Die literarischen Sünden der Bibel

Ob ihr Hauptcharakter existiert oder nicht ist unerheblich – die Heiligen Schriften der Christen sind ein

kaum lesbares Durcheinander

von Sam Jordison

Entgegen der landläufigen Meinung ist die Bibel kein gutes Buch. Ich möchte nicht ihre Moral verurteilen und es ist nicht mein Ziel, ihre unheilvollen gesellschaftlichen Einflüsse zu hinterfragen, ihre wissenschaftliche Absurdität, historische Unglaubwürdigkeit oder die recht schäbigen Ursprünge christlicher Orthodoxie. Von der Art gibt es momentan eine Menge von Richard Dawkins und Christopher Hitchens. Ich spreche von dem Buch alleine als von einem, dessen Lektüre eine intelligente Person genießen könnte, oder (lässt man die eher geringe Möglichkeit außer acht, dass man für die mühevolle Bewältigung der Testamente eine Freikarte zum Himmel gewinnt), die sie bereichernd finden könnte.

Ich denke, es lohnt sich, die literarische Qualität der Bibel zu hinterfragen. Erstens: Falls die Bibel wirklich Gottes Wort ist, so fragt man sich, warum er nicht in der Lage war, sie interessanter zu gestalten. Zweitens: Momentan wird ein Krieg gegen die Vernunft ausgefochten und es ist an der Zeit, dass die Vernunft endlich damit anfängt, auch einmal ein paar Schläge auszuteilen. Warum spricht man nicht einfach die offensichtliche, obgleich bislang kaum erwähnte, Wahrheit aus? Das Gute Buch ist keine, wie es so oft behauptet wird, verdammt gute Lektüre. Es ist Mist. Falls die zwei Testamente wirklich die größte Geschichte aller Zeiten erzählen, dann bin ich ein Affe (und nicht nur der entfernte Abkömmling von einem).

Ich bin mir nun darüber im Klaren, dass es sich bei der Aussage, die Bibel sei Mist, um eine ziemlich unverschämte Behauptung handelt. Lassen Sie mich also einige Punkte anführen, die meine grundlegende These belegen.

Ich möchte zunächst einmal nicht behaupten, dass die antiken Bücher der Bibel keine faszinierenden und wertvollen historischen Dokumente wären (wie zweifelhaft ihre Beteuerungen der eigenen Wahrhaftigkeit auch immer sein mögen).

Ich sage auch nicht, dass man die Bibel nicht lesen sollte. Es ist im Gegenteil von entscheidender Wichtigkeit, dass diejenigen auf der Seite der Vernunft sie studieren, vor allem, um zu wissen und zu verstehen, wogegen sie da antreten. Wenn zudem mehr Leute, die sich selbst Christen nennen, das Buch wirklich mal lesen würden, dann könnten ihnen einige der inneren Widersprüche auffallen und sie könnten einsehen, dass der Jesus des Neuen Testaments weit davon entfernt ist, der demütige und milde Sozialist zu sein, als den man ihn gemeinhin kennt, sondern dass es sich bei ihm vielmehr um einen erbarmungslosen Egomanen handelt, der von Dämonen geradezu besessen ist, und der nichts lieber mag, als dass man seine schmutzigen Füße küsst (Lukas 7: 44-5). Vielleicht würden sie auch erkennen, dass der Gott, den sie anbeten, ein, wie Evelyn Waugh einmal Randolph Churchill zitierte, „Stück Scheiße“ ist. Falls ihnen das nicht gelingt, so sollten Wortgläubige zumindest die Anweisungen, keine Meeresfrüchte zu essen, genau so ernst nehmen wie diejenigen, die Homophobie ermutigen, und auf diese Weise die Last von unseren überfischten Meeren nehmen.

Drittens, und am wichtigsten bei einer solchen künstlerischen Bewertung der Bibel, bezweifle ich nicht, dass sich in der King James Fassung einige wundervolle Manipulationen der englischen Sprache finden. Ich würde auch nicht davon träumen zu verschleiern, dass diese Übersetzung einen erheblichen Einfluss auf die englische Literatur hatte. Was ich allerdings sagen würde ist, dass es sich bei dem wichtigsten Wort im letzten Satz um „Übersetzung“ handelt. Das bemerkenswert talentierte Komitee, das mit dieser Fassung beauftragt wurde, hat (im streng nicht-göttlichen Sinne des Wortes) ein Wunder vollbracht. Es war eine unglaubliche Leistung, aus dem Kieselstein des neutestamentarischen Altgriechisch einen Diamanten zu schleifen, der seitdem so deutlich in unsere Kultur hineinglänzt.

Zuletzt bin ich willens einzugestehen, dass sich einige wenige Passagen von außergewöhnlicher Macht und Schönheit in der Bibel finden. Das Hohelied Salomons ist zum Beispiel eine echte Granate. Es gibt zudem keine einschlägigeren Fälle von willkürlichem und groteskem Sadismus in der Literatur als Gottes Entscheidung, Lots Frau in eine Salzsäule zu verwandeln, um den glücklosen Witwer dann mit seinen Töchtern in einer Höhle Sex haben zu lassen. Dabei ist das Buch der Offenbarung ein halluzinogener Trip ohne Gleichen vom Anfang bis zum Ende: Anregend, verwirrend und herrlich verrückt.

Dies sind jedoch nur seltene Lichtblicke auf 1000 und mehr Seiten dunkler, langweiliger Gräue. Kann irgendjemand ernsthaft behaupten, dass er es genießt, all diese Listen endloser Stammbäume zu lesen, die so große Teile des Alten und auch einige harte Brocken des Neuen Testaments ausmachen? Hat irgendjemand das Durchhaltevermögen, das ganze mühsame Werk von Umschlag bis Umschlag zu lesen? Kann irgendjemand den aberhunderten Charakteren folgen, die aus dem Nichts auftauchen und ins Nichts verschwinden, ohne jede Erklärung, ohne jeden Rhythmus oder Grund (von daher missachtet die größte Geschichte aller Zeiten die grundlegenden Regeln des Geschichtenerzählens)? Sagen Ihnen all die Ellen, Heiraten, Namenslisten, Auszüge, Lager in den Ebenen von Moab rund um Jericho und Opferungen von Ziegen mehr über das menschliche Wesen als, sagen wir, Der Große Gatsby? Würden Sie es tatsächlich vorziehen, den ganzen Schwachsinn über Dämonen im Neuen Testament zu lesen, wenn Sie stattdessen, unaufgelockert wie er ist mit Humor oder der faszinierenden Möglichkeit, dass der Hauptcharakter endlich seine Jungfräulichkeit verliert, Harry Potter lesen könnten?

Kurz gesagt: Glaubt jemand ernsthaft daran, dass der überwiegende Teil der Bibel irgendetwas anderes ist als schrecklich öde? Persönlich, und mit einem durchaus beabsichtigten Wortspiel, bezweifle ich es.

Übersetzung: Andreas Müller
Original: Guardian Blogs UK. 13. August 2007

Der Autor Sam Jordison ist ein britischer Schriftsteller und Journalist.

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