseberichterstattung und Rechtssprechung zeugen. Den verschiedenen „Facetten der Repräsentation eines hauptsächlich negativ konstruierten Islambildes in der österreichischen Öffentlichkeit“ wollen die Autoren des Sammelbandes „Islamophobie in Österreich“ nachgehen. Er soll „aufzeigen helfen, welche Ausgrenzung durch eine Konstruktion eines Feindbildes Islam/MuslimInnen hier und heute geschieht“ (S. 8), so die beiden Herausgeber, der Soziologe John Bunzl und der Politologe Farid Hafez, im Vorwort. Die 15 Aufsätze des interdisziplinären Sammelbandes stammen von Anthropologen, Arabisten, Islam-, Kultur-, Rechts-, Religions- und Sozialwissenschaftlern.
Zunächst geht es um eine Bilanz von einem Jahrzehnt Islamophobie in Öffentlichkeit und Wissenschaft sowie das Verhältnis von Antisemitismus und Islamophobie im gegenwärtigen Europa. Die folgenden Beiträge widmen sich anhand von Textanalysen dem Islambild in Kinder- und Schulbüchern. Anschließend steht die Islamophobie in der Politik im Zentrum des Interesses, jeweils bezogen auf die Programmatik der FPÖ anhand von deren Papier „Wir und der Islam“, einen Moscheebaukonflikt in Wien Brigittenau, die Moschee- und Minarettbauverbote in Kärnten und Voralberg im Kontext europäischer Rechtssprechung, die Verschleierung einer Angeklagten im Gerichtssaal und die Interviewaussagen des Grünen Bundesrats Efgani Dönmez. Und schließlich behandeln Beiträge die Islamophobie in den Medien anhand eines islamfeindlichen Internet-Blogs, der Berichterstattung über den Karikaturenstreit im Nachrichtenmagazin „profil“, der allgemeinen Berichterstattung in den österreichischen Tageszeitungen sowie dem „Handbuch des politischen Islam“.
Als allgemeines Resultat der Beiträge lässt sich festhalten: In Medienberichten und Politik, Rechtssprechung und Schulbüchern lasse sich ein stereotyper Umgang mit dem Islam und den Muslimen ausmachen. Öffentlich werde das Vorhandensein damit verbundener Feindbilder und Hassgefühle aber häufig geleugnet. Dabei handele es sich nicht nur um Erscheinungsformen, die am gesellschaftlichen oder politischen Rand ausgemacht werden könnten, wofür die Agitation im „Netzwerk Karl Martell“ im Internet und das Positionspapier der FPÖ zum Thema stünden. Man könne bereits in Schulbüchern einschlägige Stereotype und Vorurteile ausmachen, wobei häufig auch eine einseitige bis verzerrte Deutung von Aussagen des Korans belegbar seien. Darüber hinaus vermittelten auch die als fortschrittlich und weltoffen geltenden Medien und Politiker nicht selten Auffassungen und Bilder vom Islam und den Muslimen, welche auf Ressentiments gründeten und sie bedienten und damit keinen konstruktiven Beitrag zum Umgang mit einer Minderheit lieferten.
Dem Sammelband kommt das Verdienst zu, kritisch auf Erscheinungsformen und Folgen eines kursierenden Vorurteils aufmerksam gemacht zu haben. Dies erfolgte aber in der Gesamtschau betrachtet in eher fragmentarischer und unsystematischer Form, was sich durch die Neuheit des Phänomens und den Charakter des Sammelbandes erklärt. Als besonderes inhaltliches Problem stellte sich dabei heraus, dass der „Islamophobie“-Begriff als zu diffus und ungenau gelten muss, worauf auch einzelne Autoren hinwiesen. Hier geht es um eine Feindschaft gegen Angehörige einer bestimmten religiösen Gruppe, nicht um eine „Krankheit, die es zu kurieren gelte“ (S. 184). Ein zu weit reichendes Verständnis führt in der Tat dazu, dass „damit Kritik am Islam als Ideologie und Praxis verunmöglicht wird“ (S. 91). Dies stellt sich auch als Problem für einige der Beiträge des Sammelbandes dar. Hier fehlt es häufig an einem entwickelten Konzept, das zwischen aufklärerisch-menschenrechtlicher Kritik und ressentimenthaft-stereotypen Vorurteilen klar unterscheidet.
Armin Pfahl-Traughber
John Bunzl/Farid Hafez (Hrsg.), Islamophobie in Österreich, Innsbruck 2009 (Studien-Verlag), 224 S., 24,90 €