BERLIN (hpd). Der Verein der ehemaligen Heimkinder (VeH) hat in einer heute veröffentlichten Pressemitteilung „in aller Entschiedenheit gegen den Abschlussbericht des „Runden Tisch Heimerziehung“ (RTH) protestiert. Dessen Empfehlungen seien „beschämend für ein reiches Land wie Deutschland“.
„Mit dem Abschlussbericht des RTH haben sich leider unsere schlimmsten Befürchtungen bewahrheitet“, erklärte VeH-Vorsitzende Monika Tschapek-Güntner. „Die ehemaligen Heimkinder sollen in Deutschland nicht angemessen entschädigt, sondern mit einer Summe abgespeist werden, die lediglich einem Bruchteil des Betrags entspricht, der den Heimkindern in Irland, einigen katholischen Diözesen der USA, einigen Bundesländern von Österreich, Norwegen und Kanada für die gleichen Erziehungsverbrechen gezahlt wurde.“ Der bisher höchste Betrag lag bei etwa 75.000 Euro pro Person, deutsche Heimkinder sollen hingegen nur etwa 4.000 Euro erhalten. „Die Empfehlung des RTH“, so die VeH-Vorsitzende, „ist beschämend für ein reiches Land wie Deutschland und eine weitere Demütigung für all die Menschen, die in deutschen Heimen geschlagen, unterdrückt, missbraucht und zu Zwangsarbeiten herangezogen wurden.“
Tschapek-Güntner wies darauf hin, dass die Opfervertreter am Runden Tisch Heimerziehung am vergangenen Donnerstag „ihre Arbeit niederlegen wollten, weil sie mit ihren wohlüberlegten Forderungen kaum Gehör fanden.“ Danach seien einige Verbesserungen am Abschlussbericht vorgenommen worden wie die Gleichstellung der sexuell missbrauchten Heimkinder mit jenen Opfern, deren Schicksal am „Runden Tisch Kindesmissbrauch“ behandelt wird. Gleichwohl sei die Hauptforderung der Heimkinder, nämlich eine pauschale Zahlung von entweder 300 € Opferrente pro Monat oder einer Einmalzahlung von 54.000 €, abgelehnt worden, was zu vehementem Protest der Opfervertreter führte.
Opfervertreter massiv unter Druck gesetzt
Letztlich jedoch stimmten die Opfervertreter am Runden Tisch „mit schlechtem Gewissen“ dem Abschlussbericht zu, was allein darauf zurückzuführen sei, „dass sie massiv unter Druck gesetzt wurden mit der vorgeblichen Behauptung, sie bekämen sonst gar nichts“: „Welche Wahl hatten sie denn? Man hatte sie genötigt, entweder den faulen Kompromiss zu akzeptieren oder aber angeblich die Verantwortung dafür zu übernehmen, dass die Mehrheit der Heimkinder am Ende finanziell völlig leer ausgeht! Man kann es den Opfervertretern am RTH nicht verdenken, dass sie den Spatz in der Hand der Taube auf dem Dach vorzogen. Das ändert jedoch nichts daran, dass wir uns als Verein ehemaliger Heimkinder weiterhin entschieden dafür einsetzen werden, dass die misshandelten Heimkinder hier in Deutschland in einer Weise entschädigt werden, die internationalen Maßstäben entspricht.“
„Wir werden weiterkämpfen“
Die Behauptung, dass ausgerechnet Deutschland nicht in der Lage sei, die Heimkinder so zu entschädigen, wie dies in anderen Ländern bereits geschehen ist, bezeichnete Tschapek-Güntner als „Propagandalüge“: „Ich möchte daran erinnern, dass Bund und Länder die christlichen Kirchen Jahr für Jahr mit Milliardenbeträgen subventionieren. Allein die direkten Staatsleistungen an die Kirchen, mit denen u.a. Bischofsgehälter aus Steuermitteln bezahlt werden, kosten die Länder jährlich rund 450 Millionen Euro. Wäre es da nicht viel gerechter, diese Gelder Heimkindern zukommen zu lassen, anstatt mit ihnen u.a. die Pension von Herrn Mixa zu bestreiten, der nichts Besseres zu tun wusste, als Heimkinder „im Namen des Herrn“ zu züchtigen? Leben wir wirklich in einem Land, in dem die Täterorganisationen vom Staat verhätschelt werden, während die Opfer mehr oder weniger leer ausgehen? Damit können und wollen wir uns nicht abfinden! Wir werden weiterkämpfen.“
Zurzeit findet in Berlin im Haus der Bundespressekonferenz die Pressekonferenz der ehemaligen Heimkinder statt, die von der ehemaligen SPD-Spitzenpolitikerin Ingrid Matthäus-Maier moderiert wird. hpd-Redakteurin Evelin Frerk ist vor Ort und wird über das Geschehen berichten. Weitere Informationen zu den Forderungen der ehemaligen Heimkinder gibt es auf den Websites www.veh-ev.info und www.jetzt-reden-wir.org.
F.L.