„Humanistischer Bestattungshain“ feierlich eröffnet

BERLIN. (hpd) Am gestrigen „Tag des Friedhofs“ eröffnete der Humanistische Verband Berlin (HVD) eine verbandseigene

Natur belassene Familienurnengrabstätte auf dem stadtweit bekannten Waldfriedhof Zehlendorf. Der HVD setzt mit seiner Naturgrabstätte auf einem bisher unberührten Grabfeld neue Akzente, in der Bestattungskultur Berlins und darüber hinaus.

Nach dem Südwestkirchhof in Stahnsdorf ist dies erst die zweite Möglichkeit in Berlin, die immer beliebter werdende Form der naturnahen Bestattung an den Wurzeln eines Baumes zu wählen. Die humanistische Naturbestattung entspricht dem schon lange geäußerten Wunsch vieler Mitglieder.

 

Die Bestattungskultur in Deutschland wird immer mehr von weltlichen Angeboten geprägt. Brachte das späte 18. Jahrhundert die Einführung des bürgerlichen individuellen Grabs und läutete das Ende des Kirchhofs und der Beinhäuser ein, innovierten die Feuerbestattung und die Krematorien im 19. Jahrhundert die „Industrialisierung des Todes“. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts führte die Individualisierung des kommerziellen Bestattens zum Siegeszug der Selbstbestimmung in der Bestattungsart und des Bestatters sowie zur religiös-weltanschaulichen Vielfalt der Rituale, deren Inhalte käuflich sind. Damit deutete sich das Ende des Friedhofszwangs an, der außerhalb Deutschlands schon viel weiter aufgehoben ist als hierzulande.

Der Humanistische Verband Berlin hat sich nun in diese Wandlungen aktiv hineinbegeben. Er eröffnete am diesjährigen „Tag des Friedhofs“ feierlich eine „Familienurnengrabstätte“ auf dem Waldfriedhof Zehlendorf. „Naturbestattungen“ sind, wie der Name schon sagt, Bestattungen in natürlicher Umgebung und – in der Regel, in diesem Fall nicht – außerhalb traditioneller Friedhöfe: die Grabstellen sind Natur belassen und bedürfen einer anderen Pflege als die individuellen Gräber auf Friedhöfen. Sie sind nicht zu verwechseln mit anonymen Grabstellen, die sich meist auf Urnenfeldern unter Wiesen oder auf Streuwiesen auf Friedhöfen befinden.

Für Naturbestattungen gibt es gegenwärtig mehrere Namen. Angebote dieser Art sind der „Friedwald“, hinter dem sich das bundesweit tätige Unternehmen Friedwald GmbH verbirgt, „RuheForst“, ebenfalls eine bundesweit agierende GMBH, die nach dem Franchise Modell funktioniert. Es gibt „Friedhaine“, z.B. einen in Bonn, und in Oberried (Schwarzwald) einen „Ruheberg“. Bei Hamburg, in der Gemeinde Bönningstedt, gibt es einen „Ruhehain“, und in Lehmkuhlen bei Kiel einen „Ruhepark“, in Zweiflingen nennt sich die Stätte „Waldfriedhof Friedrichsruhe“.

 

Diese Einrichtungen setzen die „Feuerbestattung“ voraus, wobei die Asche entweder in Urnen vergraben, auf Wiesen verstreut oder anderweitig in die Erde verbracht wird. Seebestattungen von Urnen, obwohl hier Urnen ebenfalls „natürlich“ entsorgt werden, gelten ebenso wenig nicht als Naturbestattungen wie – in Deutschland (noch?) nicht üblich – das Ausstreuen der Asche aus Flugzeugen.

 

Der am gestrigen 16. September feierlich eingeweihte „Humanistische Bestattungshain“ befindet sich auf dem stadtweit bekannten Waldfriedhof Zehlendorf, der 1946/47 angelegt wurde. Hier fanden so bekannte Persönlichkeiten wie Willy Brandt, Otto Suhr, Ernst Reuter und Hildegard Knef, um nur einige zu nennen, ihre letzte Ruhe.

Die feierliche Zeremonie in der Feierhalle, Bilder im Anhang, wurde musikalisch vom A-Capella-Chor One Voice umrahmt, der mit dem deutschen Volkslied „Die Gedanken sind frei“ die Feier eröffnete, der bekannten „Hymne“ der freigeistigen Bewegungen. Im seinem Grußwort wies der Zehlendorfer Bezirksbürgermeister Norbert Kopp (CDU), Bild im Anhang, vor etwa 150 Anwesenden, darunter dem Bundesvorsitzenden des HVD, Dr. Horst Groschopp, und der Bildungspolitischen Sprecherin der SPD-Abgeordnetenhausfraktion, Dr. Felicitas Tesch (stellvertretende Landesvorsitzende des HVD Berlin), darauf hin, dass sich ein Wandel in der Trauer- und Bestattungskultur vollzogen habe, Menschen suchen neue, individuelle Wege, brechen alte Traditionen auf und finden neue Ausdrucksformen einer Gedenk- und Erinnerungskultur, die die weltanschaulich-religiöse Vielfalt einer Metropole wie Berlin angemessen berücksichtigen. Dem Humanistischen Verband sei es mit dem heutigen Tag und dem Nutzungsrecht an der Familienurnengrabstätte gelungen, einen neuen Akzent in der Berliner Bestattungskultur zu setzen.

Der Landesvorsitzende des HVD, Dr. Bruno Osuch, Bild im Anhang, verdeutlichte nochmals die in der Freidenkerbewegung (über 100-jährige) Tradition der Urnenbestattung und das für Humanisten der Tod das natürliche Ende des Lebens bedeutet. In ihrer Trauer- und Gedenkkultur könne es auch nur um das Leben gehen und es deshalb sehr hilfreich wäre, wenn bereits zu Lebzeiten Wünsche zur Art der Bestattung und Abschiednahme geäußert und festgehalten werden, z.B. in einer Patientenverfügung oder in einem Vorsorgevertrag, auch als Entlastung für die Angehörigen, die sich dann sicher sein können, das Richtige zu tun.

 

Die Familienurnengrabstätte befindet sich auf einem Areal von etwa 5.000 m² mit etwa 200 Birken, Kiefern und Sträuchern sowie auch lichten, Rasen bewachsenen Stellen. Mitglieder des HVD sowie ihre engsten Angehörigen haben hier die Möglichkeit, ein anonymes Urnengrab an einem Baum oder auf der Wiese auch schon zu Lebzeiten zu erwerben. Das Waldstück wird nach den Vorstellungen des Humanistischen Verbandes Natur belassen bleiben. Ein vom Verband gestalteter Gedenkplatz mit einer Stele, mit Bänken und der Möglichkeit der Blumenablage lässt zusätzlichen Raum für Ruhe und Besinnung.

Anders als bei einer Bestattung im Friedwald muss die Anlage hier jedoch regelmäßig gepflegt und Instand gehalten werden. Diese Aufgabe wird von einem Landschaftsgärtner übernommen. Die Beisetzung der Urne, mit einer Ruhezeit von 20 Jahren, erfolgt ohne individuelle Grabstellenkennzeichnung. Es wird aber über Möglichkeiten nachgedacht, für diejenigen, die nicht ganz so anonym bestattet werden wollen, z.B. einen nach jahrhundertealter Tradition hergestellten hand gestrichenen Ziegelstein am Rande des Feldes mit dem Namen einzulassen. Die vom Brandenburger Holzgestalter Andreas Dorfstecher erschaffene Gedenkstele, s. Bild, ist aus Eichenholz, mit Eisenoxid verwittert, und trägt das Logo des HVD. Die dazu gehörenden Bänke können jedoch (wegen der Genehmigung) erst im nächsten Frühjahr aufgestellt werden. Das Niederlegen von Blumen, Gestecken und Kränzen auf dem Areal ist nicht erlaubt. Ein an der Stele angebrachtes Steingefäß (aus poliertem Granit) bietet deshalb die Möglichkeit der Blumenablage und gibt zusätzlichen Raum für Ruhe und Besinnung

 

Der HVD Berlin wird nun wohl auf dem eingeschlagenen Weg weiter gehen, denn welcher Ossi aus Marzahn, wo Berlin am östlichsten ist, wird die Asche seiner Oma nach Zehlendorf verbringen wollen, ein Ort, auch wenn das nicht in Gänze stimmt, der als reiche Westgegend gilt. Und sicher werden – so ist zu hoffen – weitere „Humanistische Bestattungshaine“ in anderen Bundesländern folgen.

 

GG