Verletzung der Weltanschauungsfreiheit in Bayern

FÜRTH. Der Bund für Geistesfreiheit Bayern hat einen Offenen Brief an den Bayerischen Staatsminister für Wissenschaft, Forschung

und Kunst geschrieben. Anlass sind Planungen einer Konfessionalisierung der Forschung und Lehre in Philosophie an der Universität in Passau.

 

 

 

 

 

Offener Brief: Besetzung des Lehrstuhls für Philosophie an der Universität Passau

Sehr geehrter Herr Minister Dr. Goppel!

Die geplante Besetzung des Lehrstuhls für Philosophie an der Universität Passau mit zwei Professoren aus der Katholisch-Theologischen Fakultät stellt eine nicht hinzunehmende Verletzung der Weltanschauungsfreiheit konfessionsfreier Bürger dar!

Erst vor einer Woche protestierten betroffene Studenten an der Universität Passau gegen Verschlechterungen, die diese Pläne mit sich bringen. Auch die im Bund für Geistesfreiheit (bfg) Bayern KdöR organisierten konfessionsfreien Bürger protestieren energisch gegen diese Konfessionalisierung der Forschung und Lehre in Philosophie. Besonders unerträglich ist für uns die Tatsache, dass künftige Ethiklehrer in Passau von Lehrpersonal mit Bindung an die katholische Lehrerlaubnis unterrichtet werden würden. Bekanntlich werden konfessionsfreie Schülerinnen und Schüler gezwungen, das Fach Ethik als Kompensation für den nicht in Anspruch genommenen Religionsunterricht zu besuchen, den sie oder ihre Eltern in Wahrnehmung ihres Grundrechtes auf Weltanschauungsfreiheit Art. 4 (1) GG und Art. 7 (2) GG ablehnen. Der Ethikunterricht muss demzufolge weltanschaulich neutral ausgestaltet sein. Die beabsichtigte Ausbildung der Ethiklehrer durch kirchlich gebundene Lehrkräfte konfessionalisiert hingegen das Fach Ethik und stellt nach unserer Auffassung einen massiven Grundrechtsverstoß dar!

Schon jetzt war der Zustand der Lehre in Philosophie an der Universität Passau nicht grundrechtskonform. Keiner der beiden Lehrstühle war von der Katholischen Kirche unabhängig: Der eine Lehrstuhl für Philosophie untersteht der Katholisch-Theologischen Fakultät, der andere ist ein Konkordatslehrstuhl, kann also nur mit Zustimmung der Katholischen Kirche besetzt werden. Bereits 1980 stellte das Bayerische Verfassungsgericht fest, dass „parallel zu einem Konkordatslehrstuhl eine konkordatsfreie, voll-ständige Fachvertretung gesichert werden muss" (vgl. BayVerfGH, Entscheidung vom 11. April 1980). Dem sind die dafür jeweils Zuständigen im Bayerischen Staatsministerien bisher nicht nachgekommen.

Die nun beabsichtigte Besetzung des Lehrstuhls für Philosophie in Passau zeigt, dass Ihr Ministerium erneut beabsichtigt, (nicht nur) die Rechte der Konfessionsfreien in Bayern zu ignorieren. Zur Missachtung des BayVerfGH (siehe oben) kommt nicht nur ein Verstoß gegen das Trennungsgebot (Art. 137 I WRV/140 GG), gegen Art. 33 III GG und 136 II WRV/140 GG (gleicher Ämterzugang) und gegen das Neutralitätsgebot hinzu. Mittlerweile stehen den Konkordatsprofessuren auch die Antidiskriminierungsrichtlinie der EG und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (§§ 1, 3, 9) entgegen. Wir sind daher doch sehr erstaunt, wie salopp hier mit geltendem Recht umgegangen wird.

Der bfg Bayern fordert Sie auf, ein verfassungskonformes Lehrangebot für Philosophie an der Universität Passau einzurichten. Dieses kann nur durch einen konkordatsfreien Lehrstuhl für Philosophie mit der dafür angemessenen personellen und finanziellen Ausstattung geschehen.

Mit freundlichen Grüßen,

Dietmar Michalke